Frankenthal, 05. April 2017. (red/cr) Im Prozess am Landgericht Frankenthal hat am Dienstag erneut die Mutter des getöteten Säuglings ausgesagt. Dabei leistete sie sich einige verbale Ausfälle und verhielt sich teilweise unkooperativ. Der Verteidiger stellte ihre Glaubwürdigkeit und ihren fragwürdigen “Umgang mit der Wahrheit” infrage. Er stellte stundenlang Fragen zu ihrer Kindheit, ihren Eltern und einer früheren Beziehung – er sieht eine “Duplizität der Ereignisse”.
Wollen Sie auch wissen wann ich das erste Mal in meinem Leben gefurzt habe?! Sie kotzen mich einfach nur an! Ich weiß nicht, was das alles damit zu tun hat! Tut Ihnen ihr Vaterherz nicht weh, wenn Sie das kleine Baby angucken? Ich weiß, dass Sie auch ein Baby haben!
Im Prozess um den Mord an einem zwei Monate alten Säugling vor dem Landgericht Frankenthal sagte am vergangenen Dienstag wieder einmal dessen Mutter Jesmira S. aus. Jedoch diesmal nicht direkt zu den Geschehnissen der Nacht des 14. Mai 2016, in der ihr damaliger Partner David L. ihre gemeinsame Tochter getötet haben soll.
Vielmehr ging es an diesem Verhandlungstag um frühere Verfahren, in die Jesmira S. verwickelt war. Vor allem über die Beziehung zu ihren Eltern lässt sich nun ein schärferes Bild zeichnen.
Wobei “aussagen” in diesem Falle von Schluchzen bis hin zu Schreien und Beleidigungen reichte. Die Nebenklägerin leistete sich so viele freche Antworten und persönliche Beleidigungen an die Adresse von Strafverteidiger Klein, dass dieser die Vorsitzende Richterin Ulrich aufforderte, ein Bußgeld in Betracht zu ziehen. Diese ermahnte die Zeugin – wieder einmal – nur.
Negativer Auftritt der Nebenklägerin
Schon zu Beginn fiel die 21-Jährige negativ auf. Zehn Minuten nachdem die Verhandlung hätte beginnen sollen, stand Jesmira S. immer noch vor dem Gerichtssaal. Sie führte anscheinend ein Gespräch mit ihrem Anwalt und Sicherheitspersonal. Die Zuschauer und Pressevertreter, Anwälte, Sachverständigen und auch der Angeklagte befanden sich bereits im Saal und warteten. Plötzlich war ein Aufschrei zu hören.
Jesmira S. schrie etwas wie: “Ey, warum ruft meine Mutter mich immer an, die Hure, ey?!!”. Schnell wurde die Tür geschlossen. Bei einer Gruppe offensichtlich Angehöriger löste das eine rege Diskussion aus. Wenige Minuten später kamen Jesmira S. und eine Frau in einem “Unser Engel S. ist immer bei uns”-Shirt herein. Beide hatten rote Augen als hätten sie geweint. Die Verhandlung konnte beginnen.
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Zwei Kisten voller Akten wurden hereingeschleppt. Im Zeugenstand: die Nebenklägerin Jesmira S.. Wie immer wenn sie aussagt saß auch diesmal ihr Anwalt neben ihr um sie zu beraten. Schon der Anfang lässt erahnen, wir anstrengend der Verhandlungstag für die Beteiligten werden würde.
Die Vorsitzende Richterin Ulrich fing an mit “Sie haben ja Vorwürfe gegen ihren Onkel erhoben…”. Schon das bestritt Jesmira S.. Sie hätte keine “Vorwürfe erhoben”. Schon in früheren Verhandlungstagen wurde das Verfahren angesprochen, in dem Jesmira S.’ Onkel beschuldigt war, sie vergewaltigt zu haben. Verteidiger Klein wies bei der Gelegenheit darauf hin, dass Jesmira S. damals wegen Falschaussage zu 20 Sozialstunden verurteilt worden war.
Jesmira S. sagte in der Verhandlung am Dienstag aus, diese Sozialstunden habe sie abgeleistet. Die Aussage, die sie damals gemacht hatte, sei jedoch nicht falsch gewesen. Sie sei gezwungen worden, zu lügen, um ihren Onkel zu decken. Ihr Vater habe seinen Bruder schützen wollen. Ob ihr Vater damals Druck auf sie ausübte, sagte Jesmira S. nicht. Ihr Anwalt erklärte, sie werde ab jetzt nicht mehr zu diesem Verfahren aussagen.
