Mannheim/Weinheim/Rhein-Neckar, 16. November 2017. (red/pro/pm) Sechs junge Männer sind angeklagt, im Februar und März 2017 in wechselnder Tatbeteiligung an einer Körperverletzung, einem Raub und einer schweren Körperverletzung beteiligt gewesen zu sein. Der Prozess vor der 7. Strafkammer des Landgerichts Mannheim (Jugendstrafgericht) begann am vergangenen Freitag, dem 09. November. Insgesamt sind 15 Verhandlungstage angesetzt. Die Urteile sollen am 30. Januar 2018 verkündet werden.
Tatort S-Bahn
Den Angeklagten Furkan D., Jermaine L., Özcan K. und Eyyüpcan P. wird zur Last gelegt, sie seien am 11. Februar 2017 – die Angeklagten Furkan D., Jermaine L., Özcan K. jeweils 18 Jahre alt, der Angeklagte Eyyüpcan P. 17 Jahre alt – kurz vor 01.00 Uhr in Heidelberg in die S-Bahn nach Mannheim gestiegen. Im Verlauf der Fahrt sollen sie laut Landgericht Mannheim folgende Taten begangen worden sein:
Die Angeklagten Furkan D. und Eyyüpcan P. sollen L. B., mit dem es bereits vor der Fahrt zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen sei, im Verlauf der Fahrt wiederholt angegriffen und ihm u.a. Schläge ins Gesicht versetzt haben. Der Angeklagte Furkan D. soll die Bekannten des L. B. davon abgehalten haben, diesem zu helfen.
Der Angeklagte Eyyüpcan P. soll einem Bekannten des L. B., der diesem zu Hilfe habe kommen wollen, mehrere Ohrfeigen versetzt haben. L. B. soll schließlich die S-Bahn in Seckenheim mit Bekannten verlassen haben.
In der S-Bahn seien zwei Bekannte des L. B., nämlich M. Ko. und M. Ka. verblieben. Die Angeklagten Furkan D., Özcan K. und Eyyüpcan P. sollen anschließend in der irrtümlichen Annahme, M. Ka. führe Amphetamin mit sich, den Entschluss gefasst haben, diesem das Amphetamin sowie mitgeführte Wertgegenstände abzunehmen. Im Verlauf des Geschehens soll M. Ka. in die Zugtoilette gedrängt worden sein. Der Angeklagte Furkan D. soll den Begleiter des M. Ka. von einem Eingreifen abgehalten haben. Bereits vor der Toilette soll M. Ka. ein Smartphone entwendet worden sein. In der Toilette soll der zwischenzeitlich hinzugekommene Angeklagte Jermaine L. dem M. Ka. eine E-Sisha entwendet haben.
Tatort OEG
Den Angeklagten Furkan D., Jermaine L., Taufik M., Filmon N. und Eyyüpcan P. wird zur Last gelegt, sie hätten am 11. März 2017 – die Angeklagten Furkan D., Jermaine L., Taufik M. jeweils 18 Jahre alt, die Angeklagten Filmon N. und Eyyüpcan P. jeweils 17 Jahre alt – gegen 21.30 Uhr in einer Straßenbahn der RNV-Linie 5 von Mannheim nach Weinheim befunden.
Der Angeklagte Jermaine L. soll eine jüngere Frau, die kurz zuvor am Rhein-Neckar-Zentrum eingestiegen sei, grundlos beleidigt haben. Der in der Nähe sitzende Nebenkläger soll den Angeklagten Jermaine L. aufgefordert haben, die Frau in Ruhe zu lassen. Der Angeklagte Jermaine L. habe den Nebenkläger daraufhin einen Faustschlag ins Gesicht verpasst.
Anschließend sollen die Angeklagten Furkan D., Jermaine L.,Taufik M., Filmon N. und Eyyüpcan P. den Nebenkläger gemeinschaftlich angegriffen und ihn mit Schlägen und Tritten verletzt haben, wobei der Nebenkläger während der Tatausführung zu Boden gegangen sei.
Die Angeklagten sollen von dem Nebenkläger abgelassen und die Straßenbahn fluchtartig verlassen haben, als eine unbekannte Person gerufen habe, dass die Polizei komme. Der Nebenkläger soll durch die Tathandlungen einen Bruch des Nasenbeins, den Bruch von zwei Rippen sowie zahlreiche Prellungen und Schürfwunden davongetragen haben.
Die Angeklagten Furkan D. und Jermaine L. wurden am 29. März dem Haftrichter vorgeführt, der Angeklagte Faufik M. konnte erst am 05. Mai verhaftet werden und befindet sich seit dem 06. Mai ebenfalls in Untersuchungshaft.
Drei der Beschuldigten sitzen nach unseren Informationen in den Justizvollzugsanstalten Freiburg, Stuttgart und Karlsruhe ein, Jermaine L. in der Jugendvollzugsanstalt Adelsheim. Der Angeklagte Eyyüpcan P. ist seit Anfang September wegen einer anderen mutmaßlichen Straftat in Untersuchungshaft.
