Mannheim/Rhein-Neckar/Berlin, 13. Juni 2018. (red) Die mutmaßliche Entführung eines mutmaßlichen Straftäters aus dem Irak durch die Spezialeinheit GSG9 der Bundespolizei zieht Kreise. Unser Gastautor Maximilian Endler ist ein renommierter Strafverteidiger, der sehr kritisch auf die aktuellen Ereignisse schaut. Er fordert ein bedingungslos rechtmäßiges Verfahren im Mordfall Susanna F.: “Wer von Flüchtlingen ein normgerechtes und rechtmäßiges Verhalten in Deutschland verlangt, der muss mit gutem Beispiel vorangehen.”
Gastbeitrag: Maximilian Endler
Der Fall Ali B. ist in mancherlei Hinsicht ein besonderer Fall. Vorab aber: Was macht den Fall nicht besonders? Als erstes die B. vorgeworfene Tat, was zugegebenermaßen eine traurige Feststellung ist. B. wird ein Kapitaldelikt vorgeworfen, nämlich eine mit einem Sexualdelikt zusammenhängende Tötung, was immer mit größtem Leid für Angehörige, Verwandte und Freunde verbunden ist und angemessen gesühnt werden will, allerdings nicht dadurch schlimmer wird, dass der mutmaßliche Täter ein Flüchtling war. Ebenfalls nicht besonders ist, dass es bei Straftaten, die Flüchtlingen vorgeworfen werden, heute offenbar zum medialen Konsens gehört, von Anfang an den vollen Nachnamen des mutmaßlichen Täters zu nennen.
Anzeicgen für polizeiliches Handeln außerhalb der Legalität
Bemerkenswert und besonders sind aber vor allem die Umstände der Ergreifung und der Rückführung des B. in die Bundesrepublik. Was anfangs wie ein schlauer Coup der Ermittlungsbehörden wirkte, wirft im Nachhinein viele Fragen auf. In welchem Umfang hat sich die Bundespolizei in dieser Sache engagiert? Wenn sie es getan hat, war das im Rahmen des legal Zulässigen? Und vor allem: Geschah es mit Rückendeckung des Bundesinnenministeriums?
Ein Karlsruher Kollege, der Strafverteidiger Daniel Sprafke, sieht Anhaltspunkte für ein polizeiliches Handeln außerhalb der Legalität und hat daher Strafanzeige gegen den Bundespolizei-Chef und die beteiligten GSG9-Beamten gestellt.
Seine Sichtweise hat er ausführlich und gut nachvollziehbar begründet und sein Vorgehen erscheint mutig in Zeiten, in denen ein standhaftes Eintreten für ein faires Strafverfahren auch in Fällen, in denen Flüchtlinge die mutmaßlichen Täter sind, schnell dazu führt, dass man in die Gutmenschenecke gedrängt oder gar der Parteinahme für Kriminelle bezichtigt wird. Kollege Sprafke hat diesen Vorwurf kommen sehen und sich bereits vorab hierzu geäußert, auch dies in angemessener und gut nachvollziehbarer Weise.
-Anzeige- |
Unsere bedingungslose Rechtsstaatlichkeit macht den Unterschied
Was uns von Ländern wie dem Irak, Syrien oder Afghanistan unterscheidet, ist vor allem die bedingungslose Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ohne Ansehen der Person.
Dieser Grundsatz darf auch in Zeiten nicht aufgegeben werden, in denen der Staat vor der Herkulesaufgabe der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik steht und den Königsweg hierfür offenbar noch nicht gefunden hat.
Ein angemessenes (hartes) Urteil darf richtigerweise nur am Ende eines bedingungslos rechtmäßig geführten Verfahrens stehen. Ob es Tendenzen zu einer Aufweichung dieses Grundsatzes gibt, wird man sehen müssen.
Erste Anzeichen hierfür jedenfalls sind gegeben und das ist besorgniserregend. Warum etwa wird ein mutmaßlicher Straftäter, dem schwere Kriminalität, nicht jedoch Terrorismus oder ähnliches vorgeworfen wird, pressewirksam von einer Sondereinheit der Bundespolizei vorgeführt, die ihren Ruf einst damit begründet hat, erfolgreich gegen Terroristen vorzugehen?
Objektive Gesichtspunkte, die für eine solche Vorgehensweise sprechen könnten, sind kaum vorstellbar. Es scheint nur darum gegangen zu sein, der Öffentlichkeit zu demonstrieren, wie hart man gegen Flüchtlinge vorgeht, die in unser Land kommen und dann offenbar schwere Straftaten begehen.
Zur Person:
Maximilian Endler ist einer der renommiertesten Strafverteider in der Region und darüber hinaus und Spezilist für “ganz harte Fälle”. Zusammen mit seiner Kollegin Miriam Weis schreibt er auf seinem Blog zu Strafrechtsthemen.
Anzeige zu erstatten war richtig – auch bei Erfolglosigkeit
Kaum vorstellbar, dass die mittlerweile erstatteten Strafanzeigen Erfolg haben werden, denn dazu erscheint die politische Rückendeckung für die Bundespolizei zu eindeutig und die Möglichkeiten einer politischen Einflussnahme auf derartige Verfahren ebenfalls. Die Anzeigen zu erstatten war dennoch richtig, denn der Finger gehört in die Wunde gelegt.
In diesen Tagen ist viel vom deutschen Wertesystem und der Notwendigkeit seiner Akzeptanz durch Menschen die Rede, die als Flüchtlinge hierher kommen und Gastrecht genießen. Zum deutschen Wertesystem gehört allerdings auch das Einhalten rechtsstaatlicher Grundsätze. Wer von Flüchtlingen ein normgerechtes und rechtmäßiges Verhalten in Deutschland verlangt, der muss mit gutem Beispiel vorangehen und seinerseits die Vorschriften achten, die ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleisten.
Jede Aufweichung dieser Rechtsstaatlichkeit darf nicht geduldet werden – wehret den Anfängen.