Rhein-Neckar, 16. Februar 2018. (red/pro) Gestern meldeten verschiedene Medien, darunter Spiegel online, n-tv und auch Chip, dass in Mannheim ein neues Projekt „Videoüberwachung“ gestartet sei. Dabei handelt es sich um eine nicht zutreffende Information. Richtig ist, dass das Projekt einer intelligenten Videoüberwachung in diesem Jahr kommen wird – die ersten Kameras werden aber ab April installiert. Bis das System von der Hardware her installiert sein wird, werden noch viele Monate vergehen.
Von Hardy Prothmann
„Wenn die Kamera die Polizei ruft: Deutsche Stadt startet Komplettüberwachung“ titelt Chip. „Mannheim führt Überwachungskameras ein“, titelt n-tv. „Hektische Bewegungen im öffentlichen Raum sollen in Mannheim künftig Alarm auslösen, dank eines Systems an intelligenten Kameras“, schreibt Spiegel online. Klingt so, als wäre das alles schon Realität – ist es aber nicht.
Das Projekt ist längst gestartet – in die Vorbereitungsphase. Die ersten Kameras werden aber ab vermutlich April installiert – am Hauptbahnhof. Dort ersetzen sie alte Kameras, die es dort schon gibt. Insgesamt werden beim Vollausbau 71 Kameras an 28 Standorten filmen – und zwar noch ziemlich unintelligent, sondern ganz klassisch.
Die „Intelligenz“ kommt erst mit der Zeit, denn das Softwaresystem dahinter soll lernen. Entwickelt wird es vom Fraunhofer-Institut in Karlsruhe. Die Idee dahinter ist anspruchsvoll. Das System soll selbständig erkennen, ob eine Gefahrensituation vorliegt. Beispielsweise, wenn ein Mensch zu Boden geht oder sich auf ein Stück Rasen am Paradeplatz legt. Das System soll aus einer Vielzahl von Informationen schließen, dass eine Gefahr vorliegen könnte und dann Alarm schlagen.
Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Videobilder künstlicher verschwommen – das soll den Datenschutz erhöhen. Erst wenn ein Beamter alarmiert ist und sich einschaltet, werden die Bilder scharf, damit der Beamte die Lage beurteilen und eine Streife alarmieren kann, die in Minutenschnelle vor Ort sein soll.
Zum einen wird also klassisch gefilmt, zum anderen künstlich verfremdet und zum Dritten – das ist neu und innovativ an diesem Projekt, soll Manpower eingespart werden. Die Beamten müssen also nicht ständig auf die Videobilder schauen, was schnell zu Ermüdungseffekten führt.
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Bis das „intelligente“ System funktioniert oder ob es überhaupt funktioniert, weiß heute noch niemand – es ist vermutlich weltweit das erste Pilotprojekt, bei dem Algorithmen irgendwann selbständig erkennen und beurteilen können sollen. Doch erst ein realer Mensch löst dann tatsächlich den Alarm aus.
Aktuell löste ein dpa-Bericht den Alarm in Redakteursköpfen aus – ob dieses Verhalten umprogrammierbar ist, darf bezweifelt werden. Man hat einfach einen dpa-Text ohne jede eigene Recherche in Form gebracht – fertig war die „sensationelle“ Meldung.
Norbert Schätzle, Sprecher der Polizei, teilte uns auf Anfrage mit, dass das Projekt in erster Linie eines der Stadt sei und dann erst der Polizei. Deshalb sei es auch an der Stadt, den Start anzukündigen. Selbstverständlich werde man für eine gemeinsame Pressekonferenz zur Verfügung stehen.
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