Heidelberg/Stuttgart, 15. Februar 2018. (red/pro) Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Heidelbergs Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner (parteilos) haben am vergangenen Freitag eine Vereinbarung über eine „Sicherheitspartnerschaft“ unterzeichnet. Damit reagieren Land und Stadt auf eine gestiegene Kriminalität, die mit gemeinsamen Maßnahmen bekämpft werden soll – allerdings gibt es auch politische Dimensionen.
Von Hardy Prothmann
Mit Heidelberg verbindet man das Schloss, die historische Altstadt – die Perle am Neckar ist weltweit bekannt und zieht jedes Jahr Hunderttausende von Touristen an. Doch die Stadt Heidelberg ist aktuell im Südwesten ebenfalls Spitze, was die Kriminalität angeht – sie steht in der Kriminalstatistik auf dem vierten Platz der Städte mit der höchsten Kriminalität.
Gestiegene Kriminalität
Insbesondere 2015 und 2016 ist die Kriminalität deutlich gestiegen – wegen Drogendealern aus Gambia, wegen nordafrikanischen Kriminellen, wegen Einbruchsbanden aus Südeuropa und Taschendieben aus Südosteuropa. Aber auch wegen feierwütiger Heranwachsender. Schlägereien und Überfälle am Wochenende sind “normal”.
Die nun zwischen Land und Stadt vereinbarte „Sicherheitspartnerschaft“ ist einmalig im Südwesten. Innenminister Strobl sagte:
Die Kriminalitätsentwicklung ist unerfreulich, das tut mir weh. Darauf antworten wir mit einer maßgeschneiderten Lösung, um die verschiedenen Kriminalitätsschwerpunkte erfolgreich in den Griff zu bekommen. Und ich verspreche Ihnen, dass das gelingt.
Notwendig dafür sei eine Zusammenarbeit von allen.
BAO “Sicher in Heidelberg”
Konkret wird die Polizei in Heidelberg seit Montag täglich
um bis zu 16 Beamte der Bereitschaftspolizei Bruchsal unterstützt. Innerhalb der Polizei ist eine „besondere Aufbauorganisation“ (BAO) „Sicher in Heidelberg“ eingerichtet worden, die insbesondere die Innenstadt, Bergheim, die Neckarwiese und das Neckarvorland in den Blick nimmt, aber auch den am Ankunftszentrum (Patrick Henry Village, PHV) für Flüchtlinge gelegenen Stadtteil Kirchheim.
-Anzeige- |
Weitere Unterstützung kommt durch verdeckte Ermittler des Landeskriminalamts, insbesondere wegen der Drogendealer. Polizeipräsident Thomas Köber erläuterte:
Wir haben mehr Beamte draußen, eine spezielle BAO, die koordiniert und wir können jederzeit die Kräfte zusammenziehen.
Oberbürgermeister Dr. Würzner sagte:
Wir stocken den Kommunalen Ordnungsdienst um weitere vier Stellen auf dann 20 auf.
Nur in der Innenstadt habe dieser 4.000 Vorfälle in 2017 bearbeitet: „Das sind 90 Prozent der Ordnungswidrigkeiten. Für den Rest brauchen wir die Polizei.“
Halligalli am Wochenende
Direkt am vergangenen Wochenende nach der Vorstellung der Sicherheitspartnerschaft kam es zu diversen Vorfällen, für die die neu eingesetzten Beamten ab dem Montag allerdings erst zuständig sind:
- In der Nacht von Samstag auf Sonntag kam es im Bereich Altstadt/Bismarckplatz zu drei tätlichen Auseinandersetzungen: Gegen 0.45 Uhr wurde ein 17-Jähriger in der Dreikönigstraße von einem Unbekannten beleidigt und anschließend unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Anschließend flüchtete der Täter in Richtung Untere Straße. Der 17-Jährige wurde nach der ärztlichen Versorgung mit einem Rettungswagen zur ambulanten Behandlung in eine Klinik eingeliefert. Bei dem Täter soll es sich um einen ca. 170 cm großen Mann mit schwarzen, kurzen Haaren und kräftiger Statur gehandelt haben. Er war mit einen blauen, glänzenden “Tommy-Hilfiger”-Jacke bekleidet.
