Rhein-Neckar/Karlsruhe/Berlin, 12. Juni 2018. (red/pro) Wie wir berichtet haben, wird die „Kommandoaktion“ des Präsidenten der Bundespolizei, Dr. Dieter Romann, möglicherweise nicht nur ein juristisches Nachspiel haben, sondern ein politisches Beben auslösen: Der Karlsruher Strafverteidiger Daniel Sprafke hat aktuell Strafanzeige gegen den höchsten Bundespolizisten und alle beteiligten Beamten der GSG9 erstattet, die gemeinschaftlich den des Mordes Tatverdächtigen Ali B. aus dem Irak zurück nach Deutschland geholt haben. Eine weitere Strafanzeige wurde durch den Redaktionsleiter Hardy Prothmann gestellt.
Von Hardy Prothmann
Der Kriminalfall „Susanna“ wird zum politischen Krimi.
Die Strafanzeige
Denn die mutmaßliche „Rückführung“ des mutmaßlich des Mordes tatverdächtigen Ali B. vom Irak nach Deutschland wird ein juristisches Nachspiel haben. Am Montag, 11. Juni hat der Karlsruher Strafverteidiger Daniel Sprafke Strafanzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg gegen den Präsidenten der Bundespolizei, Dr. Dieter Romann sowie alle beteiligten Beamten der GSG9 gestellt:
Aufgrund der Presseberichterstattung der letzten Tage, insbesondere durch die Berichterstattung der „Bild“ sehe ich Anhaltspunkte dafür, daß der Chef der Bundespolizei aus eigenem Antrieb und ohne richterliche Entscheidung, den Verdächtigen im Kriminalfall „Susanna“ nach Deutschland verbracht haben könnte. Deutsche Sicherheitsbehörden haben kein Recht, ohne gesetzliche Grundlage Menschen festzunehmen und diese gegen ihren Willen in ein anderes Land zu verschleppen. Da eine Verschleppung von Beschuldigten aus dem Ausland in das Inland ein mehr als gravierender Angriff auf den Rechtsstaat – dem Grundpfeiler eines friedlichen Zusammenlebens – bedeuten würde, habe ich die Strafverfolgungsbehörden des Landes Brandenburg gebeten, die Angelegenheit zu prüfen.
Zweifel an rechtsstaatlichem Handeln
Damit bestätigt der Anwalt Zweifel am rechtsstaatlichen Handeln, die wir redaktionell aktuell schon berichtet haben. Denn die Sachlage ist komplex.
Die Bundespolizei hat außerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland keine gesetzlichen Handlungsbefugnisse. Ein Bundespolizist im Ausland darf nicht mehr als ein Tourist und ist an die Gesetze des jeweiligen Landes gebunden.
Außerhalb des Hoheitsgebiets
Im Flugzeug gilt das Recht des jeweiligen Landes, über dessen Hoheitszone es sich befindet. Befindet sich ein in Deutschland zugelassenes Flugzeug nicht über Deutschland, sonderm einem anderen Land, gilt das Flugzeug als Hoheitsgebiet des betreffenden Herkunftslandes. Außerhalb von Hoheitsgbieten gilt das Herkunftsland.
An Bord hat der Flugkapitän die Polizeigewalt, er kann diese zwar „delegieren“, ist dabei aber an geltendes Recht gebunden und ebenso an alle daraus resultierenden Pflichten und Verantwortungen. Die Pilotenvereinigung Cockpit rät beispielsweise, Personen, die abgeschoben werden sollen, ein Flugzeug aber nicht freiwillig betreten, diese nicht zu befördern, weil sich die Piloten damit rechtlich möglicherweise schadensersatzpflichtig machen, wenn der Person etwas zustößt.
Wer gefesselt einem Flugzeug zugeführt wird, fliegt nicht freiwillig
Eine Person, die gefesselt ein Flugzeug betritt, tut dies per Definition nicht freiwillig, schon gar nicht, wenn diese von Polizeibeamten an Bord in Sicherungsverwahrung genommen wird. Hinzu kommt – die Bundespolizisten hatten im Irak nach unserer Einschätzung überhaupt keine polizeilichen Befugnisse. Sie können sich noch nicht einmal auf die „Jedermann-Festnahme“ nach § 127 Strafprozessordnung berufen, weil keine Gefahr im Verzug war und wie gesagt, deutsches Recht im Irak nicht gilt.
Das gilt auch für die angebliche polizeiärztliche Untersuchung zur Flugtauglichkeit des Mannes – auch der Polizeiarzt hat im Irak keinerlei amtlichen Befugnisse und seine Einschätzung ist so wertlos wie ein Eintrag in einem Hotel-Bewertungsportal, ob die Location gefallen haben könnte oder nicht.
Damit hat es sich mutmaßlich um vorsätzliche Freiheitsberaubung gehandelt – worauf bis zu zehn Jahre Haft stehen können. Diese Freiheitsberaubung fand nicht „im Amt“ statt, weil die Beamten im Ausland gar nicht im Amt sein können, aber durchaus mit „Amtsanmaßung“, wobei das im Ausland vermutlich nicht möglich ist.
