Mannheim/Stuttgart, 12. Dezember 2016. (red/pro) Auf einer CDU-Veranstaltung zu den Plänen der Landesregierung, im Mannheimer Norden ein “zentrales Ankunftszentrum” (“AKZ”) für bis zu 3.500 Personen zu errichten, formiert sich Protest. Auf der Veranstaltung wurde beklagt, dass man in Stuttgart zu wenig auf Mannheim achte und man sich abgehängt fühle. Umgekehrt wird ein Schuh draus – wenn Stuttgart nicht sehr genau auf Mannheim achtet, könnte das sehr schnell eine Krise auslösen. Denn der Norden wird sich wehren – wenn nötig, heftig.
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Kommentar: Hardy Prothmann
Ich kann Ihnen aktuell keine Fakten anbieten, wann genau wer was tun wird und wann genau was passieren wird. Was ich Ihnen anbieten kann, sind über 25 Jahre intensive journalistische Erfahrung und das, was man “Instinkt” nennt.
Wer unsere Berichterstattung verfolgt, weiß, dass unsere Fakten stimmen und unser Instinkt eine enorm hohe Trefferquote hat, weil wir uns für Menschen interessieren. Für die “oben” und für die “unten” – wobei diese Einteilung blöd ist. Der Bürger ist nicht unten – der Bürger ist da, wo die Menschen sind. Und da sind wir.
Mein Instinkt sagt mir, dass die Proteste Stuttgart 21 “Pillepalle” sind – gegen die Pläne der Landesregierung zur Einrichtung eines dauerhaften zentralen Ankunftszentrums auf Coleman.
Stuttgart 21 kann noch so politisch und vor allem teuer sein – letztlich geht es um ein großes Bauvorhaben. Beim “AKZ” geht es um Menschen. Die, die in dieses Lager kommen und die, die mit den Menschen im Lager konfrontiert werden. Die “Sprengkraft” ist ungleich größer als Stuttgart 21.
Stuttgart bastelt sich eine politische Bombe
Bürger klagten auf der CDU-Veranstaltung in Sandhofen, dass Mannheim in Stuttgart zu wenig präsent sei. Das mag zutreffen. Richtiger ist, dass Stuttgart zu wenig präsent in Mannheim ist, um zu verstehen, dass man auf dem besten Weg ist, sich eine politische Bombe zu basteln.
Unsere provokante Überschrift zu einem geplanten “Konzentrationslager” hat eine kontroverse Debatte ausgelöst. Die Mannheimer CDU stellt im Gemeinderat aktuell einen Antrag zum “AKZ” – vermutlich ist niemand das “KZ” in der Abkürzung bislang aufgefallen. Selbstverständlich wäre ein “AKZ” nicht mit nationalsozialistischen Konzentrationslagern der Vernichtung gleichzusetzen.
Aber – und das ist entscheidend – eine konzentrierte und dauerhafte Einrichtung eines Massenlagers für Flüchtlinge im Mannheimer Norden wird die grundsätzliche Leidensbereitschaft der Mannheimer auf eine extreme Belastungsprobe stellen.
Sorge vor Konflikten
Die Sorge, dass es zu massiver Fremdenfeindlichkeit und zu wechselseitigen Übergriffen kommt, geht um – im Norden. Alle, die sich erinnern können oder sich für die Vergangenheit interessieren, wissen, was Anfang der 90-er Jahre auf der Schönau los war. Die Übergriffe auf Asylbewerber waren schändlich und unwürdig für die Einwandererstadt Mannheim. Aber es hat sie gegeben und dafür gab es Gründe.
Man hatte in einem sozial schwachen Stadtteil weitere sozial schwache Menschen konzentriert. Es gab zunehmende soziale Spannungen, die niemand wahrhaben wollte. Der Druck auf dem Kessel stieg. Die Lunte brannte und am 28. Mai 1992 war das Pulverfass explodiert. Es kam zu pogromartigen Tumulten.
Das war für die fremdenfreundliche Stadt Mannheim einer der dunkelsten Punkte der jüngeren Geschichte – lange nach der Nazi-Zeit.
Aus Geschichte muss man lernen
Die Studien zur Arisierung in Mannheim haben zudem aufgedeckt, dass Mannheim eben nicht die bis dahin beschworene Anti-Nazi-Stadt war. Ganz im Gegenteil. Der bewunderte und geschätzte Mäzen Heinrich Vetter war ein Profiteur der Arisierung. Noch viel mehr als dieser Kaufmann aber die Stadt Mannheim selbst. Welch bittere Erkenntnis.
