Mannheim, 29. Februar 2016. (red/pro) Die Umfragewerte sehen aktuell für die CDU nicht rosig aus – möglicherweise ändert sich das nach dem Auftritt der Kanzlerin Dr. Angela Merkel gestern Abend in der ARD. Die Kanzlerin strahlt Zuversicht aus – Landtagskandidat Chris Rihm ebenso: „Der Norden kann auch anders als rot wählen.“
Interview: Hardy Prothmann
Herr Rihm, zwei Wochen vor der Wahl. Wie ist die Stimmung?
Chris Rihm: Bei mir gut. In der Partei rumort es etwas, aber wir müssen ganz einfach sehen, dass wir noch zwei Wochen haben und 2006 war Ute Vogt mit der SPD vorne und die CDU hat es gepackt. Ich lasse mich also von aktuellen Umfragen nicht beeindrucken.
Der Mannheimer Norden gilt als SPD-Hochburg. Schätzen Sie das immer noch so ein?
Rihm: Nein. Der Norden galt als SPD-Hochburg. Die Kommunalwahl, aber insbesondere die OB-Wahl hat ganz klar gezeigt, dass der Mannheimer Norden auch anders als rot wählen kann. Wenn nur der Norden gewählt hätte, hieße der Oberbürgermeister Rosenberger. In den aktuellen Umfragen sind sogar die Grünen vor der SPD.
Nervt das? Ihr grüner Konkurrent ist im Norden nicht präsent, hat aber die Chance auf das Direktmandat?
Rihm: Ich glaube, dass Ministerpräsident Kretschmann mit seiner Popularität in allen Bevölkerungsschichten die tatsächliche politische Situation überlagert, weil die Menschen wählen nicht den grünen Kandidaten, sondern Kretschmann. Ich nehme den Kandidaten hauptsächlich über einen Flüchtlingshilfeverein war, den er selbst gegründet hat.
Das subjektive Sicherheitsempfinden ist bei vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr vorhanden. Objektiv ist die Lage nicht so schlecht, wie sie gefühlt wird.
Thema Flüchtlinge, insbesondere der Norden ist mit aktuell gut 7.000 Menschen auf Benjamin Franklin Village und zum Teil Spinelli der größte Flüchtlingsstandort in Baden-Württemberg. Wie gehen die Menschen vor Ort damit um?
Rihm: Sehr differenziert. Es gibt einerseits eine große Hilfsbereitschaft für die Menschen, die in den Einrichtungen leben. Oft machen sich aber gerade diese Menschen besondere Sorgen, weil sie eben die Belastung kennen und sich die Frage stellen, wie diese Herausforderungen zukünftig mit noch mehr Menschen gemeistert werden soll. Und es gibt die, die nicht helfen und nicht helfen wollen, die der Flüchtlingsthematik sehr kritisch gegenüber steht.
Wie steht es um das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung?
Rihm: Nicht gut. Das subjektive Sicherheitsempfinden ist bei vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr vorhanden. Objektiv ist die Lage nicht so schlecht, wie sie gefühlt wird.
Sie sind vor Ort Reisebüro-Unternehmer und haben viel Kontakt zur Bevölkerung, auch als Bezirksbeirat und CDA-Vorsitzender. Beschreiben Sie doch mal das Lebensgefühl vor einem Jahr und heute.
Rihm: Vor einem Jahr gab es die Flüchtlingsthematik in dieser Dimension nicht. Das Thema fand nicht statt. Heute 180 Grad-Wendung: Vor jedem Kundengespräch oder bei Terminen als Bezirksrat wollen alle Menschen zur Thematik diskutieren und äußern ihre eigene Meinung zu dem Thema.
Ich stehe nach wie vor voll hinter der Kanzlerin.
Sind mehr für die Hilfe oder mehr auf Distanz?
Rihm: In den Gesprächen merke ich derzeit, dass mehr Menschen auf Distanz gehen und nicht verstehen, wie die Bundesregierung die Probleme zu lösen gedenkt.
Ist das jetzt Kritik an der Kanzlerin?
Rihm: Im Gegenteil. Ich stehe nach wie vor voll hinter der Kanzlerin und glaube, dass der eingeschlagene Weg der schwarz-roten Koalition der einzig richtige Weg ist, auch wenn er kurzfristig nicht die von vielen gewünschten Ergebnisse erzielt. Ich glaube, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, um Europa mit der Wertegemeinschaft, die wir bisher hatten, zu halten und habe auch große Sorge für den Fall, dass das nicht gelingt. Deutschland ist das Land, das in der EU am meisten profitiert hat, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht. Wenn uns die EU um die Ohren fliegt, werden wir die größten Leidtragenden sein. Außerdem zeigen die isolierten Lösungen einiger Länder, insbesondere beim Grenzschutz, dass diese vermeintlichen Lösungen eben genau nicht funktionieren. Die Schleuser haben sich der Situation angepasst und bringen Flüchtlinge zu hunderten an Grenzzäune, die durchschnitten werden. Einige werden festgenommen, die meisten kommen aber doch durch die Zäune. Der Grenzschutz ist nicht das wert, was auf dem Papier steht. Insofern hilft nur eine gesamteuropäische Lösung, die Zeit kostet. Aber Deutschland hat auch Druckmittel in der Hand. Wir sind das größte Geberland in der Union und auch wir leisten weiterhin unseren Beitrag, um gerade osteuropäische Nachbarn in den verschiedensten Lebensbereichen zu stärken. Das ist aber keine Einbahnstraße. Diese Aufgabe kann nur mit gegenseitiger Solidarität gelingen. Bedeutet in der Konsequenz: Wer uns nicht helfen will oder uns allein lässt, muss damit rechnen, dass ihm entsprechende finanzielle Einbußen drohen.
