Mannheim, 11. Februar 2016. (red/ms) Noch etwa vier Wochen bis zur Landtagswahl – also höchste Zeit, im Wahlkampf neue Wege zu gehen. Im Mannheimer Norden nehmen die Kandidaten Dr. Stefan Fulst-Blei (SPD) und Gerhard Fontagnier (Grüne) Vorreiterrollen ein: Sie versuchen es mit Musik und werden dabei von regionalen Künstlern unterstützt. Wie wird darauf nun die politische Konkurrenz reagieren?
Dr. Fulst-Blei hat sein Video zuerst veröffentlicht und versucht sich als Rapper aus dem Mittelstand. Die meiste Zeit über nickt er im Rhythmus zum Beat, das Singen und Rappen übernehmen JayRize und SanTelli – zwei Jungs des Trios „Sagt Ja!“, die bei der Großdemonstration „Mannheim sagt Ja!“ im Januar 2015 den Song „Mannheim sagt Ja!“ performt haben. Aber auch Dr. Fulst-Blei selbst greift zum Mikrophon und rappt ein paar Zeilen ein.
Aktuell hat das Video auf youtube gut 2.300 Aufrufe und einen Kommentar:
könnte weitaus schlimmer sein, aber wieso nimmt man nicht einen rapper, der wenigstens rappen kann?
Der grüne Landtagskandidat Gerhard „Fonti“ Fontagnier hat es zu einem Wahlkampfziel erklärt, gleich ganz Baden-Württemberg zu rocken. Vor dem Hintergrund ist es eigentlich nur logisch, dass auch er sich musikalisch versucht und in einem Video auftaucht. Doch wer Rockmusik erwartet hat, wird enttäuscht: Es wird Reggae gespielt. Immerhin gibt es ein Gitarrensolo mit Wah-Wah – und ein hübsches Video mit starken Kontrasten in schicker Schwarz-Weiß-Optik.
Dieses Video hat nur gut 500 Aufrufe. Es ist allerdings am 9. Februar auf youtube veröffentlicht worden, der SPD-Wahlkampf-Song bereits am 26. Januar. Rechnet man den täglichen Durchschnitt, kommt das SPD-Video auf 121 neue Aufrufe pro Tag, das Grünen-Video auf 125 Aufrufe. Also Gleichstand, außer dass die SPD schneller war.
Auf der Facebook-Seite hat Dr. Fulst-Blei 2.384 „Gefällt mir“-Angaben. Dort hat das Video aber angeblich 44.000 Aufrufe. Das ist erstaunlich und gegenüber 3.000 Aufrufen bei Grüne-Kandidaten auch im Tagesvergleich deutlich erfolgreicher. Wieso aber 3.000 Menschen auf einer Seite mit 338 Fans den Song geschaut haben sollen, ist merkwürdig. Eine mögliche Erklärung kann man hier nachlesen.
Herr Fontagnier singt nicht selbst – das macht der Cover-Sänger Markus Sprengler, der das Kulturfest moderiert und mitorganisiert hat, das im Anschluss an die Großdemonstration „Mannheim sagt Ja!“ stattfand.
Das ist spannend: Obwohl „Mannheim sagt Ja!“ ursprünglich als überparteiliches Bündnis für ein gemeinsames Ziel geplant war, betreiben nun Künslter, die von der erzeugten Aufmerksamkeit profitiert haben, gemeinsam Wahlkampf mit Politikern von SPD und Grünen.
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Die Konzeption könnte aber nicht unterschiedlicher sein. Das SPD-Video ist geprägt von jungen Menschen, mit einer klaren Ja-Botschaft in Farbe auf deutsch gesungen, das vom grünen Kandidaten von überwiegend älteren Menschen und auf englisch in schwarz-weiß.
Kommt jetzt noch mehr?
Wie wird nun die politische Konkurrenz reagieren? Kann CDU-Kandidat Chris Rihm überhaupt noch auf eine musikalische Antwort im Mannheimer Norden zu verzichten? Und wenn nicht: Wie wird diese aussehen?
Mit Reggea und Hip-Hop werden tendenziell eher junge Personen aus der alternativen Szene und vielleicht einige Althippies angesprochen – dass diese CDU wählen, ist ohnehin eher unwahrscheinlich. Vielleicht geht es also eher in Richtung Schlager? Damit würde man definitiv die größte Zielgruppe ansprechen.
Auch die KandidatInnen Birgit Sandner-Schmitt (FDP), Gökay Akbulut (Die Linke) und Rüdiger Klos (AfD) könnten noch mitmischen, denn auch für sie kann jede Stimme entscheidend sein. Insbesondere FDP und Linke müssen nach den aktuellen Umfragen hart um den Einzug in den Landtag kämpfen. Was werden sie sich einfallen lassen? Und welche Zielgruppen wollen sie wie erreichen?
Vielleicht kommt es ja doch noch zu einem politischen Rap-Battle, um die große Anzahl politikverdrossener Nichtwähler aus urban-alternativem Umfeld zu mobilisieren.
Möglicherweise geht die Musik auch nach hinten los, weil die Wähler/innen eher politische Inhalte statt musikalischer Propaganda erwarten.
Andererseits ist Dr. Fulst-Blei zumindest bei den Klicks deutlich erfolgreicher als mit diesem Wahlwerbefilm bei der vergangenen Wahl.