Mannheim/Rhein-Neckar/Karlsruhe, 13. Juli 2017. (red) Der Großverlag Mannheimer Morgen (Dr. Haas-Gruppe) ist mit einer Klage gegen den freien Journalisten Hardy Prothmann in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe gescheitert. Der 6. Zivilsenat hob das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Mannheim (Pressekammer) zugunsten der Klägerin Mannheimer Morgen auf und entschied, dass die Klägerin die Gesamtkosten des Verfahrens zu tragen hat. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Berufung hatte somit vollumfänglich Erfolg. Zwei weitere Verfahren, die heute anstanden, wurden durch Vergleich beendet. Auch das ein Erfolg.
Die ursprünglich vom Landgericht Mannheim verbotenen Äußerungen „Der gesteuerte Betrug am Leser“ sowie „Der Mannheimer Morgen informiert seine Leser nicht, er manipuliert sie“ fallen nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe eindeutig in die Sphäre zulässiger Werturteile und sind als Meinungsäußerung damit erlaubt – soweit die mündliche Mitteilung der Gerichts.
Der Mannheimer Morgen hatte den Standpunkt vertreten, dass es sich um Tatsachenbehauptungen handelt, die geeignet seien, die Glaubwürdigkeit der Zeitung nachhaltig zu beschädigen. Dem ist das Oberlandesgericht nicht gefolgt. Wie genau das Gericht seine Entscheidung begründet, ist noch nicht bekannt, da das schriftliche Urteil erst in einigen Wochen vorliegt.
Heute standen vor dem Landgericht Mannheim zwei weitere Verfahren an. Die Mannheimer Morgen GmbH und die Dr. Haas GmbH forderten in getrennten Verfahren jeweils 3.000 Euro Vertragsstrafe (ursprünglich je 6.000 Euro bei der ersten Abmahnung), weil die Klägerinnen eine Verletzung von je einer Unterlassungserklärung gesehen haben. Die Verletzungen sollen durch zwei Facebook-Posts entstanden sein, die der Beklagte vor der Abgabe der Unterlassungserklärungen mit Verlinkung auf den angegriffen Artikel und im anderen Fall mit einem Link auf einen Bericht auf Kress.de getätigt hatte. Die Facebook-Posts hat der Beklagte freiwillig gelöscht.
Der Mediendienst Kress.de hatte den Artikel des Autoren Paul-Josef Raue (früherer Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, Stellvertreter Dirk Lübke von 2012-2014. Die Zeitung gehört zur Funke-Gruppe, vormals WAZ) nach Hinweis auf mögliche Schadensersatzforderungen komplett gelöscht – trotz wiederholter Nachfrage von Seiten des Beklagten an den Chefredakteur Bülend Ürük ohne Angabe von Gründen.
Monate zuvor hatte der Beklagte um Anpassung des Artikels mit Hinweis auf die Unterlassungserklärungen gebeten, was von Kress.de ignoriert worden war.
Kress.de gehört zum Oberauer-Fachverlag, der auch das Mediummagazin herausgibt, für das der Beklagte von 1994-2008 tätig war. Auch für den vormals unabhängigen Kress-Verlag war der Beklagte in früheren Zeiten im Rahmen eines Werkvertrags vor vielen Jahren tätig. (Hinweis: Diese Informationen sind Hintergrundinformationen für unsere Leserschaft, sie spielten vor Gericht keine Rolle. Interessant ist, dass David Schraven, früher WAZ, dann Funke, heute Correctiv, massiv gegen Hardy Prothmann im Zusammenhang mit dem „Hygiene-Skandal“ beim Uni-Klinikum Mannheim auf Facebook kommentiert hatte, nachdem RNB Recherchen in der Sache als Fake News enttarnt hatte. Es gab zuvor keine Kontakte Prothmann-Schraven. Woher kam die Motivation von Herrn Schraven? Möglicherweise aufgrund von „Netzwerken“? Wir wissen das nicht.)