Diese Aufgabe kann nur mit gegenseitiger Solidarität gelingen.
Mit dieser Position unterscheiden Sie sich klar von der AfD.
Rihm: Richtig.
Andere Wahlkämpfer versuchen mit markigen Sprüchen die AfD einzuholen. Sie nicht?
Rihm: Nein. Wer versucht die AfD zu imitieren, egal von welcher Partei, macht sich unglaubwürdig. Die AfD hat nach meinem Befinden keinerlei Lösung für die Probleme, sie suggerieren die einfache Lösung, die jeder gerne hätte, in vielen Lebensbereichen, aber es gibt keine einfache Lösung. Es ist komplexer als die AfD das darstellt. Deswegen erwarte ich, dass sich die demokratischen Parteien von den billigen Lösungsansätzen der AfD unterscheiden und an seriösen Lösungen arbeiten.
Der Mannheimer Norden erwartet eines der größten Bauprojekte der Stadtgeschichte. Vergangene Woche stellten der Oberbürgermeister, die MWSP und die GBG die laufenden Planungen vor – als Startschuss für das Projekt Franklin. Wie bewerten Sie das, was da kommt?
Rihm: Insgesamt sehr positiv. Wobei ich persönlich glaube, dass wir gerade im Hinblick auf die derzeitige längerfristige Unterbringung der Flüchtlinge auf Columbus bis Ende 2018 noch viel Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung leisten müssen. Letztendlich ist es so, dass die Grundstücke, die dort bebaut werden, auch vermarktet werden. In Gesprächen mit Bürgern stelle ich fest, dass es Vorbehalte gibt, Grundstücke zu erwerben, die in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft sind. Insofern benötigen wir zum einen eine klare Ansage vom Land Baden-Württemberg, wie es nach 2018 weiter geht, da hier ein Gewerbegebiet entstehen soll und andererseits müssen wir die Menschen noch stärker und besser über die Einrichtung informieren. Und vor allen Dingen müssen wir die Informationspolitik transparenter gestalten.
Würden Sie als Abgeordneter darauf drängen, dass Ende 2018 Schluss ist mit der Unterbringung?
Rihm: Ja. Ich werde darauf drängen, weil das Konversionsprojekt das größte städtebauliche Projekt des Jahrhunderts ist. Mannheim muss bei der Unterbringung seiner Verantwortung gerecht werden – ganz klar. In der Konsequenz bedeutet dies unter Umständen, dass wir die Konversionsfläche Spinelli dann länger und in größerem Umfang nutzen müssen, um das Projekt Franklin auch umsetzen zu können.
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Irgendeinen Tod stirbt man immer?
Rihm: Das ist so.
Eins Ihrer Lieblingsprojekte ist die Sanierung der Käfertäler Mitte – können Sie hier als Landtagsabgeordneter Einfluss nehmen?
Rihm: Bedingt – das ist hauptsächlich eine kommunale Aufgabe. Es gibt aber immer wieder vom Bund und Land Zuschüsse für Projekte und hierfür kann ich mich einsetzen.
Ich bin kein Fan der Gemeinschaftsschule.
Wie sind Sie denn in Sachen Bildung eingestellt: Finden Sie die Gemeinschaftsschule gut oder eher nicht gut?
Rihm: Wir müssen differenzieren. Ich bin kein Fan der Gemeinschaftsschule. Wir brauchen verschiedene Schulformen. Baden-Württemberg war schon immer eines der Länder in Deutschland mit einem qualitativ sehr guten Bildungssystem und wir brauchen die Wahlfreiheit für Eltern und Schüler. Mir ist es vor allem wichtig, dass wir die Gymnasien und Realschulen wieder in den Vordergrund rücken und nicht benachteiligen, so wie es im Moment von der grün-roten Landesregierung praktiziert wird. Genauso glaube ich, dass wir auch weiterhin Sonderschulen brauchen. Auch hier gilt – die Eltern und Schüler entscheiden. Nicht für jedes Kind ist Inklusion an einer Regelschule der beste Weg. Wir brauchen beide Formen der Beschulung und keine systematische Benachteiligung der Sonderschulen, die übrigens hochspezialisiert hervorragende Arbeit leisten. Abrunden kann man das Thema mit der Ganztagsschule: Auch hier lehne ich eine Bevormundungspolitik ab, weil ich persönlich glaube, dass wir auch außerschulisches Lernen brauchen und Eltern und Kinder selbst entscheiden sollen, wo das stattfindet. Konkret liegen mir die Vereine am Herzen: Es ist ein Unterschied, ob die Kinder ins Feuerwehrgerätehaus gehen und das dort erleben oder die Feuerwehr ins Klassenzimmer kommt. Ich glaube, dass ein Tapetenwechsel durchaus sinnvoll ist. Identitäten entwickeln sich nur, wenn man das auch außerhalb der Schulräume praktiziert.
