Frankenthal, 21. Juli 2017. (red/momo) Die Aussagen der neu verhörten Zeugen im “Babymord-Prozess bringen neue Details ans Licht. An der generellen Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin Jesmira S. könnten demnach erhebliche Zweifel bestehen. Ihrem Exfreund David L. wird vorgeworfen, in der Nacht vom 14. Mai 2016 seine zwei Monate alte Tochter durch den Wurf aus dem Fenster getötet zu haben.
Von Moritz Bayer
Als Zeugin war diesmal die Amtgerichtrichterin Frau Zimmer-Odenwälder geladen. Diese wurde über einen früher von ihr geführten Prozess befragt, in denen Jesmira S. ihren damaligen Freund und einen Bekannten beschuldigt hatte, sie zur Prostitution gezwungen und mehrfach verletzt zu haben.
Frau S. sagte damals, dass der Bekannte sie in einem Hotelzimmer besucht hätte und sie auf den Mund geküsst hätte. Dies habe sie wegen ihres neuen Freundes aber eigentlich nicht gewollt. Er hätte sie dann als Hure beschimpft und ihr gedroht. Mit einem Messer hätte er ihr leicht ins Gesicht geritzt und gesagt, er will sie damit warnen, aber ihr hübsches Gesicht nicht zerstören,
konnte sich Frau Zimmer-Odenwälder erinnern.
Ein Gutachter habe Jesmira S. aber keine gute Glaubwürdigkeit bescheinigt, beispielsweise seien die Ritzspuren senkrecht über ihr Gesicht gelaufen, obwohl sie mehrfach klar ausgesagt habe, dass sie sich bei den Versuchen, sie mit dem Messer zu verletzten, weggedreht habe.
Wollte Jesmira S. ihre Opferrolle?
Der damalige Freund wurde nicht verurteilt und vermutete hinter ihren zumindest teilweise falschen Anschuldigungen, dass sich Jesmira S. so mehr Aufmerksamkeit versprochen hätte. Sie habe die Opferrolle teilweise genossen.
Auch sagte sie mehrmals aus, wie schlecht sich David L. um seine Kinder kümmere und dass sie ihm egal gewesen seien. Dem gegenüber stehen mehrere Aussagen von Verwandten und Bekannten oder auch dem Leiter der Kindertagesstätte, wo die Kinder untergebracht waren. David L. sei sie oft abholen und regelmäßig auch zwischendurch besuchen gekommen, meistens seien sie ihm vor Freude um den Hals gefallen.
Einen ähnlich klingenden Ton hat ein Brief von David L. an seine Familie, in denen er wortreich seine Liebe zu den Kindern beschreibt. Allerdings stammte dieser bereits aus seiner Zeit in der Untersuchungshaft. Darin fleht er:
Ihr könnt mich hassen und alles von mir denken. Aber bitte nehmt mir nicht das Ein und Alles auf dieser Welt, dass meine Kinder mich sehen können!
Gemeinsame Fahrt zum Drogenkauf nach Frankfurt
Verteidiger Klein zählte anschließend noch weitere Widersprüche auf, wonach Jesmira S. David L. und einen weiteren Bekannten drei Tage vor der Tat nach Frankfurt gefahren habe, um dort Drogen zu kaufen. Sie habe demnach mitbekommen, dass er im Besitz von mindestens 15 Gramm Kokain war, was die These stützen würde, dass er vor dem Tod des Säuglings drei Tage kaum geschlafen und sehr viel Rauschgift konsumiert habe. Jesmira hatte bisher jegliche Kenntnis darüber abgestritten.
Zuletzt las die Vorsitzende Richterin Ulrich ein Chat-Protokoll des Messenger WhatsApp vor. Aus diesem wurde eine gegenseitige Abhängigkeit klar ersichtlich, sowohl David L. als auch Jesmira S. beschimpfen sich dort ebenso, wie sie sich dann auch wieder gegenseitig ihre tiefe Liebe beteuern.
Vorwürfe wechseln mit Liebesbekundungen ab
Auf Sätze wie “Wenn du weiter so vergesslich bist, gibts keinen Sex mehr” oder “Wunder dich nicht, wenn nichts besser wird, wenn du jedes Wochenende die Kinder nimmst, ich bin nur noch unglücklich, heirate die doch einfach!”, in denen Jesmira klare Eifersucht zeigt, folgen versöhnlichere Töne wie beispielsweise “ich bin doch nur eifersüchtig, weil ich dich so sehr liebe, mein Schatz!”
David L. klingt in den vorgelesenen Teilen etwas vernünftiger und wiederholt mehrfach:
Ich will doch nur jedes zweite Wochenende meine Kinder sehen, ohne darüber diskutieren zu müssen. Bitte versteh das!
Verteidiger Klein scheint die Strategie zu verfolgen, seinen Mandanten als liebenden Vater darzustellen, der seinem Kind niemals hätte absichtlich etwas antun können.
Er beantragte die Vernehmung weitere Zeugen, sodass der Termin am 14. August (09:00 Uhr) keinesfalls ausreicht, um den Prozess zu Ende zu bringen. Daher legte die Gerichtskammer bis auf Weiteres den 13. September (Kurztermin, 09:00 Uhr), den 26. September (13:00 Uhr), den 17. Oktober (Ganztägig, 09:00 Uhr) sowie den 20. Oktober (09:00 Uhr) als weitere Termine fest.