Zahlreiche Anzeigen, Beschuldigungen, Falschaussagen
Verteidiger Klein sprach Jesmira S. außerdem auf einen Widerspruch an: Bei einer früheren Befragung in Rahmen dieses Prozesses hatte sie die Frage, ob Sie schon einmal jemanden angezeigt habe, verneint. Ihm würden aber eine ganze Reihe von Verfahren vorliegen, bei denen Sie sehr wohl jemanden angezeigt hatte, etwa ihren Vater, ihren Onkel oder ihren Exfreund. Die 21-Jährige antwortete, dann müsse sie wohl damals die Frage falsch verstanden haben.
Weiter fasste Herr Klein die Ereignisse eines Vorfalls von 2011 zusammen. Damals habe Jesmira S. der Polizei gesagt, ihre Eltern würden sie schlagen und das Jugendamt solle kommen. Als an dem Tag dann die Polizei kam, war Jasmira S. nicht aufzufinden. Später bei einer Aussage bei der Polizei sei sie zusammen mit ihrem Vater erschienen und habe ausgesagt, sie habe die Behauptung nur gemacht, um beim Jugendamt Unterkunft zu bekommen, wenn sie wegläuft.
Als Herr Klein dazu Fragen stellte, erklärte Jesmira S. unter Schluchzen, sie sei sehr wohl geschlagen worden und bei der Aussage auf der Polizeiwache habe sie das nur widerrufen, weil ihr Vater sie geschlagen habe. Verteidiger Klein fragte daraufhin, ob das der einzige Vorfall war, bei dem ihr Vater sie geschlagen habe. Dazu wollte Jesmira S. jedoch nicht aussagen.
Danach wollte Herr Klein Jesmira S. Fragen zu ihrer Mutter zu stellen. Doch ihr Anwalt erklärte, auch dazu werde Jesmira S. nicht aussagen.
Gewalt in der Familie
Im Folgenden drehten sich die Fragen um den Vater von Jesmira S.. Herr Klein beschrieb einen Vorfall, bei dem Jesmira S. und eines ihrer Geschwister vom Jugendamt in Obhut genommen werden sollten. Er fragte, wie denn der Vater da reagiert habe und schien damit auf etwas anspielen zu wollen. Doch Jesmira S. gab an, nicht dabei gewesen zu sein und daher nichts genaues zu wissen.
Weiter fragte Klein, ob der Vater vielleicht gedroht habe, sich umzubringen und seine Frau ebenfalls, sollte diese ihn verlassen. Jesmira S. konnte das zwar im konkreten Fall nicht bestätigen, sagte aber aus, dass ihr Vater das oft gesagt habe. Und ihre Mutter habe das ernst genommen. Die weiteren Fragen zielen nicht nur auf die psychische, sondern auch die körperliche Gewalt, die anscheinend vom Vater ausging.
So rekapitulierte Herr Klein etwa ein Verfahren von 2013 gegen den Vater wegen Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau. Jesmira S. gab schluchzend und schniefend ihre Erinnerung an die Ereignisse wieder: Ihre Mutter war mit Jesmira S. und ihren Geschwistern für ein paar Tage zu ihrer Schwester nach Essen gezogen. Als sie wieder nach Hause kamen, weil die Kinder am folgenden Montag in die Schule mussten, wollte die Mutter sich von ihrem Ehemann trennen. Die Situation eskalierte aber, vor allem, weil der Vater die Kinder nicht gehen lassen wollte.
Der Vater habe zu Jesmira S. gesagt:
Wenn du zu Mama gehst, bist du nicht mehr mein Kind!
Der Vater habe die Mutter gewürgt, dann sei es zu der Verfolgungsfahrt gekommen. Verteidiger Klein zitierte daraufhin eine Aussage der Mutter von Jesmira S., in der sie die Ereignisse relativierte und sagte, ihr Mann wolle sich bessern und eine Therapie machen.
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Auf Nachfrage bestätigte Jesmira S., dass ihre Mutter nach einer Zeit im Frauenhaus in eine eigene Wohnung gezogen ist, in der sie jetzt noch wohnt. Als Herr Klein fragte, ob die Eltern getrennt sind, reagierte Jesmira S. sehr gereizt. Energisch sagte sie, ihre Eltern seien nicht zusammen “und werden es auch nie sein”. Auf die Frage, wann die Trennung stattgefunden hat, wollte sie sich nicht mehr erinnern können. Ihre Begründung:
Ich verfolge niemanden auf Schritt und Tritt.