Die Pressekammer am Landgericht Mannheim unter Vorsitz von Richter Matthias Stojek erläuterte, dass man sich sehr intensiv beraten habe, aber keine im Vorfeld eindeutig abschließende Beurteilung zu den Facebook-Posts finden konnte. Es gäbe eine „leichte Tendenz“ – welche, wurde natürlich offen gelassen. Beim Urteil zum Vorteil des Mannheimer Morgen in der Sache, in die Hardy Prothmann in Berufung gegangen war, vertrat das Gericht sehr eindeutig die Sichtweise der Klägerin Mannheimer Morgen. Richter Stojek äußerte sich während des heutigen Verfahrens sehr respektvoll gegenüber der Entscheidung durch das Oberlandesgericht Karlsruhe („Das sind die besten Richter, die wir haben.“), die die erste Entscheidung der Kammer unter seinem Vorsitz aufgehoben hatte.
In der Folge wurde hart und zäh zwischen den Parteien in der Sitzung und in mehreren Sitzungspausen verhandelt. Der Vorsitzende Richter Stojek rief die Parteien zum Frieden auf und zeigte sich sehr engagiert, ebenso die Beisitzer, eine Einigung zu erzielen, obwohl Hardy Prothmann wegen der Verhandlungsführung der Gegenseite sich grundsätzlich geneigt zeigte, im Zweifel die Sache durch das Gericht entscheiden zu lassen.
Beide Klagen wurden schließlich durch Vergleich beendet. Danach verpflichtet sich Hardy Prothmann nicht strafbewehrt die hier im Artikel im ersten Absatz genannten Äußerungen nicht mehr in dem betreffenden Ursprungsartikel zu verwenden. In anderen Zusammenhängen könnte er sie weiter verwenden. Die Gegenseite verzichtete im Gegenzug auf einen möglichen Antrag zur Revision vor dem Bundesgerichtshof.
Weiter wurden die beiden grundlegenden Unterlassungserklärungen der heutigen Verfahren nochmals durch Hardy Prothmann bestätigt und vereinbart, dass die Gegenseite sich bei einer künftig angenommenen Störung mit Hardy Prothmann ins Benehmen setzt, bevor Ordnungsmittel eingelegt werden.
Die Parteien haben sich zudem auf die Teilung der Kosten für das heutige Verfahren Mannheimer Morgen GmbH vs. Hardy Prothmann geeinigt. Das anschließend terminierte Verfahren Dr. Haas GmbH vs. Hardy Prothmann musste nicht mehr verhandelt werden, weil sich die Klagevertreter für die Dr. Haas GmbH (der Rechtsanwalt der Unternehmen sowie der Justiziar der Dr. Haas-Gruppe) die Klage zurückgenommen und dem Vergleich angeschlossen haben.
Hardy Prothmann äußert sich vorerst wie folgt:
Die Berufung vor dem Oberlandesgericht hatte vollumfänglich Erfolg. Damit bin ich sehr zufrieden, weil ich mit hohem Einsatz und existenziell persönlichem Risiko die Meinungsfreiheit durch dieses Urteil verteidigen konnte. Davon profitieren auch andere Journalisten. Sorge vor einer Revision hatte ich nicht – der Gegenseite war es aber außerordentlich wichtig, dass im Zusammenhang mit dem Artikel die inkriminierten Sätze nicht mehr verbreitet werden. Damit hatte ich kein Problem, weil es mir um die Sache geht und nicht um einzelne, scharfe Formulierungen. Es geht mir um die Qualität journalistischer Angebote, nicht darum, jemanden zu diffamieren, wie man auf der anderen Seite offenbar immer noch vermutet. Das ist auch eine Form von Selbstverteidigung – denn die Branche ist schwer angeschlagen und jeder Qualitätsmangel von Dritten färbt irgendwie auch auf die Arbeit von hochwertigen Angeboten ab. Der Deal, ich verwende die Formulierungen nicht mehr und die Gegenseite verzichtet auf weitere Schritte, geht für mich in Ordnung. Bei Vergleichen ist es ein Geben und Nehmen. Das betrifft auch die beiden anderen Verfahren. Ich war sehr geneigt, in Zuversicht auf den deutschen Rechtsstaat, eine Entscheidung herbeiführen zu lassen, weil aus meiner Sicht die Klagen absurd waren. Aber das wäre, ob pro oder kontra aus meiner Perspektive, wieder in die nächste Instanz gegangen. Damit wäre die Unsicherheit geblieben und der Druck, möglicherweise ein erhebliches finanzielles Risiko einzugehen – in der Abwägung kostet das zu viel Kraft, die ich lieber in journalistische Inhalte investiere. Da ist es manchmal besser, die Sache mit so wenig Schaden wie möglich zu beenden. Der Dr. Haas-Gruppe gebe ich mit auf den Weg, dass es besser ist, die inhaltliche Auseinandersetzung im persönlichen Gespräch oder auch in der öffentlichen Debatte zu suchen und sich nicht darauf zu verlassen, dass man als großes Verlagshaus vermeintlich mit einer größeren „Kriegskasse“ in der stärkeren Position ist. Das gilt aber nicht nur für die Dr. Haas-Gruppe, sondern auch für andere klagewilligen Personen oder Unternehmen.