- Um 1.15 Uhr wurden drei Personen, zwei Frauen und ein Mann, am Bismarckplatz von einem unbekannten Täter verletzt. Nachdem der Unbekannte eine Beteiligte an einem Wartehäuschen fotografieren wollte, kam es zunächst einem Gerangel, in dessen Verlauf der Unbekannte zwei Opfer zu Boden warf und einem einen Faustschlag versetzte. Anschließend flüchtete er in Richtung Weststadt, wo ihn die verfolgenden Zeugen im Bereich Kleinschmidtstraße/Wilhelmstraße aus den Augen verloren. Der Tatverdächtige wird wie folgt beschrieben: ca. 170 cm groß, ca. 75 kg schwer, kurze, hellbraune, zu Seite gegelte Haare, Kinn- bzw. Backenbart. Bekleidet mit Jeans, weißem T-Shirt und eine dunklen “Tommy-Hilfiger”-Daunenjacke.
- Aus bislang nicht bekannten Gründen schlugen mehrere Personen gegen 4.45 Uhr in der Krämergasse/Hauptstraße auf einen 32-Jährigen ein. Der Geschädigte gab an, zusammen mit drei Begleiterinnen aus einer Gaststätte gekommen zu sein und unvermittelt mit der Faust mehrfach ins Gesicht geschlagen worden zu sein. Anschließend flüchteten die Personen in Richtung Karlsplatz. Der 32-Jährige erlitt eine Platzwunde und musste nach der medizinischen Erstversorgung in eine Klinik gebracht werden. Aufgrund der starken Alkoholisierung der Gruppe, das Opfer hatte einen Atemalkoholwert von annähernd zwei Promille, konnte keine genaue Täterschreibung abgeben werden.
Insbesondere am Wochenende und dann in den Nachtstunden werden die Bruchsaler Beamten des Polizeipräsidiums Einsatz also künftig zu tun haben.
Kein Zusammenhang zu PHV?
Einen Zusammenhang mit dem Ankunftszentrum Patrick Henry Village wies Innenminister Strobl auf Nachfrage des Rheinneckarblog kategorisch zurück:
Es gibt keinen Zusammenhang zum PHV. Wir haben hier eine Vereinbarung, dass das Zentrum verlegt wird, weil die Stadt dringend die Flächen zur Entwicklung benötigt. Das werden wir einhalten und perspektivisch im Jahr 2018 eine Lösung anbieten.
„Perspektivisch“ war eine solche Lösung schon für Ende Januar angekündigt. Oberbürgermeister Dr. Würzner teilte uns im Interview vor kurzem mit, dass die Stadt verbindlich davon ausgeht, dass die Nutzung von PHV mit dem 30. April endet. Doch das ist vollständig unrealistisch – es wird allein logistisch nicht möglich sein, die Einrichtung zu verlegen, mal abgesehen davon, dass es noch keinen neuen Standort gibt. Wie das gehen soll – darüber schweigt sich der Innenminister noch aus.
Die Verstärkung für Heidelberg könnte auch als Ausgleich verstanden werden, weil Heidelberg kein eigenes Polizeipräsidium erhalten hat. Doch ist das wirklich ein Ausgleich? Beamte des Präsidiums Einsatz, die sonst Demos oder Sportveranstaltungen begleiten, helfen nun in Heidelberg auf unbestimmte Zeit aus. Das kann man auch als Eingeständnis werten, dass dem Polizeipräsidium Mannheim gut 100 Beamte fehlen, die nun „ausgeliehen“, aber nicht fest zugeteilt werden.
Großes Versprechen
Weiter hat sich der Innenminister zusätzlich unter Druck gesetzt – sein Versprechen, die Kriminalitätsbelastung schnell und erkennbar zu verringern, ist eins, an dem er sich messen lassen muss. Der Innenminister, der selbst mal in Heidelberg studiert hat, sagte:
“Sicher in Heidelberg” macht Heidelberg sicherer. Ich will, dass im Sommer jede und jeder mit einem guten Gefühl die Neckarwiese genießen kann.
