Rhein-Neckar, 07. Dezember 2017. (red/pro) Am Dienstag und Mittwoch war unser Angebot leider nur schwer und manchmal gar nicht zu erreichen. Wir hatten außergewöhnlich viele Zugriffe, vor allem auf den atmosphärischen Text über eine Gerichtsverhandlung am Landgericht Mannheim gegen eine Schlägerbande und deren „Fanbase“ (Ein Richter am Rande des Nervenzusammenbruchs). Das Serverproblem war sehr ärgerlich und wir bitten um Nachsicht, dass der Server am Ende der Kapazität war. Sehr erfreulich waren viele Zuwendungen durch Leser. Dieser Artikel ist lang und wenn Sie ihn bis zum Schluss lesen, garantieren wir Ihnen ein möglicherweise unerwartetes Ende.
Von Hardy Prothmann
Wir bitten die Umstände zu entschuldigen. Wir wollen natürlich für Sie erreichbar sein, aber hohe Lasten können immer mal auftreten. Wir werden in den kommenden Wochen auf einen stärken Server umziehen müssen. Sie erhalten in diesem Text Informationen zu technischen wie auch journalistischen Hintergründen.
Transparenz ist uns wichtig
Wie immer stellen wir Ihnen möglichst transparent unsere Arbeit vor. Als kleine Redaktion können wir kein eigenes Technikteam bezahlen. Wir mieten unser Angebot über istlokal.de – das ist unser technischer Dienstleister für die Programmierung unserer Seite, der sich auch um das Hosting und die Datensicherung kümmert. Die Istlokal Medienservice UG (haftungsbeschränkt) ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Peter Posztos (TegernseerStimme.de) und Hardy Prothmann (Rheinneckarblog.de) in Gmund am Tegernsee. Diese technische Dienstleistung bieten wir auch anderen Kunden an.
Die Idee für Istlokal stammt von Hardy Prothmann. Aus der Analyse heraus, dass neue regionale oder lokale Anbieter alle dieselben Herausforderungen haben: Sie benötigen eine gute Technik, sie liefern Journalismus, sie müssen den vermarkten und organisieren. Gemeinsam kann man sich Kosten teilen und die nötige Entwicklung vorantreiben. Dafür braucht es eine technische Umgebung, die neben der Darstellung der redaktionellen Inhalte auch die Möglichkeit von Werbevermarktung anbietet. Dafür nutzen wir ein speziell programmiertes WordPress.
Das hat lange gut funktioniert, funktioniert für die Kunden gut, kommt aber zunehmend an Grenzen beim RNB, sprich, massiv steigende Abrufzahlen mit teils sehr hohen Spitzen wie aktuell. Deswegen müssen wir überlegen, ob wir auf eine andere Programmierung umsteigen. Überlegen meint auch: Das ist mit erheblichen Investitionen verbunden und erfordert einiges an Planung.
Wir sagen DANKE!
In den vergangenen Tagen haben wir viele freiwillige Spenden erhalten, obwohl wir dazu gar nicht besonders geworben haben, sondern nur unsere Standard-Werbung für Paypal eingeblendet worden ist. In Summe sind seit dem 01. Dezember rund 700 Euro eingegangen, Einzelspenden zwischen 50 Cent und 300 Euro, viele davon im Bereich von 1-5 Euro. Das ist super und wir sagen ganz herzlich DANKE!
Insbesondere der Text „Ein Richter am Rande des Nervenzusammenbruchs“ hat geschätzt für zwei Drittel dieser aktuellen Spenden gesorgt. Übersetzt: Dieser Text hat rund 500 Euro eingespielt. Freiwillig bezahlt von Nutzern, die meinen, dass ihnen der Text und die angebotene Arbeit Geld wert ist.
Sind 500 Euro für einen Text viel Geld?
Wir setzen auch bei der Bezahlung von Journalismus auf Transparenz. 500 Euro für einen Text in dieser Güte ist gut bezahlt. Nicht sehr gut, aber gut. Der Autor Hardy Prothmann war dafür sechs Stunden vor Ort, rund eine halbe Stunde hin und zurück unterwegs, Schreibdauer mit weiteren Recherchen rund vier Stunden (nur Profis schreiben solch einen Text in vier Stunden).