Faires Verfahren gefordert
Anwalt Sprafke will nicht falsch verstanden werden und ergänzt in seiner Mitteilung:
Die Strafanzeige gegen den Präsidenten der Bundespolizei erfolgt nicht aus falsch verstandener Solidarität eines Strafverteidigers gegenüber dem Beschuldigten Ali B. Auch ich bin der Meinung, daß schwere Verbrechen schwer bestraft werden müssen. Ein faires Verfahren muß aber ausschließlich der Justiz überlassen bleiben und darf unter keinen Umständen in die Hände der Polizei oder gar in solche, eines einzigen Polizisten gelegt werden.
Da liegt der Hund begraben – man kann sich auch strafbar machen, wenn man eigentlich etwas „Richtiges“ will, in diesem Fall einen mutmaßlichen Mörder der deutschen Gerichtsbarkeit zuzuführen. Und insbesondere Behördenleiter, in diesem Fall ein promovierter Jurist wie Herr Romann, haben sich vorbildlich an deutsche Gesetze zu halten und ausländische Gesetze zu achten. Ihnen steht eine Rambo-Aktion nicht zu, auch nicht, wenn die „Bild“ das so meint.
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Mediale Inszenierung
Es gibt kein Auslieferungsabkommen mit dem Irak, was diese Aktion noch mehr in ein bedenkliches Licht rückt – Deutschland als Rechtsstaat darf nie in den Verdacht geraten, willkürlich Recht zu beugen, sonst ist der Verweis auf den Rechtsstaat nichts mehr wert.
Die Bild-Zeitung hingegen feiert Herr Dr. Romann als heldenhafte Figur – kein Wunder, war doch ganz zufällig ein Bild-Reporter mit an Bord und hat den Polizeichef in dieser Aktion auch noch interviewen dürfen. Offensichtlich war Herrn Dr. Romann sehr daran gelegen, journalistisch wohlwollend begleitet zu werden. Möglicherweise auch, um die Öffentlichkeit gar nicht erst auf falsche Gedanken kommen zu lassen. Denn mit großer Sicherheit war der Bild-Reporter nicht als Tourist und rein zufällig an Bord.
Das dürfte grundsätzlich schief gelaufen sein, denn Anwalt Sprafke bezieht sich bei seiner Strafanzeige explizit auf das „journalistische Zeugnis“ der Bild-Zeitung, die sich entweder nie die Frage gestellt hat, ob die Bundespolizisten tun durften, was sie taten. Wahrscheinlich ist, dass es der Zeitung egal war – die Story war einfach ein exklusiver Knaller.
Damit hat die Bild-Zeitung auch dem Journalismus wieder mal negativ verdient gemacht, weil sie eine mögliche Straftat begleitet hat, ohne in Frage zu stellen, welche Rolle man selbst dabei spielt – Gladbeck lässt grüßen.
Dass Herrn Dr. Romann all diese Hintergründe bekannt sind, lässt sich unschwer am „Storytelling“ belegen – dort wurde sehr klar darauf hingewiesen, dass kein deutscher Polizist „irakischen Boden betreten hätte“, man spricht von „Abschiebung“ statt „Auslieferung“, hat extra einen Polizeiarzt mitgebracht und wenn der Bundespolizeichef höchstpersönlich dabei ist, dann muss es doch mit rechten Dingen zugegangen sein – oder nicht? Das eben ist mehr als zweifelhaft.
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Anständiger Journalismus darf sich durch „Embedding“ nicht zum Erfüllungsgehilfen machen – sonst ist das nur noch Propaganda und kein unabhängiger Journalismus mehr. Wozu auch andere Medien beitragen, die die mediale Inszenierung kommentarlos mitmachen. Die Fotos und Videos eines Tatverdächtigen in einem Overall erinnern an Guantanamo und sollen die Botschaft vermitteln: Wir greifen hart durch. Medial ist der Tatverdächtige längst verurteilt – eine Unschuldsvermutung ist den Medien dabei egal, was wiederum ein fragwürdiges Licht auf das Verständnis von Rechtsstaatlichkeit bei diesen Medien wirft.
Die Causa „Susanna“ hat jedes Potenzial für ein politisches Beben
Wer argumentieren wollte, man habe Ali B. sogar einen Gefallen getan, weil ihm im Irak die Todesstrafe gedroht hätte, hat ein „womöglich“ vergessen. Denn obwohl im Irak nicht die rechtsstaatlichen Standards wie in Deutschland herrschen, dürfte Willkür eher ausgeschlossen sein. Ohne klare Beweise sollte es auch dort keine Verurteilung geben.
