Mannheim, 07. Dezember 2017. (red/pro) Die CDU-Fraktion hatte eine Sondersitzung des Mannheimer Gemeinderats zum Thema Finanzierung der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) beantragt. Diese außerordentliche Sitzung fand am vergangenen Dienstag statt – als politische Show-Nummer ohne Mehrwert. Insbesondere die CDU, die Mannheimer Liste auf der einen Seite und SPD wie Grüne auf der anderen Seite versuchten sich zu beharken, um am Ende fraktionsübergreifend mal eben so außerplanmäßige 58 Millionen Euro für das UMM inhaltlich kritiklos frei zu geben.
Kommentar: Hardy Prothmann
Wir dokumentieren den Ablauf in voller Breite:
Das gab es bisher noch nie. Die CDU-Gemeinderatsfraktion beantragt eine Sondersitzung des Gemeinderates. Einziger Tagesordnungspunkt: die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung im Klinikum und die Auswirkungen auf den städtischen Haushalt. Gemäß Geschäftsordnung des Gemeinderates der Stadt Mannheim ist eine Gemeinderatssitzung unverzüglich einzuberufen, wenn 1/4 der Stadträte eine solche Sitzung beantragt. Die CDU-Fraktion mit ihren 13 Mitgliedern erfüllt dieses Quorum. Damit muss die Sitzung stattfinden. „Wir sind sehr besorgt um die Zukunft des Klinikums. Seit Jahren haben wir im Aufsichtsrat vor dieser wirtschaftlichen Entwicklung des Klinikums gewarnt. Sowohl die wirtschaftliche als auch die strukturelle Ausrichtung des Hauses haben wir seit Jahren in der Sache kritisiert und Entscheidungen im Aufsichtsrat nicht mitgetragen. Auch personelle Entscheidungen bezogen auf die Geschäftsführung hielten wir für falsch und haben diese nicht mitgetragen. Wir haben das Haus seit Jahren auf einem Irrweg gesehen und dies immer sehr deutlich gesagt. Auch der damalige Rücktritt unserer Aufsichtsräte Wolfgang Pföhler und Dr. Jens Kirsch war unter diesen Gesichtspunkten zu sehen.
Wir sahen das Klinikum auf einem falschen Weg und nun sehen wir uns leider bestätigt. Das Klinikum droht zu kentern, wenn wir jetzt nicht strukturelle Veränderungen vornehmen. Wir müssen verhindern, dass sich das Klinikum zur zweiten Sparkasse entwickelt. Wenn das überhaupt noch zu verhindern ist“, so der Fraktionsvorsitzende der CDU im Mannheimer Gemeinderat Claudius Kranz. „Wir stehen uneingeschränkt zu unserem Klinikum und zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ein Verkauf kommt für uns nicht in Frage. Wir haben auch den Beschluss mitgetragen, als Stadt eine Bürgschaft fürs Klinikum und die notwendigen Fremdfinanzierungen zu geben. Noch auf unsere Rückfrage im Hauptausschuss im September, ob das Klinikum Liquiditätsengpässe hätte und noch im Jahr 2017 Liquiditätszuschüsse bräuchte, wurde dies durch die Geschäftsführung verneint. Nun widerlegte der Oberbürgermeister diese Aussage am Rande der letzten Gemeinderatssitzung. Wir sind sehr irritiert auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung des UMM und machen uns große Sorgen um die Zukunft des Klinikums. Deshalb fordern wir jetzt vollumfassende Transparenz gegenüber dem Gemeinderat ein. Wir sind nicht bereit, Gelder in den Doppelhaushalt oder die mittelfristige Finanzplanung einzustellen, wenn wir jetzt nicht endlich Ross und Reiter benennen, strukturelle Veränderungen im Klinikum vornehmen und endlich auch jemand Verantwortung für die wirtschaftliche Fehlentwicklung übernimmt. Schließlich geht es hier um Steuergelder in 8-stelliger Höhe und wir können den Bürgern nicht vermitteln, dass alles im Lot sei, wenn gar nichts im Lot ist“, so Fraktionschef Claudius Kranz abschließend.
Das war die Pressemitteilung der CDU-Fraktion im Gemeinderat Mannheim zur Begründung der beantragten Sondersitzung.
Das große Nichts
Der große Schlagabtausch fiel indes in der von der CDU-Fraktion beantragten Sondersitzung vollumfänglich aus. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Claudius Kranz wünschte sich künftig mehr Transparenz und zeigte sich bereit, die neu genannten 58 Millionen Euro zur Finanzierung der UMM zu genehmigen. Der Hardliner forderte:
Eine weitergehende Entwicklung kann in der Zukunft allerdings nicht fortgesetzt werden.
Ross und Reiter nennen? Strukturelle Veränderungen? Jemanden zur Verantwortung ziehen? Für eine Fehlentwicklung? Konkrete Fragen?
Nichts davon hat die CDU, flankiert von der Mannheimer Liste in dieser „Sondersitzung“ auch nur ansatzweise erreicht.