Wenn Sie 500 Euro (brutto) durch 10,5 Stunden teilen, ergibt das einen Stundensatz von rund 50 Euro (brutto). Das liegt über dem, was der Deutsche Journalistenverband als „Mindesthonorar“ für freiberufliche, professionelle Journalisten empfiehlt (35 Euro).
Diese Kalkulation funktioniert aber nicht, weil wir bereits zuvor drei Gerichtstermine besetzt haben, ebenfalls mit ähnlichem Aufwand, aber nicht ansatzweise vergleichbaren Zuwendungen durch die Leserschaft. Würden wir das 1:1 umrechnen, vier Einsätze zu je rund zehn Stunden, also 40 Stunden bei einem Erlös von 500 Euro, kommen wir auf 12,50 Euro. Eine Putzfrau in München verdient mehr. (Nichts gegen Putzfrauen, die machen auch nen wichtigen Job, aber eben nicht mit einer Qualifikation eines Profi-Journalisten und die gesellschaftliche Relevanz beschränkt sich auf einen Haushalt.)
Dafür müssen wir mobil sein, über erhebliches Wissen verfügen und dieses ständig erweitern/anpassen. Und nicht zu vergessen: Wir werden auch aktiv durch Personen bedroht – riskieren also unsere Gesundheit. Meist ist das nicht der Fall, bei solchen speziellen Themen aber schon. Dazu müssen wir uns immer wieder teuer gegen juristische Angriffe verteidigen. (Dafür mussten wir seit 2010 rund 50.000 Euro aufwenden, obwohl wir eine Erfolgsquote von fast 95 Prozent haben.)
Rund zehn Prozent Umsatz über Geld von Leser/innen
500 Euro sind also gut bezahlt – für einen Text und wenn wir das ständig erreichen könnten. Das ist leider bislang nicht der Fall. Über unser Bezahlangebot und freiwillige Zahlungen kommen wir dieses Jahr auf gut zehn Prozent unserer Einnahmen. Wir wünschen uns hier mehr, denn das ist für uns eine wichtige Säule für die Finanzierung.
Zahlen Sie bitte weiter – selbst wenn dieser Text „überbezahlt“ wäre, das Geld kommt der Arbeit für andere Texte und Themen zugute.
2016 haben wir eine graue Null geschrieben, 2017 werden wir nach vielen harten Jahren erstmals einen bescheidenen Gewinn machen. Auch dank der zunehmenden Zahlungsbereitschaft der Leser/innen.
In diesem Text hatte ich angekündigt, dass wir es über Weihnachten drei Wochen lang ruhiger angehen lassen. Das heißt nicht, dass wir untätig sind. Neben vielen liegengebliebenen Aufgaben geht es auch in die Analyse, wie wir unser Angebot weiterentwickeln. Eine Erkenntnis ist grundsätzlich klar: Insbesondere unsere eigenen Texte werden herausragend gelesen und immer häufiger erhalten wir dafür auch Geld. Wie im aktuellen Fall – deutschlandweit von Rostock bis zum Bodensee haben Leser Geld gegeben und sich bedankt.
Wir arbeiten mit viel Vergnügen, aber nicht zum Vergnügen. Die Arbeit muss bezahlt werden, weil ich und meine Leute Leistung bringen und davon leben müssen, ihr Studium finanzieren oder was extra verdienen.
2018 werden wir unser Angebot anpassen
Im Ergebnis werden wir unser Angebot anpassen – auf unsere Stärken hin: Noch mehr Reportagen, Porträts, Hintergrundberichterstattung, Analysen und starke Meinungsbeiträge. Dafür versuchen wir auch zunehmend Autoren überall in Deutschland zu gewinnen, die aber trotzdem regionale Themen bearbeiten. Das geht sehr gut, wie dieser starke Text von Petra Sorge zum Thema Terrorismus beispielsweise zeigt. Wir haben die Kollegin gebrieft, sie hat von aus Berlin recherchiert und geschrieben, wir haben redaktionell überarbeitet. Herausgekommen ist ein starkes Hintergrundstück. (Liebe Kollegen, wer mitarbeiten will und Aufträge sucht: chefredaktion(at)rheinneckarblog.de).