Das Thema Verkehr ist eines der Top-Themen, die alle Menschen angehen. Die Stadtbahn-Nord ist für Sie was?
Rihm: Eine perfekte Ergänzung und Lückenschließung im Stadtbahnnetz. Ich glaube, dass sie ähnlich erfolgreich sein wird wie vor vielen Jahren die Stadtbahnlinie im Mannheimer Süden.
Der Individualverkehr darf nicht benachteiligt werden.
Mit Franklin wird es Veränderungen geben müssen, was die B38 angeht. Was sind dazu Ihre Vorstellungen?
Rihm: Zum einen müssen wir Franklin noch besser an das Verkehrsnetz anschließen und wir müssen die B38 umwandeln in eine Stadtstraße. Das ist mir sehr wichtig: Der Individualverkehr darf nicht benachteiligt werden. Ich glaube, dass auch in 30 Jahren der Individualverkehr den Schwerpunkt der Fortbewegung darstellen wird – wenn auch mit veränderter Technik, ob Elektro- oder Wasserstoff-Antrieb. Oder das intelligente Auto, das selbstfahrend ist. Auch hier setze ich mich für Gleichberechtigung bei der Förderung verschiedener Verkehrsformen ein. Von einer ideologisch geprägten Verkehrsumerziehung halte ich nichts.
Sie halten auch nichts von Windrädern im Käfertaler Wald. Warum eigentlich?
Rihm: Vollkommen richtig. Die bisher durchgeführten Untersuchungen haben klar gezeigt, dass die Rheinebene, insbesondere die Fläche Käfertaler Wald in Punkto Windhöffigkeit keinen wirtschaftlich sinnvollen Betrieb von Windkraftanlagen ermöglichen kann. Mannheim leistet seinen Beitrag zur Energieversorgung mit dem Großkraftwerk Mannheim und damit für die nächsten Jahrzehnte einen wichtigen Beitrag für die Netzstabilität. Ich selbst beziehe seit fünf Jahren Öko-Strom, aber mit dem derzeitigen Netzausbau und der Trassenpolitik wird es noch Jahrzehnte dauern, bis wir die ökologisch erzeugte Energie auch dort haben werden, wo wir sie benötigen.
Am 13. März ist der Wahlkampf rum, dann wird ausgezählt. Egal, ob Sie gewinnen oder nicht. Was machen Sie in der Woche nach der Wahl?
Rihm: Zuerst einmal werde ich am 13. März um 17:30 Uhr in der Abendakademie sein und mir dort live die ersten Prognosen und Trends anschauen. Ich glaube als Kandidat ist es auch meine Verantwortung, von Beginn an die Ergebnisse mit der Bevölkerung zu teilen, ob angenehm oder unangenehm. Das gehört für mich einfach dazu. Um auf die Frage zurückzukommen. Am Montag um 09:30 Uhr geht es im Geschäft weiter – ich habe einige Dinge aufzuholen und vor allen Dingen darf ich mich dann auch wieder in größerem Umfang um meine Familie kümmern, die derzeit die „Hauptleidtragenden“ des Wahlkampfs sind. In den Osterferien geht es in den Urlaub, das habe ich meiner Frau und meinen beiden Kindern versprochen.
Zur Person:
Zur Person:
Chris Rihm (38, evangelisch, verheiratet, zwei Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren) ist Mannheimer und hat in Feudenheim und Neuostheim gewohnt. Seit 2004 lebt er in Käfertal. Der ausgebildete Rettungsassistent und Fachwirt im Sozial- und Gesundheitswesen engagiert sich seit 21 Jahren beim ASB im Ehrenamt und hat seit 1995 die Schulsanitätsdienste an Mannheimer Schulen aufgebaut – ein Modell, das bundesweit Früchte trug.
Als Leiter Rettungsdienst der Stadt Mannheim gehört er zur Sicherheitsarchitektur der Stadt. Er ist seit 2015 Vorsitzender der Sozialausschüsse der CDU, kurz CDA. 1994 ist er in die Junge Union eingetreten, 1995 in die CDU. Das Reiseland Rihm in Käfertal betreibt er seit 2005.
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