Aus unserer Sicht sind damit drei Verfahren beendet, die unseren kleinen Medienbetrieb erheblich belastet haben und im Falle anderer Entscheidungen geeignet gewesen wären, diesen einzustellen.
Wir werden die Öffentlichkeit, insbesondere unsere geneigte Leserschaft detailliert über die Klagen, die Verhandlung und die Auseinandersetzung über die zugrundeliegenden Streitigkeiten wie gewohnt transparent informieren. Dies muss allerdings in Absprache mit unserem Rechtsbeistand zur Vermeidung weiterer Komplikationen geschehen. Dazu nochmals Hardy Prothmann:
Ich bedanke mich sehr bei Dr. Malte Nieschalk aus der renommierten Presserechtskanzlei Prof. Dr. Johannes Weberling Rechtsanwälte Berlin. Herr Dr. Nieschalk begleitet meine Arbeit und deren Verteidigung schon lange Zeit und hat wieder mal im konstruktiven Austausch hervorragende Arbeit geleistet. Im Einsatz für die Presse- und Meinungsfreiheit. Außerdem bedanke ich mich sehr bei unserer geneigten Leserschaft, von der uns einzelne für die juristischen Kosten aktuell bereits über 1.000 Euro an Spenden haben zukommen lassen. Tatsächlich sind uns durch diese drei aktuellen Verfahren Kosten von über 6.500 Euro entstanden, obwohl wir einerseits gewonnen und andererseits einen günstigen Vergleich heraushandeln konnten. Solche Kosten belasten unsere Arbeit erheblich. Tatsächlich haben wir in Summe in den vergangenen sieben Jahren aktuell rund 51.000 Euro aufbringen müssen, die dem Betrieb für journalistische Arbeit fehlen. Die aktuelle, „erfolgreiche“, aber teure Bilanz: 46 Verfahren. Ein Mal verloren, sechs Mal verglichen, den Rest haben wir gewonnen oder die Gegenseite hat aufgegeben, bevor es zum Prozess kam. Die Androhungen von Prozessen nicht mitgerechnet…
Ich hatte mal angegeben, dass wir über die Jahre rund 15.000 Euro an Spenden erhalten hätten. Nach Durchsicht war der Wunsch der Vater des Gedankens. Tatsächlich sind es knapp 8.000 Euro. Dafür bedanke ich mich sehr, aber noch mehr, wenn viel mehr Menschen sich bewusst werden, dass wir ständig angegriffen werden und nur unter größter Mühe in der Lage sind, die notwendigen Kosten aufzubringen. Ich und meine Mitarbeiter – denn für deren Bezahlung verwende ich die meisten betrieblichen Einnahmen – freuen sich sehr, wenn Sie uns aktuell unterstützen. Ob 10 oder 1.000 Euro (war bislang die höchste Spende) oder was zwischendrin – jeder Betrag ist willkommen und hilft. Für unsere Arbeit oder zur Abwehr von Angriffen, die auch in Zukunft vermutlich nicht ausbleiben werden. Wir haben einige Themen in Arbeit, die ein erhebliches Klagerisiko haben. Vielen Dank vorab!
