Rhein-Neckar/Berlin/Deutschland, 15. Februar 2018. (red/pro) Das Politmagazin „Politico“ hat am 13. Februar 2018 aus einem Brief zitiert, den die Minister Barbara Hendricks (SPD), Christian Schmidt (CSU) und Peter Altmaier (CDU) den den EU-Umweltkommissar Karmenu Vella gesendet haben sollen. Danach plane die geschäftsführende Bundesregierung Modellprojekte, „um den öffentlichen Nahverkehr gratis anzubieten“. Seitdem drehen alle durch.
Kommentar: Hardy Prothmann
Der Vorstoß von Umweltministerin Barbara Hendricks, Verkehrsminister Christian Schmidt und Kanzleramtschef Peter Altmaier beim EU-Umweltkommissar Karmenu Vella ist die größte politische Ente, die mir je untergekommen ist und sogar die blühenden Landschaften eines Helmut Kohl um Längen schlägt. Schoko-Weihnachtsmänner kann man schon im September kaufen – kommt das Sommerloch jetzt schon im Februar?
Seit drei Tagen „berichten“ und „kommentieren“ landauf, landab von den Leitmedien bis zu den „Heimatzeitungen“ alle möglichen Medien die „Gratis-Idee“ anstatt sie als das zu bezeichnen, was sie ist: Eine Kapitulationserklärung.
Der Grund für diesen in Briefform versendeten Utopismus ist eine drohende Klage der EU-Kommission gegen Deutschland – vertreten durch die noch geschäftsführende Bundesregierung – vor dem Europäischen Gerichtshof, weil in 70 Städten dicke Luft deutlich über den Grenzwerten herrscht. Unter anderem verursacht durch Dieselfahrzeuge einer kriminellen Autoherstellerindustrie, die die teuersten Lobbyisten bezahlen kann.
Wenn es einen letzten Grund gebraucht hat, diese Regierung vom Hof zu jagen, dann dieses Schreiben des galoppierenden Schwachsinns. Und alle Medien, die nicht sofort „Stopp“ gerufen haben, gleich hinterher.
Die scheinbar naheliegende Fragen: „Wer soll das bezahlen?“ und „Wie gratis wäre denn gratis?“ sind überhaupt nicht die naheliegendsten. Um diese Fragen könnte man sich dann kümmern, wenn man überhaupt auch nur ansatzweise wüsste, über was man redet.
„Der Verkehr“ ist eine der wesentlichsten Gesellschaftsfragen überhaupt und seit Jahrzehnten Thema. Sowohl als Individualverkehr wie als Öffentlicher Personennahverkehr und natürlich der Warenverkehr. Und seit vielen, vielen Jahren sind wesentliche Fragen nicht gelöst, sondern werden immer drängender, was jeder selbst erlebt, ob als Sardine in der Straßenbahn eingequetscht oder zu den Stoßzeiten in den Staus.
Hilfloser und unverantwortlicher als dieses Schreiben kann Politik nicht mehr reagieren – hilfloser und unverantwortlicher können Medien diesen ausgemachten Blödsinn nicht mehr transportieren. Was in den vergangenen drei Tagen abgelaufen ist, ist eine Bankrott-Erklärung der politischen Entscheider und der medialen Multiplikatoren.
Verkehrsprojekte sind Langzeitprojekte, die nicht nur Jahre, sondern teils Jahrzehnte bis zur Umsetzung dauern – allein schon wegen der Planungsprozesse. Wer zudem irgendwelche „Modell-Projekte“ vorschlägt, ohne dass die Modelle überhaupt davon wissen – noch nicht mal die „Koalitionspartner“ in ihrem Sondierungspapier – agiert auf schon fast gesellschaftskriminelle Art und Weise populistisch.
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Hier werden Ideenblasen aufgepumpt, die sich schon vom Hörensagen in Nichts auflösen müssen. Entsprechend wir die sowieso enttäuschte Öffentlichkeit sich erneut ordentlich veräppelt vorkommen müssen.
Die anderen Populisten, die sich am schon institutionalisierten Scheitern der „Etablierten“ nähren, werden weitere Kraft und Energie daraus saugen können: Sehet her – wollt Ihr wirklich von solchen Idioten regiert werden? Wollt Ihr weiter am Gängelband einer EU hängen, die uns quält, um anderen Geld zu geben?
Genau das wird die Folge dieses Nonsense sein, der jetzt tagelang Konjunktur hatte. Angestoßen durch Groko-Warteminister und angetrieben durch unverantwortliche Medien, die kurzfristig die Chance auf große Schlagzeilen erkannt haben, weil sonst nichts Interessantes über die Ticker reinkam.
Und nein – das ist kein Kommentar gegen neue Ideen, was den Verkehr und dessen sehr große Probleme angeht. Es ist nur ein Kommentar gegen Vereinfacher, Nebelgranatenwerfer und ein Mediensystem, das längst im Informationsverkehrsuperstauinfarkt steckt und extrem gesundheitsschädlich für die Gesellschaft ist.
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