Gleichzeitig wollen wir weiter aktuell berichten – aber dabei werden wir uns konzentrieren. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, auch „kleine“ Lokalgeschichten haben wollen – die machen fast denselben Aufwand. Wir müssen vor Ort, wir verbringen dort Zeit, wir nehmen auch hier unsere Arbeit mit Menschen wichtig, recherchieren, checken Fakten, ordnen ein. Der Aufwand ist also ähnlich, aber die Aufmerksamkeit nicht. Sehr lokale Themen erreichen naturgemäß weniger Leser/innen. Das müssen wir gegeneinander abwägen.
Am Dienstag und Mittwoch sind bei uns fast keine neuen Texte erschienen – wir kamen schlichtweg nicht ins „Backend“, also die Maske, in der wir Artikel anlegen. Gleichzeitig sind wir an mehreren komplexen Recherchen dran, die uns extrem fordern.
Starke regionale Themen
Natürlich achten wir darauf, dass unsere Themen regional sind – auch, weil unsere Werbekunden vor allem Menschen in der Region ansprechen wollen. Das ist bei der Gerichtsreportage erfüllt. Zwar kamen gut 50 Prozent der Zugriffe aus ganz Deutschland und sogar weltweit bis China, Australien, USA und Südamerika (das sehen wir über Google Analytics), aber eben die andere Hälfte aus dem Großraum Metropolregion Rhein-Neckar. Mit über 50.000 Aufrufen in zwei Tagen hat dieser eine Text schon fast soviel Aufrufe wie sonst rund 70 Texte in einer Woche zusammen.
Starke Texte ziehen auch immer Aufmerksamkeit für andere Texte nach. Im kommenden Jahr werden wir versuchen, über unsere Bestandskunden und neue Kunden auch bezahlte Unternehmensnachrichten zu vermarkten. Das sind klar PR-Texte, die ins redaktionelle Umfeld gemischt werden – natürlich eindeutig erkennbar. Wir legen im Gegensatz zu anderen Medien sehr viel Wert auf eine klare Trennung von Redaktion und „Werbung“. Unternehmensnachrichten sind interessengesteuert, enthalten aber trotzdem wichtige Informationen und wir hoffen, dass wir Kunden wie Leser dafür interessieren können. Wir halten es für absolut in Ordnung, wenn Unternehmen sich selbst darstellen – es muss nur immer klar sein, wer die Quelle ist.
Nachrichten gibt es überall – umsonst?
Klar. Im Internet gibt es viele Informationen umsonst. Aber eingeordnet? Dafür braucht es guten Journalismus. Den bieten wir an. Und das können wir nur leisten, wenn dafür auch gezahlt wird. Wir gehen für Sie dahin, wo es weh tut. Wir recherchieren für Sie Hintergründe, die Sie sonst nicht erfahren würden. Wir erzählen Ihnen Geschichten mit Leidenschaft auf der Basis von solidem journalistischem Handwerk, das man über Jahre erlernen muss. Wir schreiben nicht einfach Texte – wir liefern Ihnen Fakten und ordnen diese ein, wie Sie das sonst nirgends finden.
Nochmals an die vielen, die über Paypal gezahlt haben und dabei auch Nachrichten an uns gesendet haben: „Super Text“, „Klasse Artikel“, „Kommen Sie nach xy, Sie werden hier gebraucht“, „Endlich mal auf den Punkt“, „Ich zahle gerne für herausragenden Journalismus“ – wow, dieser Zuspruch tut so richtig gut. Insbesondere in Zeiten, in denen man sich Gedanken macht, ob Journalismus überhaupt noch gewollt und gebraucht wird.
Natürlich wird Journalismus gebraucht – ohne kritischen Journalismus gibt es keine funktionierende, demokratische Gesellschaft. Die Zahlungen und der Zuspruch zeigen: Journalismus wird gewollt.
Ein persönliches „Wort zum Sonntag“
Persönlich ist mir wichtig, zum Text „Ein Richter am Rande des Nervenzusammenbruchs“ noch ein Wort zu verlieren (ok, das ist jetzt geschwindelt, es werden viele Worte). Es handelt sich um ein klassisches Stück Journalismus: Ich zeige hier einen extremen Missstand auf – einen weitgehend asozialen Mob, der denkt, er könne sich über den Rechtsstaat, die Basis unseres Zusammenlebens hinwegsetzen. Das finde ich empörend und das muss beendet werden.
