Rhein-Neckar/Stuttgart, 20. August 2016. (red/pro) Nach einem Bericht der Südwest Presse gibt es weitere, bislang geheime „Nebenabsprachen“ innerhalb der grün-schwarzen Regierung, die bislang der Öffentlichkeit nicht bekannt waren. Nach einer ersten Enthüllung der Zeitung im Juli folgt nun der zweite Streich. Das setzt die Regierung unter Druck – Glaubwürdigkeit geht anders. Gab es früher mal einen CDU-Ministerpräsidenten „Cleverle“, so entwickelt sich der Grüne Kretschmann zum „Mauschele“.
Von Hardy Prothmann
Nach dem Bericht der Südwest Presse (SWP) soll die Grunderwerbssteuer um 1,5 Prozentpunkte auf dann 6,5 Prozent erhöht werden. Damit will die Landesregierung 300 Millionen Euro zusätzlich einnehmen. „Ersterwerber“ sollen mit einem 50 Millionen umfassenden „Förderprogramm“ entlastet werden.
Die frühere grün-rote Landesregierung hatte erst Ende 2011 die Grunderwerbssteuer von damals 3,5 Prozent auf 5 Prozent angehoben. Angehende Immobilienbesitzer und Häuslebauer dürften sich von der Landesregierung mehr als gekniffen fühlen. Im Wahlkampf wurde dazu kein Sterbenswörtchen geäußert – nun geht es massiv an die Geldbeutel der Bürger mit Immobilienbesitz. Ausgerechnet in einer Zeit, in der ein erheblicher Bedarf an Wohnungsneubau besteht.
Der aktuelle Innenminister Thomas Strobl (CDU) reagierte auf die Erhöhung der Grunderwerbssteuer 2011 gegenüber dem damaligen Finanzminister Nils Schmid damals so:
Ein Finanzminister, der bei derart sprudelnden Steuerquellen offenbar nur an Steuererhöhungen denkt, ist unerhört raffgierig. Steuererhöhungen passen nicht in diese Zeit! Das gilt für die von Grün-Rot gewollte Erhöhung der Einkommensteuer, das gilt für die Vermögenssteuer und das gilt insbesondere für die mehr als 40-prozentige Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Finger weg von Steuererhöhungen, Herr Minister Schmid!
Einsparziel: 1,8 Milliarden Euro
Laut SWP will die Landesregierung unter Winfried Kretschmann auch bei den Besoldungen der Landesbeamten sparen, indem Tariferhöhungen erst verzögert und dann nicht in voller Höhe angepasst werden. Ab 2017 soll mit einer jährlichen Steigerung von 1,8 Prozent kalkuliert werden, die dann aber nicht bei den Beamten ankommt. Hier sollen 500 Millionen Euro eingespart werden. Auch bei der Altersversorgung wolle man kürzen, was 50 bis 100 Millionen Euro bringen soll.
Statt die Kommunen zu entlasten, sollen diese auch zur Kasse gebeten werden. 200 bis 300 Millionen sollen diese zusätzlich als „Konsolidierungsbeitrag“ leisten, berichtet die SWP. Ob man dabei tiefer in den Umlagetopf des kommunalen Finanzausgleichs greift oder die Quote bei Gemeinschaftssteuern oder Gewerbesteuerumlage erhöhe, sei noch nicht klar.
Dabei kommen insbesondere durch die Flüchtlingskrise erhebliche Mehrausgaben auf viele Kommunen zu, vor allem in Nordbaden. Die Bürgermeister dürften sich aktuell die Hasskappe aufziehen.
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Zusätzlich plane das Land den Abbau von 5.000 Stellen bis 2020. Hier sollen vor allem befristete Stellen betroffen sein – auch an Schulen. Wie sich das für die geplanten Neueinstellungen von dringend benötigten Polizisten auswirkt, ist unklar. Einsparziel sind hier 250 Millionen Euro.
Je weitere 100 Millionen Euro sollen durch Verwaltungsmodernisierungen und die Zinsentwicklung am Kapitalmarkt eingespart werden.
Hintergrund ist das Ziel, den Haushalt um 1,8 Milliarden Euro zu entlasten. Welcher der Maßnahmen bereits 2017 begonnen werden sollen, ist offenbar noch endgültig entschieden.
Schaden für die Demokratie?
Klar ist, dass Winfried Kretschmann längst keine „Politik des Gehörtwerdens“ mehr verfolgt, sondern eindeutig eine „Politik des Verwiegenseins“ – er entwickelt sich zunehmen zum „Mauschele“.
Nach den ersten Enthüllungen im Juli gestand der Regierungschef ein, dass „Mauscheln“ zu seinem Regierungsstil gehört: „Ich mauschle doch schon immer“, hatte Herr Kretschmann damals gesagt. Der FDP-Vorsitzende Hans-Ulrich Rülke reagierte auf Twitter folgendermaßen:
Winfried Kretschmann: „Ich mauschle doch schon immer!“ Kann man dem Ansehen der Demokratie noch mehr schaden? Kann man der AFD mehr nutzen?
— Hans-Ulrich Rülke (@ruelke) 19. Juli 2016
Aktuell reagierte der FDP-Fraktionschef Rülke reichlich sauer:
Das unglaublich dreiste Hinterslichtführen der Öffentlichkeit durch die grün-schwarze Landesregierung geht weiter. Die FDP/DVP-Fraktion verlangt eine lückenlose Aufklärung der neu ans Licht gekommenen Geheimabsprache. Dazu wird die Fraktion umgehend einen Antrag einbringen und in der ersten Sitzung des Parlaments nach der Sommerpause im September diese weitere Geheimabsprache im Plenum thematisieren. Wir vertrauen weiterhin darauf, dass die CDU-Fraktion, wie von ihrem Vorsitzenden versprochen, eine Grunderwerbsteuererhöhung verhindert.
Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Leni Breymeier kommentierte auf ihrer Internetseite:
Aus der „Politik des Gehörtwerdens“ ist offenbar eine systematische Politik des Verschweigens und der Mauschelei geworden. Die Öffentlichkeit wird bewusst an der Nase herumgeführt. Ich frage mich: Was kommt da eigentlich noch?“ Erschreckend ist, dass die grün-schwarzen Koalitionsspitzen diesen unsauberen Politikstil auch noch als ganz normal hinstellt. Was hier vor sich geht, das ist nicht normal und das ist auch nicht üblich. Wer so intransparent agiert, der zerstört das wichtigste Gut, das man haben kann: Vertrauen.
Von Seiten der beiden AfD-Fraktionen hörte man noch nichts zum Thema – dort ist man offenbar noch in der Sommerpause.
Nach der ersten Enthüllung veröffentlichten die Regierungsparteien das erste „Geheimpapier“ – dieses können Sie hier einsehen.
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