Mannheim, 25. April 2013. (red/ld) Die Ehrenbürgerschaft Heinrich Vetters ist ein heiß diskutiertes Thema. Wie geht die Stadt mit einem Ehrenbürger um, der von der unrechtmäßigen Enteignung Mannheimer Juden profitiert und diese sogar vorangetrieben hat? Im Hauptausschuss der Stadt Mannheim bestand vergangene Woche Einigkeit darüber, die Ehrenbürgerschaft nicht abzuerkennen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selbst mit diesen Tatsachen auseinanderzusetzen. Wir stellen die Standpunkte der Fraktionen vor.
Umfrage: Lydia Dartsch
Wir dokumentieren die Standpunkte der Fraktionen. Am vergangenen Dienstag, 16.04. baten wir die Fraktionen per email um eine Stellungnahme zu dem Thema:
im Zuge unserer Berichterstattung zu Heinrich Vetter und seiner Rolle als Profiteur der Arisierung während der Zeit des Nationalsozialismus sind wir auf den TOP 1.3 der heutigen Hauptausschusssitzung aufmerksam geworden.
Darin schlägt die Stadtverwaltung vor, die Ehrungen an Herrn Vetter aufrecht zu erhalten und nach ihm benannte Räume und Orte mit einer Zusatzplakette zu versehen.
Wir möchten die Standpunkte der Fraktionen zu diesem Thema gerne in einer Übersicht veröffentlichen und bitten daher um die Zusendung einer Stellungnahme.
Sofern in der Fraktion abweichende Meinungen herrschen, bitten wir, uns diese ebenfalls zukommen zu lassen oder uns die Namen der betreffenden Stadträte zu nennen, damit wir sie direkt ansprechen können.
Wir bitten, die kurzfristige Anfrage zu entschuldigen. Da wir aktuell berichten, würden wir uns über eine Zusendung bis morgen, Mittwoch 14:00 Uhr sehr freuen. Sollte es bis 14:00 Uhr nicht klappen, bitten wir um einen kurzen Hinweis.Außerdem wären wir sehr dankbar, wenn Sie uns ein Portraitfoto von sich bzw. dem Fraktionssprecher zusenden können.
Anmerkung der Redaktion: Wir veröffentlichen die Stellungnahmen nach der Reihenfolge, in der sie uns erreichten. Eine Wertung findet nicht statt. Von der CDU-Fraktion haben wir auf unsere Anfrage keine Antwort erhalten. Stadtrat Thomas Trüper (Die Linke) vertröstete uns auf die Gemeinderatssitzung am 30. April, wenn das Thema auf der Tagesordnung steht. Er sei zeitlich nicht dazu gekommen, eine Stellungnahme zu verfassen.
Stellungnahme der Grünen Fraktion:
Wir unterstützen eine aktive Erinnerungskultur, die in die Breite der Stadtgesellschaft wirkt. Diesen Teil der städtischen Beschlussvorlage befürworten wir voll und ganz. Dabei gilt es insbesondere bei der Jugend die Erinnerung mit neuen Methoden und Medien lebendig zu halten. Es stellt sich aber die Frage, ob eine Empfehlung an betroffene Institutionen, die nach ihm benannte Säle oder Wege mit einem Zusatzschild und kurzem Hinweistext auf die Arisierung zu versehen, als Konsequenz aus der Studie genügt,
schrieb die Fraktionsvorsitzende, Stadträtin Gabriele Thirion-Brenneisen. Stadtrat Gerhard Fontagnier schrieb:
Mannheim sollte sich Zeit nehmen gründlich darüber zu beraten, wie mit den Ergebnissen der Studie umgegangen werden soll und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Eine vorschnelle Festlegung auf die Nichtaberkennung oder Aberkennung der Ehrenbürgerschaft ist jedenfalls der falsche Schluss. Wir benennen Schulen und Straßen neu, um denen die Ehre abzuerkennen, die diese aufgrund ihrer Verstrickungen in der Nazi-Zeit nicht verdient haben. Also brauchen wir bei der Aufarbeitung der Arisierung einen Vergleich der Maßstäbe.