In muslimischen Ländern werden häufig Frauen verurteilt, die Opfer von Gewalttaten werden, weil ihnen ein Fehlverhalten unterstellt wird. Und ein Mädchen, dass sich nicht züchtig verhält, Alkohol trinkt und sich nachts mit fremden Männern rumtreibt, könnte dort sehr wohl als Anstifterin gesehen werden, die „selbst schuld ist“ – wobei dies jetzt rein spekulativ sein muss, da sich diese „Rechtsbeurteilung“ noch überhaupt nicht gestellt hat.
Hintergründe, welche „Dankesleistung“ die Kommandoaktion gekostet hat, gibt es noch keine. Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass es irgendeinen Deal gab. Ob Geld, Waffen oder sonstwas – einfach so haben die kurdischen Sicherheitsbehörden dies mit Sicherheit nicht gemacht.
Die Zeitung die Welt berichtet derweil, dass das B. nicht den Nachnamen Bashar darstellt, sondern den zweiten Vornamen. Der Nachname soll Z. lauten. Zudem seit der Mann im März 1997 geboren, also 21 Jahre alt, weshalb normales Strafrecht angewendet werden müsste.
Multiples Staatsversagen wird immer deutlicher
An der Causa „Susanna“ wird das multiple und fortgesetzte Staatsversagen deutlich: Der Name des Täters stimmt nicht. Das Alter auch nicht. Der Asylantrag wurde abgelehnt, trotzdem befand sich der Tatverdächtige noch eineinhalb Jahre später in Deutschland und konnte erst dadurch die ihm vorgeworfene Tat möglicherweise begehen. Insgesamt war er über zweieinhalb Jahre in Deutschland – von Integration keine Spur.
Er war als Straftäter auffällig und konnte machen, was er wollte. Seine achtköpfige Familie lebte wie er vom Sozialstaat Deutschland im gemachten Nest in einer wirklich ansehnlichen Unterkunft – und als es eng wurde, verschwanden alle acht freiwillig in das Land, aus dem sie angeblich wegen Gefahr für Leib und Leben fliehen mussten, nachdem ein deutsches, jüdisches Medien mutmaßlich durch einen der Söhne ums Leben gebracht worden ist.
Die acht Personen konnten mir nichts, dir nichts ein Flugzeug unbehelligt besteigen, nachdem sie zuvor gegen erheblich viel Geld mal eben kurzfristig viel Geld für die Tickets bezahlt haben.
Der Fall ist so symptomatisch, dass man gar nicht glauben mag, wie viele Vorurteile hier alle Realität geworden sind. Klar ist auch dieser Fall wie jeder ein Einzelfall.
Der zweite Tatverdächtige, ein Türke, ist seit gut einem Jahr im Land – sein Asylantrag noch nicht zu Ende bearbeitet, obwohl das doch nur noch höchstens drei Monate dauern soll. Obwohl erst als dringend Tatverdächtiger gehandelt, ist er wieder auf freiem Fuß. Ob das Mädchen nun vergewaltigt worden ist oder nicht, wurde erst behauptet, steht aber noch nicht fest.
Weiter soll ein 11-jähriges Flüchtlingsmädchen von Ali Z. vergewaltigt worden sein. Vielleicht war es auch ein andere Ali – vier sollen in der Unterkunft leben. Dann stellt sich raus, dass das Flüchtlingsmädchen eine Deutsche ist und sich der Tatvorwurf nicht erhärten ließ, weil man das Mädchen noch nicht vernehmen konnte, zu einer Tat, die im März begangen worden sein soll und am 17. Mai angezeigt worden ist.
Avanti Dilettanti
Möglicherweise lässt sich auch alles irgendwie erklären und die Ermittlungsbehörden betreiben einfach eine katastrophale Öffentlichkeitsarbeit. Kann sein. Doch der Eindruck ist ein anderer: Es wirkt, als hätte man nichts im Griff, als gäbe es ein erhebliches behördliches Chaos, als wolle niemand verantwortlich sein – bis auf die Kanzlerin Merkel, die sich ohne jede Konsequenz zur Verantwortung bekennt. Zu welcher, hat sie nicht gesagt.
Anm. d. Red.: Hardy Prothmann hat als Privatperson ebenfalls Anzeige erstattet – ebenfalls gegen die beteiligten Bundesbeamten sowie weiter gegen den Piloten und die Fluggesellschaft, wegen mutmaßlicher Beihilfe zur Freiheitsentziehung. Wir tun dies auch nicht, um auf irgendeine Art und Weise den Tatverdächtigen zu unterstützen, sondern ausschließlich, um feststellen zu lassen, dass eine Straftat vorliegt oder falls eine vorliegt, diese rechtsstaatliche verfolgt wird oder eben keine vorliegt. Dies muss aber begründet werden. Unsere Leserschaft weiß, dass wir den Rechtsstaat journalistisch verteidigen – dazu gehört auch die kritische Auseinandersetzung damit. Recht ist, was in den Gesetzen steht und wonach die Justiz urteilt und nicht, was einer für „rechtens“ hält, das nennt man Selbstjustiz.
Wir haben heute einige Fragen an die Bundespolizei gestellt – die trotz Bitte um zeitnahe Erledigung noch nicht beantwortet sind.
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