Vermutlich haben die meisten im Zuschauerraum einen deutschen Pass. Die meisten haben einen Migrationshintergrund. Es sind aber auch „Biodeutsche“ darunter, dazu Menschen mit osteuropäischen Wurzeln. In diesem speziellen „Einzelfall“ wird der Staat, repräsentiert durch einen unabhängigen deutschen Richter und seine Beisitzer, an den Rand der Verzweiflung gebracht. Das geht nicht, das muss unterbunden und notfalls sanktioniert werden.
Die Angeklagten haben allesamt einen Migrationshintergrund, zwei haben einen deutschen Pass, zwei einen türkischen, einer ist staatenlos (jordanisch/algerischer Hintergrund). Ihr Opfer ist ein Mann mit türkischer Herkunft (hier wissen wir nicht, ob mit deutschem oder türkischem Pass), der eine junge deutsche Frau zu verteidigen versuchte und dafür zusammengeschlagen worden ist.
Es geht in diesem Prozess nicht um die Verurteilung einer Herkunft, sondern um die Feststellung, wer welches strafbare Verhalten begangen hat. Justizia ist blind und soll es bleiben. Sechs junge Männer sind angeklagt. In wechselhafter Täterschaft für einen Raub und eine Körperverletzung in einer S-Bahn und eine schwere Körperverletzung in einer Straßenbahn, also drei Tatkomplexe.
Für die Kammer unter Vorsitz des Richters Dr. Joachim Bock ist das keine einfache Aufgabe, nach rechtsstaatlichen Prinzipien die individuelle Schuld festzustellen. Die Richter dürfen sich nicht durch andere, in diesem Fall das „Publikum“ beeinflussen und dessen negative Ausstrahlung, dessen Verachtung und freundlich gesagt „Herausforderung“ in ein unabhängiges Urteil zu konkreten Taten einfließen lassen. Das ist eine schwere Aufgabe. Ich gehe davon aus, dass dies gelingt. Insbesondere, weil der Vorsitzende Richter Dr. Bock zwar erheblich herausgefordert wird, nach meinen professionellen Eindruck aber über eine vorbildliche rechtsstaatliche Haltung verfügt. Ich gehe davon aus, dass er sich nicht beirren lassen wird. Dass er das Verhalten des Mobs unsäglich findet, hat er zu Recht deutlich gemacht.
Dieser Prozess hat über den konkreten Verhandlungsinhalt hinaus aber eine absolute politische Dimension. Eine aggressive Gruppe von asozialen Gestalten versucht hemmungslos, dem Rechtsstaat seine Verachtung zu „verdeutlichen“. Der Rechtsstaat muss dieser Gruppe, notfalls mit staatlicher Gewalt deutlich machen, dass man sich davon nicht beeindrucken lässt.
Dieses Pack, das den Rechtsstaat herausfordert, steht aber nicht sinnbildlich für Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Es zeigt nur, dass ein kleiner Teil für maximale Probleme sorgt, damit viele andere gefährdet, weil pauschal Vorurteile geschürt werden könnten und wahrscheinlich auch geschürt werden.
Ich würde mir wünschen, dass Menschen mit deutschem und ausländischem Hintergrund, die unseren Staat, unsere Gemeinschaft achten und wertschätzen, diesen auch verteidigen. Das ginge ganz einfach: Sie könnten die Plätze im Zuschauerraum besetzen und dem Pack den Platz wegnehmen. Wenn der Saal voll ist, ist der Saal voll. Sie könnten den Prozess aufmerksam verfolgen und viel darüber lernen, was bei gewissen Heranwachsenden schief läuft.
Sie könnten mit diesen Eindrücken nach Hause gehen und neu nachdenken. Multikulti ist kein Wert an sich. Ein Wert, mit dem wir alle, egal woher, leben können, ist das Bekenntnis zu einer Wertegemeinschaft. Dem Bekenntnis zum Rechtsstaat, zum friedlichen Miteinander, zur Ablehnung und Ächtung von Gewalt. Dem Bekenntnis zu Achtung und Respekt vor dem Gegenüber und zur Verachtung von Asozialen. Dem Bekenntnis zu ehrenhaftem Verhalten, das sich in Freundlichkeit und Hinwendung äußert. Dem Bekenntnis zu einer offenen Gesellschaft, die Chancen ermöglicht, vor allem durch Bildung.
Ich darf ja noch träumen.
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