Diese doch recht unangemessene Antwort löste Tuscheln bei einer Gruppe Zuschauerinnen aus, mit denen Jesmira S. vor und nach der Verhandlung geredet hatte. Genauso wie Jesmira S. schienen sie sich zu fragen, was die Inhalte der Fragen von Herrn Klein für einen Bezug zum Prozess haben.
Welche Strategie verfolgt Verteidiger?
Inzwischen sichtlich genervt unterstellte der Anwalt:
Natürlich wissen Sie, wann ihre Mutter es geschafft hat, sich endlich von ihrem Mann zu trennen!
Klein las daraufhin eine Zeugenaussage der Mutter vor, in der sie die Attacken ihres Mannes gegen sie beschreibt: Schläge, Faustschläge gegen den Kopf, Tritte. Jesmira S. sagt, das habe sie gewusst, “mit am meisten von allen Kindern”. Jedoch, so Jesmira S., habe ihre Schwester Vanessa ihrer Mutter Druck gemacht, den Vater nicht zu verlassen – aus Rücksicht auf die Kinder.
Die Stimmung zwischen der Nebenklägerin Jesmira S., ihrem Anwalt und dem Verteidiger Klein wurde immer angespannter. Bei Herr Kleins Frage, ob die Mutter von Jesmira S. der Prostitution nachgegangen sei, hätte Jesmira S. wohl kaum wütender verneinen können. Ihr Anwalt Peter schritt schließlich wieder einmal ein und sagte, er könne bei dieser Frage keinen Zusammenhang zum Prozess erkennen. Herr Klein antwortete betont gelassen darauf:
Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen.
Er fuhr mit seinem Fragenkatalog fort. Diesmal sprach er Jesmira S. auf einen Vorfall aus ihrer Jugend an, bei dem ihr Vater sie mit einer Holzlatte auf den Hinterkopf geschlagen haben soll. Laut den Akten habe Jesmira S. ihm daraufhin gedroht, ihn “abzustechen”.
Jesmira S. wollte von der Frage ablenken:
Warum stellen Sie mich immer so bloß?! Warum sagen Sie nicht mal, dass der David schon zweimal seine Mutter abstechen wollte!
Die verbalen Ausfälle seiner ehemaligen Partnerin brachten Leben in David L.s sonst so ausdruckslose Mine. Er nickte frustriert mit einem Gesichtsausdruck, ein ironsiches “Ja, genau, immer ich” lag ihm offensichtlich auf den Lippen. Klein reagierte schnippisch, er wisse schon aus einem Gutachten, dass Jesmira S. eigenes Fehlverhalten gerne mit Verweisen auf das Verhalten anderer relativiere. Jesmira S. darauf: “Das stimmt doch gar nicht!”. Herr Klein antwortete: “Das habe ich schriftlich.”
Dann eskalierte die Situation. Herr Klein wollte Jesmira S. zu der Zeit befragen, als sie nicht bei ihren Eltern, sondern im betreuten Wohnen gelebt hatte, und dem Verhalten, das sie bei ihren Eltern an den Tag gelegt hatte. Ihr Anwalt Herr Peter sagte jedoch, die Ursache für das Verhalten von Jesmira S. könnte mit Bedrohungen und Schlägen zu tun haben und daher Angehörige belasten. Deswegen werde Jesmira S. dazu nicht aussagen.
Im folgenden führten Peter und Klein ein Wortgefecht, in dem sie sich gegenseitig unter anderem als “frech” bezeichneten. Herr Klein warf Herrn Peter vor, den Prozess zu verzögern. In dieser Situation schien es unmöglich, die Befragung noch produktiv fortzusetzen. Zur allgemeinen Erleichterung ordnete die Vorsitzende Richterin Ulrich zehn Minuten Pause an.
Als sich die Gemüter etwas beruhigt hatten, machte sich Her Klein daran, weiter Widersprüche in den Aussagen von Jesmira S. zu finden. In einer früheren Befragung hatte Jesmira S. gesagt, sie sei 2014 zu David L. gezogen, um ihm auf Bitte von dessen Mutter ein “Stütze zu sein”. Obwohl Jesmira S. wesentlich jünger ist als David L. und nach eigenen Angaben für die Zeit nach der Psychiatrie selbst bereits erfolgreich nach einer eigenen Wohnung gesucht hatte.