-Anzeige- |
Versuchter Totschlag oder „nur“ gefährliche Körperverletzung?
Zu Prozessbeginn beantragte der Angeklagte Taufik M., der sich als staatenlos bezeichnet, die Aussetzung des Verfahrens. Der Grund: Die Besetzung der Kammer sei ihm zu spät mitgeteilt worden. Der Angeklagte hat zunächst dem ersten zugeteilten Pflichtverteidiger das Vertrauen entzogen, doch mit dem von ihm gewünschten Strafverteidiger Thorsten Schulte-Günne aus Freiburg hat er nach ersten Gesprächen diese auch so gut wie eingestellt.
Der Vorsitzende Richter Dr. Joachim Bock hatte am Montag die Ablehnung des Gesuchs verlesen. Taufik M. soll an die 100 Briefe aus der Haft ans Gericht und andere geschrieben haben. Er war erst neun Wochen vor der Tat nach einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe entlassen worden. Er gilt als intelligent.
Der Vertreter der Anklagebehörde, Oberstaatsanwalt Frank Höhn, hat bezüglich zwei der Angeklagten Anklage wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung erhoben. Die Kammer hat das Verfahren bezüglich dieser Angeklagten jedoch nur hinsichtlich gefährlicher Körperverletzung eröffnet (§207 Absatz 2 StPO), teilt die Staatsanwaltschaft Mannheim auf Anfrage mit.
Gemäß § 243 Absatz 3 StPO trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluss zugrunde liegenden rechtlich Würdigung vor. Das heißt, bei Verlesung der Anklageschrift wurde entgegen der ursprünglichen Anklage bei zwei der Angeklagten nicht „versuchter Totschlag“ sondern nur „gefährliche Körperverletzung“ verlesen.
Gemäß § 243 Abs. 3 Satz 4 StPO hat die Staatsanwaltschaft aber ihre abweichende Rechtsauffassung geäußert und mitgeteilt, dass sie bei diesen zwei Angeklagten nach wie vor einen hinreichenden Tatverdacht auch für einen versuchten Totschlag gegeben sieht. Nach der Auffassung der Redaktion handelt es sich dabei um Furkan D. und Jermaine L., da diese beiden Tritte gegen den Kopf des Geschädigten Mehmet E. ausgeführt hatten, was beide auch zugeben.
Insgesamt gab es zunächst elf Beschuldigte betreffend das Geschehen in der Bahn: Gegen fünf wurde im Zusammenhang mit dem Geschehen in der Bahn letztlich Anklage erhoben. Bezüglich fünf Beschuldigten wurde das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Ein Verfahren gegen einen Beschuldigten ist laut Staatsanwaltschaft Mannheim noch anhängig; hier wartet die StA die Erkenntnisse aus der derzeit laufenden Hauptverhandlung ab.
Die Angeklagten
Alle sechs Angeklagte sind Migranten. Zwei haben den deutschen Pass (Jermaine L., Eyyüpcan P.), zwei den türkischen (Furkan D,Özcan K.), einer stammt aus Eritrea (Filmon N.) und einer gibt an, staatenlos zu sein, Taufik M. (vom Erscheinungsbild Nordafrikaner, vermutlich Marokkaner).
-Anzeige- |
Alle Angeklagten eint, dass sie trotz des jugendlichen Alters teils lange Vorstrafenregister haben. Zum Prozessbeginn wurde auf die Lebenswege eingegangen. Auch hier ähneln sich die Angeklagten: Schwierige familiäre Verhältnisse, Drogen und Alkohol, Probleme in der Schule, keine Ausbildung und keine Arbeit.
Die Blicke der Angeklagten sind genervt bis kaltblütig. Alle sind schmal gebaut, wirken eher „bubihaft“, wären da nicht die aggressiven Auffälligkeiten, die man in den Gesichtern und der Körperhaltung ablesen kann.
Insbesondere für Taufik M. steht viel auf dem Spiel. Sollte ihm eine wesentliche Rolle als Schläger nachgewiesen werden können, wird er wieder sehr lange weggesperrt werden.
Den Prozess verfolgt eine multikulturell gemischte Gruppe aus „Freunden“ im Zuschauerraum – Deutsche, Türken, Araber, Russen, Arfrikaner. Viel der jungen Frauen sind eher „billig“ gekleidet, die jungen Männer signalisieren mit Kleidung, Haarschnitt und Auftreten, was man von ihnen zu halten hat. Jeder von ihnen könnte auch auf der Anklagebank sitzen und viele werden das vermutlich im Laufe der Zukunft noch erleben, falls es nicht schon einschlägige Erfahrungen gibt.
Hinweis: Sie haben diesen Artikel frei zugänglich gelesen und damit unsere Leistung in Anspruch genommen. Sie wollen unsere Arbeit honorieren? Dann zahlen Sie gerne mit Selectyco durch Klick auf den Button oder via Paypal einen von Ihnen festgelegten Betrag.