Mannheim/Rhein-Neckar/Karlsruhe, 12. Juli 2017. (red) Heute trafen sich der Mannheimer Morgen, vertreten durch einen Anwalt, den Justiziar und Chefredakteur Dirk Lübke mit dem Redaktionsleiter von Rheinneckarblog, Hardy Prothmann und dessen Berliner Anwalt Dr. Malte Nieschalk vor dem Oberlandesgericht im Berufungsverfahren. Es geht bei dem Rechtsstreit um die Bewertung einer Überschrift und eines Satzes: Handelt es sich dabei um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen?
Die Tageszeitung Mannheimer Morgen hatte Hardy Prothmann als redaktionell verantwortlichem Redakteur des Rheinneckarblog vor dem Landgericht Mannheim verklagt und ein Unterlassungsurteil Ende 2015 erreicht.
Demnach dürfen eine Überschrift und ein Satz in einem Artikel aus Dezember 2014 nicht mehr verwendet werden, der sich inhaltlich mit der Veröffentlichung von Leserbriefen in der Tageszeitung befasst. Wir können Ihnen deshalb leider nicht mitteilen, wie Überschrift und Satz lauten. Sie finden die Äußerungen beim Mannheimer Morgen. Solange das Landgerichtsurteil Bestand hat, machen wir uns diese Äußerungen nicht zu eigen und distanzieren uns davon. (Dazu sind wir rechtlich verpflichtet.)
Gegen dieses Urteil wurde von Hardy Prothmann Berufung eingelegt, die das Oberlandesgericht als zulässig bewertet hat. Bei der heutigen Verhandlung ging es im wesentlichen um die Abwägung, ob die beiden Äußerungen als Meinungen gewertet werden können oder als Tatsachenbehauptung gesehen werden müssen.
Beide Seite hielten an ihrer Bewertung fest: Der Mannheimer Morgen sieht Tatsachenbehauptungen, die geeignet seien, den Ruf des Unternehmens zu schädigen. Der Beklagte Hardy Prothmann sieht die Äußerungen nach wie vor als erlaubte Meinungsäußerung.
“Kriminelle aus Schwetzingen” hat nicht denselben Charakter wie unsere Äußerungen
Das Landgericht Mannheim hatte in der Urteilsbegründung angeführt, dass der Fall ähnlich gelagert sei wie die Äußerung “die Kriminelle aus Schwetzingen”, die der Wettermoderator Jörg Kachelmann über eine frühere Geliebte Claudia D. aufgestellt hatte. Hier gab es zuvor ein Strafverfahren, da die Geliebte eine Vergewaltigung behauptet hatte. Der Wettermoderator saß rund fünf Monate in Untersuchungshaft und wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Äußerung “Kriminelle aus Schwetzingen” hat ihm das Oberlandesgericht Karlsruhe Ende 2014 untersagt, da dies einen tatsächlichen Vorwurf und zudem abwertend sei.
Aktuell wies das Oberlandesgericht eine Ähnlichkeit der Äußerungsfälle, wie das Landgericht Mannheim sie festgestellt hatte, zurück.
Anfang 2015 verlangte der Mannheimer Morgen eine strafbewehrte Unterlassung der Äußerungen, was Hardy Prothmann zurückwies. Er bot an, die Zeitung könne eine Gegendarstellung im Rheinneckarblog veröffentlichen, worauf der Verlag nicht reagierte. Später kam dann die Klage. Vor dem Landgericht bot Hardy Prothmann einen Vergleich an, den die Gegenseite nicht akzeptierte.
Das Oberlandesgericht wollte in Erfahrung bringen, ob ein Vergleich möglich sei. Dies scheiterte. Der Mannheimer Morgen machte das Angebot, die Unterlassung aufrecht zu erhalten und die Kosten zu teilen, was Hardy Prothmann nicht angenommen hat. Einen Gegenvorschlag wollte der Mannheimer Morgen nicht hören und verlangte deshalb Entscheidung. Nach gut einer Stunde Verhandlung beendete der Vorsitzende Richter die Verhandlung.
Das Prozesskostenrisiko für die unterlegene Seite liegt bei 14.000 Euro.