Wenn sie nicht zu David L. gezogen wäre, so die Aussage von Jesmira S. damals, wäre sie natürlich zurück zu ihren Eltern. Herr Klein hinterfragte das heute jedoch, da die damals 18-Jährige schließlich bereits einiges über die häusliche Gewalt bei ihren Eltern ausgesagt hatte. Jesmira S. blieb jedoch bei dieser Darstellung. Nicht beantwortet wurde an diesem Verhandlungstag die Frage, warum sie sich als Unterkunft nach der Psychiatrie eine eigene Wohnung gesucht hatte, obwohl sie nun sagt, sie hätte dort nicht einziehen wollen.
“Duplizität der Ereignisse?”
Weiter fragte Herr Klein, ob Jesmira S. früher schon mit einem Messer bedroht wurde, speziell durch ihren Exfreund B.. Jesmira S. wollte aber auch dazu nicht aussagen. Zu Vorfällen bei denen David L. sie mit Messern bedroht haben soll, hat sie bereits in früheren Befragungen Aussagen gemacht.
Zahlreiche Fragen des Strafverteidigers drehten sich um die Beziehung zu einem Zuhälter, den Jesmira S. gehabt haben soll, bevor sie David L. kennenlernte. Jesmira S. hatte schon bei früheren Verhandlungstagen zum Ausdruck gebracht, wie unangenehm ihr das Thema ist. Herr Klein sieht jedoch eine “Duplizität der Ereignisse” und versuchte immer wieder, Parallelen zwischen den beiden Liebesbeziehungen herzustellen.
Jesmira S. sagte zwar immer wieder, das habe nichts mit dem Verfahren zu tun und man könne ihren Ex-Freund und David L. nicht vergleichen. Herr Klein machte das aber trotzdem und ließ nicht locker.
Einige Widersprüche sieht er etwa bei ihren Aussagen zu einem Verfahren wegen Körperverletzung gegen sie. Jesmira S. sagte, ihr damaliger Freund habe sie etwa zwei Monate lang eingesperrt. In diesem Zeitraum habe ihr Freund einen anderen Zuhälter geschickt, um sie einzuschüchtern. Was genau passiert sei, wisse sie aber nicht mehr, so Jesmira S..
Herr Klein bemerkte hier, dass sie bei ihrer Aussage gegenüber der Polizei ihren damaligen Freund überhaupt nicht erwähnt habe. Jesmira S. konnte das bestätigen und flüsterte mit ihrem Anwalt.
Als Herr Klein ihr eine ihrer früheren Aussagen zum Geschehen vorlas, sagte Jesmira S., das sei so gewesen.
Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen
Fast schon wütend erklärte Herr Klein die Aktenlage: Schon kurz nach der Tat, um die es in den Verfahren geht, habe sie zwei widersprüchliche Aussagen gemacht. Bei der, die er gerade vorgelesen hatte, war sich Jesmira S. noch sicher, dass die Kratzer von ihrem Angreifer stammten. In einer späteren Aussage habe sie aber gesagt, die Verletzungen könnten auch von Gestrüpp stammen.
Nun, etwa ein Jahr später, gebe sie zuerst an, sich nicht zu erinnern. Und nachdem Herr Klein eine der Versionen vorgelesen hatte, erinnerte sie sich plötzlich. Ärgerlich sagte er:
Ich habe den Eindruck, dass Sie überhaupt kein Interesse daran haben, hier wahrheitsgemäße Angaben zu machen.
Wie konnte zum Beispiel, so Klein, Jesmira S. ihrem Angreifer die Tür aufmachen, so wie sie ausgesagt hat, wenn ihr Ex-Freund sie ihrer Aussage nach eingesperrt hatte? Jesmira S. relativierte, manchmal sei sie ja doch im Eingangsbereich gewesen und flüchtete sich in unklare Beschreibungen. Schließlich sagte sie:
Ich sage dazu nichts mehr, weil ich nicht weiß, warum das relevant ist.
Herr Klein wies sie darauf hin, dass sie die Aussage nur verweigern kann, wenn sie sonst von Straftaten von Angehörigen berichten müsste:
Wissen Sie, was Sie hier sagen und was nicht ist kein Wunschkonzert.
Wieder musste Jesmira S. Fragen zu ihrem Sexualleben beantworten, jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, da wohl auch Sexvideos eine Rolle spielten.
Danach fragte Herr Klein, warum Jesmira S. mit ihrem Exfreund B. keinen Sex mehr haben wollte. Jesmira S. antwortete:
Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie hier meinen Ex mit reinziehen!