Man kann die Vorstellung auch als Totalausfall bezeichnen. Heiße Luft und nichts dahinter. Unter anderen Vorzeichen würde die CDU das als sinnloses Bespaßungsprogramm bezeichnen. Also, wenn es um Gelder für gruppentherapeutische Sitzungen im Sozialhilfebereich ginge.
Man hörte sich fünf Vorträge an. Angefangen vom Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD), über die UMM-Geschäftsführer Dr. Jörg Blattmann und Prof. Dr. Frederik Wenz, den Betriebsratsvorsitzenden Ralf Heller und Erläuterungen vom Ersten Bürgermeister Christian Specht (CDU).
Das inhaltliche Schweigen von CDU und ML war geradezu gespenstisch.
Es folgt politische Geplänkel (berichten wir nach).
Und sonst?
Nichts.
Es gab keine nennenswerten Fragen, keine nennenswerten Fakten, keine nennenswerte Aufklärung. Das einzig nennenswerte ist eine enorme Zeitverschwendung.
Beantragt durch die CDU-Fraktion im Gemeinderat Mannheim.
Ich habe selten so eine politische Farce erlebt.
Darüber dürfen sich andere Fraktionen erstmal freuen. CDU-Antrag, Farce, haha.
Bis wir weitere Berichte veröffentlichen und die anderen Fraktionen fragen, in welcher Weise sie verantwortlich sind. Da könnte einigen das Lachen vergehen. Insbesondere dann, wenn wir nach Verantwortung fragen.
Mal eben so 143 Millionen Euro in zwei Jahren
Als Mannheimer Bürger reibe ich mir die Augen: Im Handstreich wurden mal eben zusätzliche 58 Millionen Euro „vorab genehmigt“. Zusätzlich zu 20 Millionen Euro, über die auch nie wirklich diskutiert worden ist. Zusätzlich zu 65 Millionen Euro Bürgschaft, die einfach durchgewunken worden sind. Macht in Summe 143 Millionen Euro ohne konkrete Nachfragen.
Es gibt kein Medium in der Region, das aktiv diese „Zuwendung“ durch Recherche kritisch hinterfragt, bis auf das Rheinneckarblog (siehe „Ausgabenexplosion beim UMM„). Wir haben erheblich zur Sache recherchiert. Am Montag gab es ein „Hintergrundgespräch“, bei dem wir zu 90 Prozent die Fragen stellten und teils klare, teils sehr ausweichende Antworten erhalten haben. Inhaltlich überzeugend war dieses Gespräch eher nicht.
Wir berichten dann, wenn wir mit den Recherchen fertig sind und nicht, um das Thema auf der Wochenagenda abzuhaken.
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Bleiben Sie dran – wir tun das auch.
Kämmerer im Karnevalsmodus
Noch ein Wort: Geradezu sensationell ist die Aussage des Kämmerers Specht, dass der Haushalt der Stadt Mannheim nicht belastet werde. Da frage ich mich echt, ob der Finanzbürgermeister noch ernst zu nehmen oder bereits vollends im Karnevalsmodus ist. 58 Millionen Euro, die aus vorhandenen Steuergeldern finanziert werden, sind natürlich keine Belastung des Haushalts. Aber 58 Millionen Euro könnten auch für Schulen, Straßen und andere dringende Projekte eingesetzt werden. Der Haushalt wird nicht mit Schulden belastet. Richtig. Aber dem Haushalt wird in enormer Höhe einfach so in einem Parforceritt Geld entzogen, das andere dringend brauchen könnten.
Vielleicht verstehe ich das alles nicht so richtig. Vermutlich bin ich blöd. Dummer Journalist halt. Das belastet mich jetzt, weil ich das einfach nicht verstehe und mir niemand erklärt, warum ich so ganz falsch liege.
Vielleicht legt die Stadt ja demnächst ein Sozialprogramm für gescheiterte Journalisten auf. Ich hab das vermutlich nötig. Denn ich kapier die Welt nicht mehr… Die CDU-Fraktion hat sich als Löwe gegeben. Das hat mich so beeindruckt. Diese Kraft. Diese Stärke. Wow. Am Ende musste ich die Sitzung mit einem Kuscheltier Kranz auf dem Arm verlassen. Klingt absurd? Nein, der Claudius Kranz ist echt ein netter Mensch und ein knuffiger Typ. Ich mag den gerne. Irgendwie ist der voll süß.
Auch sein Kollege Steffen Ratzel. Der tut immer nur so herrisch. Der ist eigentlich auch tief in seinem Herzen ein Harmoniker. Ich weiß das, weil er mir zugezwinkert hat in der Sondersitzung. Motto: Freu Dich auf die Show. Ich fand sie leider eher langweilig. Tatsächlich habe ich mich eher geärgert. Wenn ich Bock auf Armenspeisung habe, gehe ich zur Tafel. An einen Gemeinderat habe ich andere Erwartungen.
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