Rhein-Neckar/Stuttgart/Südwesten, 14. Dezember 2016. (red/pro) Stand 12. Dezember befinden sich landesweit 8.600 Menschen in Unterkünften der Landeserstaufnahme (LEA). Am kommenden Dienstag (20. Dezember 2016) wird der Ministerrat das Innenministerium mit der Erarbeitung einer Standortkonzeption beauftragen, teilte uns das Innenministerium auf Anfrage mit. Im Vorfeld ist bekannt geworden, dass bis zu 3.500 Flüchtlinge in einem „Ankunftszentrum“ unterkommen sollen, das voraussichtlich im Norden von Mannheim auf Coleman Barracks errichtet werden soll.
Bei diesem Artikel gab es beim Aufruf über selectyco offenbar ein technisches Problem. Wenn Sie unsere Arbeit belohnen möchten, können Sie den Artikel kaufen, auch, wenn Sie ihn schon gelesen haben. Falls Sie gekauft haben, der Artikel aber nicht abrufbar war und eine Gutschrift möchten, wenden Sie sich bitte in Ihrem Account an Selectyco. Warum wir Artikel kostenpflichtig machen, lesen Sie hier.
Der bisherige Entwurf der Standortkonzeption sei erarbeitet worden, um eine Basis für die Gespräche mit den Standortkommunen zu haben, teilt das Innenministerium dem Rheinneckarblog auf Anfrage mit.
Noch am gleichen Tag, an dem der Entwurf von Minister Thomas Strobl in die Regierungsabstimmung gegeben wurde, habe ein Gespräch zwischen dem Oberbürgermeister der Stadt Mannheim und dem Amtschef des Innenministeriums, Ministerialdirektor Julian Würtenberger, statt gefunden. Das Ergebnis: Man habe weitere Gespräche vereinbart. Diese seien inzwischen auch geführt worden und würden weiter geführt. Die Stadt Mannheim ist damit aus Sicht des Innenministerium bereits seit Vorstellung des ersten Entwurfes „eng“ in die Planungen einbezogen. Die Stadt Mannheim sieht das anders – dazu berichten wir noch.
Ob der Standort Coleman Barracks in Frage kommt, wollten wir wissen:
Offizielle Informationen der US-Streitkräfte zu einer Freigabe der Coleman Barracks liegen dem Innenministerium nicht vor,
heißt es aus dem Innenministerium.
Im Anschluss an die Beauftragung des Innenministeriums soll dieses mit denjenigen Standortkommunen weiter verhandeln, mit denen bislang noch nicht alle Fragen geklärt werden konnten. Das wären Schwetzingen und Mannheim – tatsächlich scheint es nur noch um Mannheim zu gehen.
Argumentation umgedreht – die Belastung wird zur Entlastung
Das wird aus der Antwort auf unsere Anfrage ersichtlich. Wir wollten wissen, wieso die Stadt Mannheim trotz des ursprünglichen Plans, dauerhaft LEA-Standort für eine Kapazität von 750 Personen zu werden, nun überproportional belastet werde.
Um der Situation der Stadt Mannheim besonders Rechnung zu tragen, sollen statt zusätzlicher Plätze in einem LEA-Neubau die Unterbringungskapazitäten der Erstaufnahme im Stadtgebiet stark reduziert werden. Der Entwurf der Standortkonzeption sieht vor, dass im Stadtgebiet Mannheim durch die Aufgabe der Erstaufnahmeeinrichtungen Benjamin-Franklin Village, Hammonds Barracks und Industriestraße sowie durch das geplante Ende der Nutzung der Spinelli Barracks Ende 2019 insgesamt 9.000 Plätze wegfallen. Gleichzeitig gibt es in Baden-Württemberg nur wenige Liegenschaften, die sich für ein Ankunftszentrum von mindestens 3.000 Personen eignen, wie es das Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bundesweit voraussetzt.
Das Innenministerium dreht also die Argumentation um und rechnet mit Größen, die nie zur Verhandlung standen. Mitte 2018 sollte die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für Flüchtlinge, die sich in der Industrie-/Pyramidenstraße in der Neckarstadt-West befindet, durch einen Neubau in direkter Nachbarschaft in der Untermühlau-/Ludwig-Jolly-Straße ersetzt werden – statt wie bisher 750 Personen sollte dort dann bis zu 1.000 Personen unterkommen können. Diesen Stand teilte die Stadt Mannheim zuletzt vor einem Jahr am 02. Dezember 2015 mit.