Für Herrn Klein sind die Antwort und seine Strategie ganz klar: “Wegen der Duplizität der Ereignisse.” Er erklärte, Jesmira S. habe sowohl mit B. als auch mit David L. keinen Geschlechtsverkehr gewollt, um sich nicht mit Geschlechtskrankheiten anzustecken. Jesmira S. stellte das am heutigen Verhandlungstag anders dar: Bei B. habe sie einfach keine Lust gehabt, unabhängig davon, dass sie gehört hatte, er habe ungeschützten Verkehr in der Lupinenstraße in Mannheim gehabt. Und bei David L. nicht, “weil er mich angeekelt hat als Mensch”.
Chatprotokolle ergeben anderes Bild als Aussagen
Zudem versuchte Herr Klein, die Darstellung von Jesmira S., sie habe sie Kinder von David L. gerne gehabt und David L. sei ein schlechter Vater gewesen, in Zweifel zu ziehen. Als Verteidiger Klein Jesmira S. fragte, ob sie auf die Kinder eifersüchtig war, wirkte der Angeklagte David L. sehr unruhig und im Vergleich zu seiner üblichen Teilnahmslosigkeit fast schon ergriffen.
Nach einigem Nachfragen gestand Jesmira S. ein, sie habe wegen der Kinder manchmal “rumgezickt”, aber nur um David L. zu zeigen, wie das sei, einen eifersüchtigen Partner zu haben. Herr Klein las dann einen etwa einstündigen Chat zwischen Jesmira S. und David L. vor, der eine ganz andere Sprache spricht: Darin beschwert sie sich bei David L., dass seine Kinder jedes Wochenende zu ihnen kommen und sie nie Zeit zu zweit haben. Sie macht ihm teilweise aggressiv wirkende Vorwürfe. Aber er meint, er wolle nicht auf die Kinder verzichten. Sie schreibt, dann solle er doch seine Kinder heiraten und die umsorgen:
Ich mache nichts mehr für Kinder wo mir meinen Mann wegnehmen.
David L. wirkte hier sehr nachdenklich und in sich gekehrt. Als Herr Klein weitere Fragen zu Jesmira S.’ Verhältnis zu den Kindern aus David L.s früherer Ehe stellt, flüstert der Angeklagte seinem Verteidiger immer wieder zu.
Wütende Reaktion
Einen weiteren Ausfall leistete sich Jesmira S. bei der nächsten Frage von Herrn Klein. Völlig unerwartet fragte er, ob sie eine Beziehung zu Artur H. hatte und mal “Händchen-haltend und knutschend in der Fußgängerzone gesehen” worden sei. Bereits in früheren Befragungen hatte Herr Klein gefragt, ob David L. einen Grund gehabt hätte zu vermuten, dass Jesmira S. ihn betrügt.
Jesmira S. reagierte auf die Frage extrem entsetzt und wütend:
Das ist Rufmord!
Das sei natürlich nicht der Fall, “das kann ich beschwören”. Das müsse dem Anwalt von jemandem “eingetrichtert” worden sein. Wieder versuchte sie, das Thema zu wechseln und behauptete, David L.s Vater würde seine Frau schlagen. Das habe ihr David selbst erzählt. Der sah derweil aus, als glaube er kein Wort.
Weiter, so Jesmira S., hätte David gesagt, er wolle nie so werden wie sein Vater und seine Frau schlagen. Auch heiraten hätte er früher nie gewollt, da sein Vater in Tunesien zwangsverheiratet sei und mit der Frau zwei Kinder habe. David L. habe sich beschwert, dass ihm seine zwei Halbbrüder nie vorgestellt wurden. David L. reagierte sehr ungehalten und wollte etwas erwidern. Aber sein Anwalt Klein ermahnte ihn, er solle sich nicht provozieren lassen.
Weitere Verhandlungstage
Abgesehen von dieser strapaziösen Befragung gab Jesmira S. bekannt, sie werde weder eine Schweigepflichtsentbindung für die Ärzte geben, die mit vor der Tötung des Babies mit der Behandlung betraut waren, noch die Verwendung von Sexvideos von ihr vor Gericht erlauben.
Am Ende des Verhandlungstages bat die Vorsitzende die Beteiligten, beim nächsten Verhandlungstag Terminkalender mitzubringen. Denn mit den bereits angesetzten Verhandlungstagen werde man voraussichtlich nicht auskommen. Herr Klein kündigte weitere Anträge an.