Mannheim/Rhein-Neckar, 17. April 2013 (red/ld) Heinrich Vetter bleibt wohl Ehrenbürger der Stadt Mannheim. Darauf haben sich heute die Mitglieder des Hauptausschusses des Mannheimer Gemeinderats verständigt. Die Stadtverwaltung hatte vorgeschlagen, dem Profiteur der Arisierung während der Zeit des Nationalsozialismus die Ehrenbürgerschaft nicht abzuerkennen. Stattdessen sollen nach dem Mäzen benannte Orte mit einer erklärenden Plakette versehen werden, die an seine Rolle während dieser Zeit erinnert.
Von Lydia Dartsch
Der Hauptausschuss wollte die Vorlage der Stadtverwaltung noch nicht beschließen und hob sie deshalb schon im Vorfeld in die Gemeinderatssitzung am 30. April. Neben der Beibehaltung der Ehrenbürgerschaft Heinrich Vetters und der Anbringung von Plaketten an nach ihm benannte Orte, hatte die Stadtverwaltung vorgeschlagen, eine App für Smartphones und einen Audiowalk zu entwickeln, in der die Erkenntnisse des Forschungsprojekts „Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim“ von Dr. Christiane Fritsche für Interessierte und Besucher der Stadt zugänglich gemacht werden. Damit will die Stadt „aktive Erinnerungsarbeit“ leisten.
Wir wollen wachrütteln und nicht verdrängen, auch wenn es für die Stadt unangenehm ist,
sagte der Rrste Bürgermeister Christian Specht. Gerade für die Stadt, die stark von der Arisierung profitiert hat, sei es wichtig, offensiv mit ihrer eigenen Vergangenheit umzugehen. Die App, den Audiowalk und die Plaketten an Orte, die an Heinrich Vetter erinnern, seien Stolpersteine, die die vorantreibende Rolle der Stadt bei der Arisierung in den Vordergrund rücken.
Dieser Denkanstoß wird nicht durch die Umbenennung von Orten erbracht. Wir wollen die Menschen vielmehr selbst dazu bringen, sich damit auseinanderzusetzen. Es ist eine neue Art des Denkanstoßes,
sagte Bürgermeister Specht.
Auseinandersetzen soll sich die Stadt auch mit der Situation, in der Heinrich Vetter 1999 zum Ehrenbürger ernannt worden war:
Einige von uns haben Herrn Vetter noch persönlich gekannt. Wir hätten ihn fragen können. Das haben wir nicht getan und das sollte uns beunruhigen,
sagte Professor Achim Weizel (Mannheimer Liste). Ralf Eisenhauer (SPD) machte diese Forderung noch dringender, indem er die Behauptung zurückwies, die Stadt habe damals von der Rolle der Familie Vetter während des dritten Reiches nichts gewusst:
Die Arisierung war bekannt!
Die Ehrenbürgerschaft Heinrich Vetters soll dennoch aufrecht erhalten werden, sprachen sich die Stadtratsfraktionen aus und wiesen auf sein Wirken als Mäzen in der Nachkriegszeit hin:
Damals hatte man gute Gründe, warum an Heinrich Vetter zum Ehrenbürger ernannt hat. Die liegen auch weiterhin vor,
sagte Carsten Südmersen (CDU).
Heute würde man den 2004 verstorbenen Heinrich Vetter zwar nicht mehr zum Ehrenbürger ernennen, nach den Erkenntnissen der Studie. Darin waren sich die Stadträte einig. Die Streichung seines Namens und die Umbenennung der nach ihm benannten Orte würde aber gleichzeitig bedeuten, die Fehler zustreichen, die in der Vergangenheit begangen worden sind:
Nur, wenn wir die Vergangenheit kennen und uns mit ihr auseinandersetzen können, ist aktive Erinnerungsarbeit möglich,
sagte Gabriele Thirion-Brenneisen (Grüne).
Stadtrat Thomas Trüper bezeichnete Heinrich Vetter als Treiber der Arisierung, indem er sich nicht nur Grundstücke und Besitztümer über diesen Vorgang angeeignet habe, sondern auch eigene Geschäftsräume für die Verkäufe im Zuge der Arisierung zur Verfügung gestellt hatte. Die Vorgehensweise der Stadt Mannheim unterstützte er, bat aber einige Änderungen an der Vorlage und dem Plakettentext vorzunehmen, um das bürgerschaftliche Engagement herauszustellen, auf der die Forschungsgruppe „Arisierung und Wiedergutmachung“ beruht. Außerdem soll klarer dargestellt werden, dass Heinrich Vetters Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus erst 2004, ein Jahr nach seinem Tod bekannt worden seien.
Die Ergebnisse der Forschungsgruppe „Arisierung und Wiedergutmachung“ von Dr. Christiane Fritsche war am 13. Oktober 2012 im Mannheimer Gemeinderat vorgestellt worden. Am 30. Januar hatte Dr. Christiane Fritsche das Buch “Ausgeplündert, zurückerstattet und entschädigt – Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim” unter großem Besucherandrang der Öffentlichkeit vorgestellt. Daraus geht hervor, dass die Stadt stärker am nationalsozialistischen Regime beteiligt war, als zuvor bekannt. Außerdem war bekannt geworden, dass der Mannheimer Kaufmann und späterer Mäzen Heinrich Vetter stark von der Enteignung jüdischer Besitztümer profitiert hatte.