Im Sinne der inhaltlichen Auseinandersetzung treiben wir das Thema „Leserbriefe“ weiter. Dazu haben wir bereits gestern Fragen an Dirk Lübke, Chefredakteur Mannheimer Morgen, gestellt, um zu erfahren, welche Richtlinien die Zeitung bei deren Veröffentlichung verfolgt.
Herr Lübke wollte uns mit Hinweis auf die offenen Verfahren keine Antwort geben. Nachdem diese nun beendet sind, freuen wir uns über eine Beantwortung, die sicherlich zeitnah möglich ist. Die Klagevertreter beteuerten mehrfach im persönlichen Gespräch und bei beiden Gerichtsverhandlungen, dass man sehr an Kritik interessiert sei und sich dieser stelle. Das wäre wichtig, denn die Praxis ist nach wie vor dubios.
Wir gehen deshalb davon aus, dass Herr Lübke unsere Fragen umfänglich und transparent beantwortet. Wie angeboten, stehen wir Herrn Lübke oder auch anderen Vertretern des Mannheimer Morgen jederzeit für ein persönliches Gespräch oder in öffentlicher Debatte zur Verfügung. Denn wir haben nichts zu verbergen, sind an ehrlicher, kritischer und meinungsfreudiger Berichterstattung interessiert. Im Auftrag für eine gut informierte Öffentlichkeit, damit sich diese eine Meinung zu gesellschaftlich relevanten Themen bilden kann und damit unsere freiheitliche, rechtsstaatliche Demokratie bestmöglich gefördert wird.
Links zu den Artikeln, über die gestritten wurde:
Auffällig gehäufte Leserbriefe
86 Fotos: Im widerlichen Rausch der geilen Unfallbilder
Anm. d. Red.: Wir haben häufiger „Sorgen“ genannt bekommen, wenn man etwas spende, könnte das doch als „Beeinflussung“ verstanden werden. Wir können Ihnen versichern, dass dem nicht so ist. Wir schauen nicht auf die Person oder die Funktion, sondern freuen uns einfach über die Zuwendung, um unsere Arbeit zu ermöglichen und zusätzliche juristische Kosten auffangen zu können. Wir lassen uns von niemandem durch Geld beeinflussen – ab einer Million denken wir drüber nach. Kleiner Scherz.
Kein Geld nehmen wir – sofern wir das erkennen können – von Extremisten jeglicher Richtung. An Spender, die uns angegangen sind, haben wir bereits Geld zurückgezahlt. Aber wir nehmen sehr gerne Geld von allen, die uns als Privatpersonen unterstützen wollen, ob Amtsträger, Geschäftsführer, Angestellte, Beamte oder auch Leistungsbezieher. Jeder nach seinen Möglichkeiten. Viele Spenden haben Beträge von 5-50 Euro, häufig sind es auch 100 oder 150 Euro, in einzelnen Fällen auch mehrere hundert bis 1.000 Euro. Insgesamt – und das stellen wir mit Freude, aber auch Bedauern fest – gab es in den vergangenen Jahren bis heute viele hundert Spender, aber viel zu wenige angesichts unserer Leserzahlen. Und wir zeigen uns auch solidarisch. Als uns der grüne Bundespolitiker Hans-Christian Ströbele verklagt hatte, kamen über 2.000 Euro zusammen. Nach Abzug unserer Kosten in diesem Fall blieben 1.000 Euro übrig. Die haben wir wie angekündigt an die Organisation „Journalisten helfen Journalisten“ gespendet. Damals waren wir noch nicht so sehr unter Feuer. Das hat sich verändert. Überlegen Sie also bitte, ob Sie uns unterstützen wollen und was Ihnen unsere Arbeit grundsätzlich wert ist. Unser Dank ist Ihnen sicher. Und unsere unabhängige Arbeit auch.
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Hypovereinsbank
Kontoinhaber: Hardy Prothmann
BIC (BLZ): HYVEDEMM489
IBAN (Kto.): DE25670201900601447835