Rhein-Neckar, 25. Mai 2018. (red/pro) Seit zwei Jahren gilt die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), seit heute ist sie scharf geschaltet. Unternehmen, Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Gewerbetreibende, Vereine, Behörden, Schulen – alle, die perslnenbezogene Daten verarbeiten sind betroffen und die meisten nicht sehr amüsiert.
Kommentar: Hardy Prothmann
„Verständnis äußert Sckerl auch für die von Vereinen oder kleinen und mittleren Unternehmen geäußerten Sorgen. Doch für die von interessierter Seite in den vergangenen Tagen geschürte Panik gebe es keinen Anlass. „Uns ist bewusst, dass die Einführung der neuen Regeln an einigen Stellen eine Umstellung bedeutet. Doch wer bisher den Datenschutz schon beachtet hat, wird auch in Zukunft keine Probleme haben. Die Landesverwaltung und alle nachgeordneten Dienststellen tun alles, um für die Betroffenen Beratungs- und Unterstützungsangebote bereitzustellen“. “
Das schreibt der Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl (Grüne, Wahlkreis Weinheim) als „datenschutzrechtlicher Sprecher“ seiner Fraktion: Am 24. Mai um 16:42 Uhr. Also kurz vor Feierabend am letzten Tag vor der neue Ära der DSGVO.
Warum, fragt man sich, hat es nicht in den vergangenen zwei Jahren eine ordentliche Informationskampagne gegeben – landesweit sind Ehrenamtliche in Vereinen verunsichert, weil viele, vielleicht sogar die meisten nicht wissen, was zu tun ist. Also dreht man den Spieß in bekannter Marnier um und redet von „geschürter Panik“, statt sich zur eigenen Unterlassung zu bekennen.
Denn es können empfindliche Strafen drohen und Unkenntnis schützt bekanntlich nicht vor Strafe. Für staatliche Stellen gilt das übrigens nicht – hier kann man nur bei unberechtigtem Umgang mit Personendaten auf Schadensersatz klagen, auf eigene Rechnung.
Haben Sie ein Schulkind? Gibt es in der Klasse eine Whatsapp-Gruppe? Sie sind im Elternbeirat und verwalten Daten von anderen Eltern und Kindern? Fälle für die DSGVO.
Arbeiten Sie in einem Verein mit, der noch nicht alle Maßnahmen getroffen hat und arbeiten Sie mit personenbezogenen Daten, ohne dass geklärt ist, ob Sie das dürfen? Ein Fall für die DSGVO.
Sie haben ein Unternehmen, ob klein oder groß und pflegen Kundendaten mit persönlichen Informationen? Ein Fall für die DSGVO.
Wir haben seit Montag über 200 emails erhalten, in denen wir mehrheitlich aufgefordert werden, zu bestätigen, dass wir weiter Informationen erhalten wollen.
Teils wird nur ein Hinweis zu gespeicherten Daten gegeben. Das ist, sofern man sich vorher schon korrekt um Datenschutz gekümmert hat, souverän. Wenn nicht, ist es mutig. Und alle, die sich nicht sicher sind, fordern deshalb eine erneute Einverständniserklärung.
Für uns bedeutet das wie für andere auch einen erheblichen bürokratischen Aufwand, der häufig auf Unsicherheit und Unkenntnis beruht. Wir wissen nicht, von wie vielen Stellen wir übers Jahr mehr oder weniger regelmäßig email erhalten – einige tausend sind es.
Wenn die jetzt alle eine Bestätigung wollen und sonst nichts mehr liefern, dann hat es DSGVO gemacht. Teils kommen sogar, von Gerichten, Formulare, die man handschriftlich ausfüllen und unterschreiben soll und dann ab in die Post oder aufs bei uns nicht mehr existente Fax. Hunderte oder Tausende Euro Porto- und Materialkosten, nur damit andere sich in Sicherheit bringen? War das so gedacht?
Der Zustand der DSVGO in Deutschland ist ein Armutszeugnis. Wie ich das behaupten kann? Ganz einfach, weil ich den Beleg dafür habe, als Gegenbeweis. Ab 25. Mai 2018 gilt nämlich auch ein neuer Rundfunkstaatsvertrag (unter den wir als „Telemedium“ auch fallen), indem ein „Medienprivileg“ festgelegt wird. Denn ohne diese Ausnahmeregelung wären ARD und ZDF und private Rundfunkanbieter von heute auf morgen handlungsunfähig geworden. Ratifiziert wurde der Vertrag durch alle Bundesländer.
Übersetzt: Es war sehr wohl möglich, die DSVO-Verordnung anzupassen. Das hat die Bundesregierung einfach unterlassen. Setzen! Sechs!
Die gleiche Note bekommen auch die Länder, die ihre Ehrenamtlichen in den Vereinen ebenso im Regen haben stehen lassen wie viele Behörden.
Richtig, man muss nicht allgemein in Panik verfallen, im konkreten Fall kann es aber existenzbedrohend werden, wenn sich Abmahnanwälte auf gewisse Ziele einschießen. Auch notorische Querulanten können jede Menge Ärger machen – ebenso wie Konkurrenten.
Das sind wir mal gespannt, ob das Land solchen Fällen mit Geld aus der Patsche hilft oder Herr Sckerl persönlich.
Der „politische Gegner“ hat ein Geschenk erhalten, denn die DSGVO hat das Potenzial, sehr viel Unmut zu erzeugen. Nicht, weil man gegen den Datenschutz wäre, sondern weil man feststellt, dass Datenkraken wie Facebook oder Google als amerikanische Unternehmen kaum betroffen sind, während man als Ehrenamtler oder Selbständiger mächtig viel Ärger am Hals hat oder gar um die Existenz fürchten muss.
Die teils panischen Reaktionen von professionellen Informationsverarbeitern, die uns die vergangenen Tage erreicht haben, zeigen, wie groß selbst dort die Unsicherheit ist. Was das erst für alle die bedeutet, die sich nicht ständig mit solchen Sachen beschäftigen, kann sich jeder selbst vorstellen.
Und es hat DSGVO gemacht – Ausgang offen.
P.S. Interessant ist auch für uns, wer alles unser Daten gespeichert hat, ohne dass wir jemals Kontakt hatten und uns nun automatisiert über den email-Verteiler anschreibt.
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