Die Position der FDP-Fraktion zum Umgang mit Heinrich Vetter

Volker Beisel und Elke Wormer. Foto: FDP Mannheim
Gedenken heißt, aus der Erinnerung Verantwortung abzuleiten und zu übernehmen. Im Falle von Heinrich Vetter erfolgte die Verleihung der Ehrenbürgerwürde 1999 in Unkenntnis seiner Verstrickung in diverse Arisierungsvorgänge. Der Gemeinderat hätte seinerzeit sicherlich anders entschieden, wenn das ganzheitliche Bild von Heinrich Vetter bekannt gewesen wäre. Mit der späten, aber dafür umso detaillierteren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Heinrich Vetters NS-Vergangenheit erreicht die Erinnerungsarbeit nun eine neue Qualität. Wer dabei aktives Erinnern an die Vorgänge in der NAZI-Diktatur fördern will, der muss auch an Namen und Taten erinnern. Die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Heinrich Vetter geschah damals in Anerkennung an seine großen Verdienste für die Stadt Mannheim und in Anbetracht an sein Mäzenatentum. Die Ehrenbürgerwürde endet mit dem Tod. Eine nachträgliche Löschung des Namens aus der Ehrenbürgerliste wird der aktiven Erinnerungsarbeit nicht gerecht. Das vorgeschlagene Zusatzschild erfordert dagegen – auch von zukünftigen Generationen – die aktive Auseinandersetzung mit dem von Heinrich Vetter, teilweiser unter persönlicher Beteiligung, begangenem Unrecht zu Zeiten der NAZI-Diktatur
schrieben der FDP-Fraktionsvorsitzende Volker Beisel und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dr. Elke Wormer.
Stellungnahme der SPD-Gemeinderatsfraktion

SPD-Stadtrat Ralf Eisenhauer. Foto: SPD Mannheim
Der SPD-Gemeinderatsfraktion ist viel daran gelegen, dass alle Parteien sich im Umgang mit der Aufarbeitung und Darstellung der Arisierung in Mannheim einig sind. Genauso geht es uns um eine besonders sorgfältige Betrachtung des Ehrenbürgers Heinrich Vetter. Es darf weder um eine Verharmlosung gehen, aber auch nicht um eine symbolträchtige und nur vordergründig das kollektive Gewissen bereinigende Aberkennung der Ehrenbürgerschaft. Entscheidend ist eine fortwährende Auseinandersetzung beider Geschichten – nämlich derjenigen der Arisierung selbst und eben auch derjenigen, wie wir als Stadtgesellschaft mit dem „ehrenwerten Kaufmann und großzügigen Mäzen Henrich Vetter“ umgegangen sind – im auch damals schon in Ansätzen vorhandenen Wissen um dessen Verstrickungen. Ich habe die große Bitte an uns alle, auf diesem gemeinsamen Weg der durchaus schmerzhaften Aufarbeitung weiter zu gehen.
Mit dem Vorschlag der Verwaltung zum weiteren Vorgehen geht es nicht um das Ende des Prozesses, sondern um eine gesicherte gemeinsame Grundlage für die weitere Arbeit.
Für die SPD-Gemeinderatsfraktion ist wichtig, dass das Vorgehen auch abgestimmt ist mit Historikerinnen und Historikern genauso wie mit der Vetter-Stiftung. Darüber hinaus findet eine Auseinandersetzung mit dem Verhalten der städtischen Verwaltung statt, die weitergeführt und dokumentiert werden muss. Wir wollen die Erinnerungskultur in unserer Stadt stärken. Seit einigen Jahren gibt es etwa die bürgerschaftlich getragene Verlegung von Stolpersteinen oder aktuell zum Beispiel die Entscheidung über ein Mahnmal für die Opfer der Zwangssterilisation. Aber auch weiteres, wie etwa Unterrichtsmaterial und Projekte für die Schulen und selbstverständlich auch die Vertiefung der nachgewiesen aktiven und vorauseilenden Rolle der Stadtverwaltung gehören dazu.
Letztlich geht es auch bei der Frage der Ehrenbürgerschaft von Heinrich Vetter um eine Diskussion, die mit Demut zu führen ist. Bei der Verleihung dieser Würde 1999 waren durchaus Informationen zur Zeit bis 1945 bekannt, die nicht betrachtet worden sind oder nicht gewollt worden ist, dass sie betrachtet werden.
Stellungnahme der Fraktionsgemeinschaft Freie Wähler – Mannheimer Liste
Dem von der Verwaltung vorgeschlagenen Weg, Verzicht auf Aberkennung der Ehrenbürgerschaft von Heinrich Vetter und an allen öffentlichen Orten, die an Heinrich Vetter erinnern, durch Anbringung von Plaketten auf seine Mitwirkung bei der Arisierung hinzuweisen, kann die Fraktionsgemeinschaft Freie Wähler – Mannheimer Liste e.V. mittragen.
Unser Fraktionsvorsitzender Prof. Dr. Achim Weizel hatte dies auch in der gestrigen Sitzung des Hauptausschuss so dargelegt.
Unrichtig ist im Übrigen jene Behauptung, wonach alle Mannheimer von der Mitwirkung von Herrn Vetter bei der Arisierung gewusst haben.Auch den Vorschlag der Verwaltung, die vorhandene KZ-Gedenkstätte in der Gustav-Wiederkehr-Schule in Ma-Sandhofen in Abstimmung mit dem Verein KZ-Gedenkstätte e.V. weiter zu entwickeln und auszubauen, wird unsererseits unterstützt.
schrieb Roland Weiß, Geschäftsführer der Fraktionsgemeinschaft Freie Wähler – Mannheimer Liste e.V.