Ein Fokus soll vor allem auf den besonders auffälligen Diebstahl- und Rauschgiftsdelikten liegen. Entgegen des Landestrends haben die Straftaten in Heidelberg im Jahr 2016 um 4,7 Prozent zugenommen. Die Polizei konnte im vergangenen Jahr bereits aus ihrer Sicht Erfolge erzielen, zum Beispiel durch gezielte Präsenzstreifen an den bekannten Brennpunkten, eine Ermittlungsgruppe Eigentum beim Polizeirevier Heidelberg-Mitte und die Maßnahmen der Kriminalpolizei im Bereich des Wohnungseinbruchdiebstahls.
Maßnahmen
Gerade bei Delikten, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung besonders beeinträchtigen, wie zum Beispiel Wohnungseinbruchdiebstahl, Raubdelikten, Sachbeschädigungen oder der Gewaltkriminalität, können laut Polizei für das vergangene Jahr Rückgänge verzeichnet werden – die Straftaten liegen aber noch weit oberhalb der Zahlen von vor 2015.
Im ersten Quartal 2018 soll der Schwerpunkt auf der Altstadt Heidelberg liegen. Mit Beginn der warmen Jahreszeit kommt der Schwerpunkt im Bereich der Neckarwiese hinzu.
Die Stadt Heidelberg will ihren Kommunalen Ordnungsdienst noch einmal aufstocken – von aktuell 16 auf dann 20 Stellen. Zusammen mit dem Polizeipräsidium Mannheim wird die Stadt den zielgerichteten Einsatz des Kommunalen Ordnungsdienstes an erkannten Brennpunkten im Stadtgebiet sicherstellen. Das Polizeipräsidium Mannheim fasst zudem den verstärkten Einsatz von Polizeifreiwilligen ins Auge, um die Polizeipräsenz in der Stadt zu erhöhen.
-Anzeige- |
Das Polizeipräsidium Mannheim geht einen frühestmöglichen Einsatz moderner Videoüberwachungstechnik im Bereich der Kriminalitätsbrennpunkte an. Die Stadt Heidelberg stellt hierfür Kameras zur Verfügung. Die Stadt wolle zudem ein “Beleuchtungskonzept Neckarwiese” erarbeiten. Ziel sei hier eine bessere Ausleuchtung der Neckarwiese in ausgewählten Teilbereichen, um das allgemeine Sicherheitsgefühl zu erhöhen und eine effektive Bestreifung zu ermöglichen.
Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg soll bei der Bekämpfung der Pkw-Aufbrüche mit dem Kriminaltechnischen Institut unterstützen und ermittlungsbegleitende Spurenauswertungen durchführen. Bei der Rauschgiftkriminalität wird das Landeskriminalamt das Polizeipräsidium Mannheim insbesondere im Bereich verdeckter Ermittlungen unterstützen. Bei der Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen unterstützt das Landeskriminalamt die Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen des Polizeipräsidiums Mannheim durch einen verstärkten Einsatz der Informationsfahrzeuge, die zur Beratung der Bürger vor Ort eingesetzt werden.
Insgesamt klingt das nach umfangreichen Maßnahmen und das sind auch solche – sie wurden nötig, weil sich die Sicherheitslage spürbar verschlechtert hat.
Sie wollen unsere Arbeit honorieren? Sie wollen einen unabhängig-kritischen Journalismus möglich machen? Dann zahlen Sie gerne per Selectyco oder via Paypal einen von Ihnen festgelegten Betrag. Besten Dank vorab! Jeder Überweiser erhält eine Rechnung – bitte beachten Sie, dass Sie bei Paypal-Beiträgen unter zwei Euro uns keinen Gefallen tun: Da legen wir wegen der Verwaltungskosten “gesetzlich” drauf – deswegen nehmen wir diese Zahlungen nicht an. Dann melden Sie sich lieber bei Selectyco an und zahlen für einzelne Artikel. Sie können auch gerne einen Rheinneckarblog-Plus-Pass mit mindestens 60 Euro bezahlen und erhalten dann pauschal Zugriff auf alle gebührenpflichtigen Artikel. Gleichzeitig sichern Sie uns notwendige Einnahmen. Besten Dank.