Aus Geschichte kann und muss man lernen. Aus den Vorzügen und den Fehlern.
Mannheim ist eine kleine Großstadt mit allen Merkmalen einer Metropole – dazu gehören neben den großartigen Erfindungern und der weltoffenen Art auch große Probleme und dunkle Seiten.
Höchstleistung kann man nicht dauerhaft bringen
Aktuell ächzen Teile der Stadt, vor allem Jungbusch und Neckarstadt-West, unter einer enormen Belastung durch südosteuropäische Einwanderer. In der heißen Phase der enormen Zuwanderung hat Mannheim Vorbildliches geleistet. Das war ein Kraftakt, das war Höchstleistung – aber niemand kann diese dauerhaft erbringen. Jeder, mit dem ich spreche und der sich auskennt, neigt das Haupt und erkennt die Leistung an.
Das gilt ganz offensichtlich nicht für das Raumschiff Stuttgart. Ich kann mich noch sehr gut an einen aggressiven, vollkommen abgenervten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann erinnern, der zur Hochzeit der Flüchtlingskrise in Heidelberg aufgetreten ist. Die Heidelberger wurden massiv belogen, was die Auslastung von Patrick Henry Village angeht. 1.000, höchstens 2.000 Menschen sollten dort untergebracht werden. In der Hochzeit waren es gut 6.000.
Bürokratische Spitzenleistung vs. Automatisierung von Menschen
Auf Patrick Henry Village wurde die “zentrale Registrierungsstelle” entwickelt. Ein bürokratischer Hochleistungsapparat zur Massenabfertigung von Asylbewerbern.
Aus Sicht von Landesbürokraten ein Erfolgsmodell. Dem kann man folgen. Organisatorisch ist das mal wieder spitze, hat bundesweit “Beachtung” erfahren und gezeigt, dass Baden-Württemberg vielleicht kein Hochdeutsch kann, aber im Automatisierungsgeschäft führend ist.
Das Problem dabei: Menschen lassen sich nicht automatisieren. Und ihre Gefühle auch nicht. Auch nicht, wenn ein selbstherrlicher Ministerpräsident Kretschmann meint, dass, wenn er das so entscheide, das richtig sein müsse, weil das ja anders gar nicht denkbar sei.
Problematisch wird es zudem, wenn man Kommunen gegeneinander ausspielt: Wieso werden Heidelberg Zugeständnisse gemacht, die zu Lasten Mannheims gehen? Ist das ein Bonus für die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer?
Der Norden wird AfD-Hochburg werden
Das Gegenteil ist richtig. Man kann anders denken und handeln. Das zeigen die schier unglaublichen Erfolge der AfD. Die kann man versuchen vorzuführen – im Ergebnis stärkt man sie mehr und mehr.
Auch durch den “konsequenten Kampf” – das haben die roten und grünen Köpfe noch nicht ansatzweise verstanden. Man tut alles, um der AfD keinen Raum zu geben – und dabei werden Anbieter von Veranstaltungsräumen bedroht, die meistens einknicken vor der massiven Zusetzung.
Was folgt daraus? Der Opfer-Status der AfD bekommt neue Nahrung und die Kritik am asozialen Verhalten der “Alt-Parteien” und der “System-Medien” sowieso.
Hierzu kann ich Ihnen die offensichtlichen Fakten liefern – nämlich die schier unglaublichen Wahlerfolge der AfD. Und die schier unglaublichen Verluste der etablierten Parteien. Diese Fakten liegen vor. Die CDU hat bei der Landtagswahl deutlich, die SPD massiv verloren und die AfD ist drittstärkste Kraft geworden. Glaubt irgendjemand, das sei ein Unfall gewesen?
Die Zentralisierungswut der Landesregierung wird eine zentrale Wut der Bürger vor Ort auslösen. Das kann ich aktuell noch nicht belegen, aber das sagt mir mein Instinkt.
“Wir schaffen das”, hat die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gesagt. Das war vielleicht ein frommer Wunsch, realpolitisch war es fahrlässig. Wir, die Menschen vor Ort, schaffen es nicht, wenn man uns, so wie die Landesregierung das gerade plant, überfordert.