Rhein-Neckar/Ladenburg, 24. Februar 2016. (red/ms) Die jüngsten Umfragewerte auf Landesebene sind desaströs – trotzdem ist die Stimmung bei der CDU in Ladenburg auffällig gut. 130 Besucher sind vor Ort, um den Spitzenkandidaten Guido Wolf und den bildungspolitischen Sprecher Georg Wacker zu hören. Hauptsächlich redet Herr Wolf. Sein Vortrag ist voller Leidenschaft, einer Menge Wahlkampf, fundierter Kritik – und einer Prise AfD-Rhetorik.
Von Minh Schredle

Bei vielen Parteiveranstaltungen in der jungen Vergangenheit ist der Anblick eher traurig: Eine Handvoll Besucher und etliche freie Stühle. Am Montag war dagegen jeder Platz besetzt. Einige Gäste mussten sogar vor der Tür bleiben.
Die Rede ist durch und durch mit Pathos geladen, der Vortrag pointiert und kalkuliert. Viele Zuschauer sitzen gebannt auf ihren Plätzen. Dann kommt CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf zu seinem Schlusswort:
Blinken Sie! Blinken Sie für die CDU! Blinken Sie für eine bessere Politik. Erzählen Sie überall von unseren Positionen und Inhalten. Werden Sie zum Leuchtturm für den Wechsel!
Begeisterter Applaus. Minutenlang. Es spricht für sich, wenn man mit solchen Worten ein Publikum aus überwiegend älteren Herren mitreißen kann. Zumal Guido Wolf nicht unbedingt zu den charismatischsten Politikern des Landes gehört. Rhetorisch aber ist er ein Profi und jeder Satz sitzt wie geschliffen.
Es herrscht gute Stimmung auf einer parteipolitischen Veranstaltung – und das ist in der jungen Vergangenheit zur Rarität geworden.
Entweder ist niemand da oder die Gefühlslage schwankt zwischen Verbitterung und Verzweiflung.
Dabei hätte die CDU am vergangenen Montag triftige Gründe für Trübsal gehabt: Denn in den aktuellen Umfragen wurde die Partei, die in Baden-Württemberg Jahrzehntelang in ihrer Regierungsverantwortung unantastbar schien, zum ersten Mal in ihrer Geschichte von den Grünen als stärkste Kraft überholt.
„Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsbau“
Doch schlechte Laune ist höchstens vereinzelt zu spüren. Georg Wacker, bildungspolitischer Sprecher in der CDU-Landtagsfraktion und Direktmandatsträger im Wahlkreis Weinheim, und Guido Wolf geben sich kämpferisch.
Selbstverständlich wird massive Kritik an der grün-roten Landesregierung geübt, beide sind voll im Wahlkampfmodus. Doch es bleibt nicht nur beim Anprangern – auch konkrete Forderungen werden aufgestellt. So sagt Herr Wolf:
Der soziale Wohnungsbau wurde sträflich vernachlässigt. Die Kommunen brauchen dringend Landesmittel für Wohnungsbauprojekte. Mindestens 250 Millionen Euro pro Jahr.
Mit den gestiegenen Flüchtlingszahlen werden die Gemeinde und Städte vor gewaltige Herausforderungen gestellt – denn sie sind für die Anschlussunterbringung verantwortlich. Allein durch landesweite Leerstände kann das nicht bewältigt werden.
Also muss neuer Wohnraum her, und zwar für viele zehntausende Menschen. Ohne finanzielle Unterstützung werden viele Kommunen und Städte das nicht bewältigen können. Bislang ist die Landesförderung überschaubar.
Herr Wolf betont ausdrücklich, dass neue Fördergelder für den Wohnungsbau nicht nur Flüchtlingen zu Gute kommen sollen – sondern der Gesamtgesellschaft:
Denken Sie an die alleinerziehenden Mütter, Geringverdiener und Arbeitslosen – auch die haben Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Das klingt fast danach, als hätte Herr Wolf in ein altes Wahlprogramm der Linkspartei geguckt – denn die fordert in Baden-Württemberg schon seit Jahren verstärkten sozialen Wohnungsbau.
Allgemein bedient sich Herr Wolf in seinem Vortrag gerne mal an den Wahlprogrammen und Forderungen anderer Parteien, ohne das explizit zu erwähnen. Fast immer steht allerdings eine sachliche und fundierte Argumentation dahinter – auch wenn die Positionierung von Herrn Wolf gelegentlich wechselt.
„Es gibt auch noch andere Themen außer Asyl“
Natürlich kommt der Spitzenkandidat auch auf das Thema Asyl zu sprechen. Dabei bemängelt er, dass der Flüchtlingsdebatte zu sehr im Fokus stände – bei den Landtagswahlen gehe es um mehr als ein einzelnes Thema, auch andere Fragen wären entscheidend. Deswegen dürfe man „natürlich nicht ausblenden, was die Menschen aktuell bewegt“. Aber Menschenschicksale seien nicht geeignet, um damit Wahlkampf zu betreiben:
Bei so einer historischen Herausforderung brauchen wir keinen Rechtspopulismus, sondern tragfähige und taugliche Lösungen.
Wenig später fährt er fort: Noch ein Jahr mit einer Million Flüchtlinge könne „Deutschland sich nicht erlauben“, das würde die „Integrationsfähigkeit überlasten“. Man müsse „konsequenter und schneller abschieben“, außerdem mehr Länder aus Nordafrika zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Hier hätte „grün-rot seine Hausaufgaben nicht erledigt“, außerdem sei es ein „großer Fehler“ von Ministerpräsident Kretschmann gewesen, die Residenzpflicht abzuschaffen, die nun dringend wieder eingeführt werden müsse.
Diese Aussagen lassen eine Reihe von Fragen offen: Wo hört sachliche Kritik auf? Wo fängt Wahlkampf an? Und ab wann handelt es sich um Rechtspopulismus? Inwiefern unterscheiden sich die jüngsten Forderungen von Herrn Wolf und Frau Klöckner von denen der AfD? Wie rechtspopulistisch sind Rufe nach Tageskontingenten und grenznahen Verteilungszentren, wenn sie nicht von der AfD, sondern von der CDU stammen? Auch das sind Fragen, die aktuell „die Menschen bewegen“ – der CDU täten eine eindeutige Positionierung und eine klare Linie gut. So leidet nur die Glaubwürdigkeit.
Die Furcht vor weiteren Stimmenverlusten aus dem erzkonservativen Umfeld wird plötzlich deutlich spürbar. Herr Wolf redet auf einmal davon, dass man die „Angst vor einer Islamisierung nicht tabuisieren“ dürfe. Angst sei allerdings ein schlechter Berater:
Lassen Sie uns das Thema offen diskutieren.
Man dürfe also die „Angst vor einer Islamisierung nicht tabuisieren“? Wo ist der Unterschied zu einer Position „gegen die Islamisierung des Abendlandes“, fragt man sich als Zuhörer?
Wir hätten laut Herrn Wolf verlernt, mit Stolz zu unseren Traditionen und christlichen Werten zu stehen. Das Martinsfest in Kindergärten dürfe nicht aus „falsch verstandener Toleranz“ in „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ umbenannt werden – dafür gibt es besonders lauten Applaus.
Um das mal klar zu formulieren: Das hätte so Wort für Wort auch von einer Dr. Frauke Petry oder einer Beatrix von Storch gesagt werden können. Aber es trägt der CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf vor.