Mit diesem Neubau einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge ist es möglich, eine sowohl in baulicher als auch in konzeptioneller Hinsicht geeignete Unterbringung zu schaffen. Deshalb sagen wir dem Land unser volle Unterstützung für dieses Vorhaben zu,
sagte Sozialbürgermeister Michael Grötsch (CDU) in der Ausschusssitzung Wirtschaft und Soziales damals zu den grün-roten Plänen. Aktuell sind von ihm keine Äußerungen zu den neuen Plänen der grün-schwarzen Landesregierung zu hören.
Jetzt wird nicht die Bezugsgröße 750-1.000 Personen herangezogen, sondern die Zahl 9.000 unter Berücksichtigung der Standorte Benjamin Franklin Village, Spinelli Barracks sowie Hammonds Barracks. In Mannheim wurden in der Hochphase gut 15.000 Flüchtlinge, in der Spitze fast 20.000 Menschen untergebracht. Die Kasernen waren dabei niemals definierte LEAs, sondern BEAs, sogenannte „bedarfsorientierte Landeserstaufnahmestellen“, um die Spitzen abzufangen.
Jetzt argumentiert der CDU-Innenminister Thomas Stroble, dass eine „Reduzierung“ von bis zu 9.000 Menschen auf bis zu 3.500 Menschen doch eine Entlastung sei – auch des Stadtgebiets, weil die Einrichtung auf Coleman fernab der Stadt liegt.
Beteiligung soll für politischen Frieden sorgen
Wir wollten vom Innenministerium auch wissen, ob man sich der politischen Verantwortung bewusst sei, die mit der Planung eines solch riesigen, dauerhaften Standorts verbunden sei – immerhin hatte die AfD aus dem Stadt den eigentlich als „rot“ geltenden Mannheimer Norden bei der Landtagswahl gewonnen. Die SPD verlor hier ihr landesweit letztes Direktmandat.
Die Landesregierung wisse um die Bedeutung:
Daher hält die Landesregierung eine enge Einbindung und Beteiligung der jeweiligen Standortkommune für ausgesprochen wichtig. Wichtig ist auch, die Einrichtung und den Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung in Abstimmung mit der Standortkommune und je nach örtlichen Gegebenheiten durch eine enge und offene Beteiligung der Bevölkerung im Umfeld der Erstaufnahmeeinrichtung zu begleiten.
Zudem werde die Landesregierung jede Erstaufnahmeeinrichtung so ausstatten, dass Sicherheit und Ordnung sowohl in der Aufnahmeeinrichtung wie auch in ihrem Umfeld sichergestellt seien. Dies gelte selbstverständlich in besonderem Maße für die Einrichtung eines Ankunftszentrums. Die Erfahrungen an anderen Standorten von Erstaufnahmeeinrichtungen zeigten, dass damit eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung im Umfeld der Aufnahmeeinrichtungen erreicht werden könne, teilt das Innenministerium mit.
Aktuell gibt es zwei unterschiedliche Zahlen, die in Umlauf sind. Manche Quellen sprechen von 16 Ankunftszentren, also pro Bundesland einem, wir haben aber auch von vier Ankunftszentren gehört – wo also länderübergreifend Flüchtlinge ankommen, registriert werden, ihren Antrag stellen können und dann weiterverteilt werden.
In Mannheim lehnen CDU und Grüne das Ankunftszentrum ab. Die SPD hält sich zurück. Die anderen Fraktionen haben sich ebenfalls noch nicht eindeutig positioniert. Die CDU Sandhofen hatte vergangene Woche zu einem Informationsabend eingeladen.
Hintergrund:
In den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sind derzeit 8.600 Menschen untergebracht (Stand 12. Dezember 2016). Aufgeschlüsselt nach den einzelnen Standorten sieht die Verteilung wie folgt aus:
Standort, Belegung
Karlsruhe, 990
Mannheim, 2.660
Heidelberg, 2.160
Ellwangen, 630
Wertheim, 220
Meßstetten, 320
Sigmaringen, 790
Freiburg, 320
Donaueschingen, 340
Villingen-Schwenningen, 170