Ich habe die Unterlassung nicht abgegeben, weil ich vom Meinungscharakter der Äußerungen überzeugt bin. Und ich habe schon immer das äußerst hohe Gut der Meinungsfreiheit verteidigt. Schon aus rein prinzipiellen Gründen – man muss nicht einer Meinung sein, aber eine haben dürfen. Es gibt auch keinen Versuch, den Mannheimer Morgen zu beschädigen – erstens kann ich das nicht und viel wichtiger, ich will das auch gar nicht. Mir ist auch Medienvielfalt wichtig – ganz egal, was ich für eine Meinung von einem Medium oder gewissen Journalisten habe. Der Mannheimer Morgen wäre gut beraten, sich mal inhaltlich mit unserer Kritik auseinanderzusetzen, das wäre jedenfalls sinnvoller, als diese Klage,
sagt Hardy Prothmann zur Sache. Und weiter:
Mein Anwalt hat zu Recht auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom September 2016 verwiesen, in dem festgestellt wurde, dass sich Journalisten und Medien mehr Kritik gefallen lassen müssen als andere, und: “Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden.” In diesem Kontext sehe ich auch unsere Äußerungen als zulässig an und bin gespannt, wie das Oberlandesgericht entscheidet. Nach meiner Meinung war das Landgerichtsurteil geeignet, auch für andere Journalisten die Meinungsfreiheit enorm einzuschränken.
Da im Anschluss an die heutige Verhandlung noch eine dringende Patentsache durch den Senat verhandelt werden musste, konnte sich die Richter nicht sofort zur Urteilsfindung zurückziehen. Das Urteil wird morgen zunächst mündlich und in einigen Wochen dann schriftlich mitgeteilt.
Nächster Prozess morgen
Am morgigen Donnerstag folgt ein weiterer Prozess von zwei Unternehmen der Dr. Haas-Gruppe, zu denen der Mannheimer Morgen gehört. gegen Hardy Prothmann. Vor einem Jahr hatte der Journalist Unterlassungserklärungen gegenüber den Unternehmen abgegeben, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Gewisse Formulierungen in einem Artikel wurden gelöscht und nicht wiederholt. Die Kläger behaupten, weil der Mediendienst Kress.de diese Äußerungen zitiert habe und Hardy Prothmann einen Link auf den Artikel gesetzt habe, hätte er sich die Äußerungen wieder zu eigen gemacht und nicht dafür gesorgt, dass diese nicht mehr veröffentlicht werden.
Interessant: Der Autor des Artikels, Paul-Josef Raue ist der frühere Chefredakteur der Thüringischen Allgemeinen Zeitung, unter dem Dirk Lübke stellvertretender Chefredakteur war. Der Post mit dem Link bei Hardy Prothmann bezog sich überhaupt nicht inhaltlich auf den Text, sondern kritisierte, dass Herr Raue zu keiner Zeit Kontakt zu Hardy Prothmann aufgenommen hatte und damit die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt hat.
Kress.de wurde unmittelbar nach der Abgabe der Unterlassungserklärungen von Hardy Prothmann darüber informiert. Dieser bat, die Zitate zu löschen. Gleichzeitig informierte er den Justiziar des Mannheimer Morgens über die Zitate und die Bitte, diese zu löschen – auch im Hinblick darauf, dass Herr Raue und Herr Lübke sich sehr gut kennen und im Zusammenhang mit dem Artikel auch Kontakt hatten, da Herr Lübke zitiert ist. Kress.de-Chefredakteur Bülend Ürük reagierte nicht. Erst nachdem der Mannheimer Morgen mit Klage drohte und Hardy Prothmann Kress.de andeutete, bei einem Schaden Kress.de regresspflichtig zu machen, wurde der Artikel komplett gelöscht. Eine Anfrage, warum komplett gelöscht wurde, statt nur angepasst, hat Herr Ürük nicht beantwortet.
Obwohl die ursprünglichen Zitate im Originalartikel gelöscht worden sind und mittlerweile auch bei Kress.de gibt es zwei Klagen zu je 3.000 Euro Vertragsstrafe sowie juristischen Kosten – in Summe rund 10.000 Euro. Ein Schelm, wer dahinter unlautere Motive vermuten könnte.
Den Vorbericht finden Sie hier.
In eigener Sache
Wir weisen darauf hin, dass uns dieser Prozess und ein weiterer am morgigen Donnerstag sowohl redaktionell wie finanziell über Gebühr belasten und freuen uns über Ihre Unterstützung.
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