Nach etwa einer Stunde beginnt die Diskussionsrunde mit dem Publikum. Die Moderation übernimmt Georg Wacker.
Nachdem Herr Wolf seine Rede beendet hat, gibt es minutenlangen Applaus. Anschließend beginnt eine Fragerunde mit den Zuschauern. Die Moderation übernimmt Herr Wacker, der fast alle Gäste mit Fragen namentlich begrüßt. Das Antworten überlässt er weitgehend Herrn Wolf, außer, wenn es um seinen Beritt geht, um Bildungsfragen. Die meisten Besucher zeigen sich sehr überzeugt.

Georg Wacker hat eindeutige Positionen und eine klare Haltung – er hielt sich allerdings zurück, im Rampenlicht des Abends steht ganz klar Spitzenkandidat Wolf, der Herrn Wacker als herausragenden Kollegen und den ausgewiesenen Bildungsexperten in seiner Fraktion bezeichnet.

Ein Zuschauer spricht Herrn Wolf auf seine Haltung in der Asyldebatte an, die sich von der Kanzlerin unterscheidet. Darauf entgegnet Herr Wolf: „Frau Merkel hat meine volle Unterstützung.“ Nach einer kurzen Pause ergänzt er: „Aber ich habe einen eigenen Kopf, den ich benutze und das werde ich auch als Ministerpräsident so tun“. Großer Applaus.