Mannheim, 26. Februar 2015. (red/pro) Großeinsatz der Polizei. Nach ersten Informationen soll es eine Schießerei in der Innenstadt gegeben haben. Nach weiteren Informationen wurde tatsächlich geschossen, womit, ist unklar. Es gibt drei verletzte Personen, vermutlich alle durch Messer verletzt. Die Polizei riegelt mit einem Großaufgebot die “Tatorte” ab. Und dabei spielen sich Szenen ab, die man eigentlich für unmöglich halten sollte. Aber sie sind der “ganz normale Wahnsinn”.
Von Hardy Prothmann
Ich bekomme einen Leserhinweis – “Schießerei” in der Innenstadt. Zwei, drei “Checks”. Ok, irgendwas “Größeres” ist da. Ich fahre los – klar, wir sind ein aktuelles Medium – aber mal ehrlich? Ich hab auch mal Feierabend.
Am Marktplatz hat die Polizei abgesperrt. Blaulichter überall. Notarztwagen. Viele Polizisten, einige mit Maschinenpistolen. Und jede Menge Gaffer. “Hey Alda, wasn los?”, fragt mich einer. Ich sage: “Nix, siehste doch.” Die Antwort kommt sofort: “Willste Stress, Du Asi?”
Er hat keine Knarre, ich hab keine Knarre – aber wir könnten uns ja jeweils eine besorgen und “das mal klären”. So wie die, die heute Großalarm ausgelöst haben. Eine noch nicht bekannte Gruppe von vermutlich jungen Männern, die “eben mal was klären wollten”. Klar ist, es gab drei Verletzte und einer schwebt möglicherweise in Lebensgefahr.
(Aktualisierung, 27. Februar: Drei Verletzte durch Messerstiche, Mann nach Notoperation nicht mehr in Lebensgefahr, sechs Männer am Donnerstag festgenommen, fünf am Freitag wieder freigelassen, gegen einen erging Haftbefehl, weiteres Opfer mit Schussverletzung ermittelt.)
Warum, weshalb, wofür? Diese Fragen werden die Ermittlungsbehörden zu klären haben. Irgendwelche Idioten haben am Mittwochabend beschlossen, auf dem Mannheimer Marktplatz mal “High-Noon” zu spielen. Dabei wurde offenbar geschossen, vermutlich aber nur Gas geknallt. Aber es wurden Messer gezogen und es wurden drei Menschen verletzt.
Geht es asozialer? Ja. Und dummdreist noch dazu.
Ich stehe an der Polizeiabsperrung und fotografiere. Rede mit Beamten, frage nach einem Polizeisprecher. Vor mir steht ein Beamter, der eine Maschinenpistole umhängen hat. Überall Blaulicht, viele Polizisten. Die Situation wirkt nicht gefährlich, aber angespannt.
Plötzlich kommen zwei junge Frauen und ein junger Mann. Sie lachen und schlüpfen unter dem Absperrband durch: “Boah, wasn hier los”, sagt der junge Mann, der sich offenbar cool findet und die Brust reckt. Die jungen Frauen kichern, eine trägt eine Flasche vor sich, die drei wirken angetrunken.
“Gehen Sie bitte zurück”, sagt der Mann mit der Maschinenpistole. Die drei jungen Leute lachen und kichern und wollen weiterlaufen. Sofort sind weitere Beamte da: “Polizei, gehen Sie zurück hinter die Absperrung.” Die drei jungen Leute gaggern und prusten. Eine Polizistin sagt: “Das ist jetzt nicht mehr lustig – haben Sie mich verstanden? Polizeiabsperrung!”
Die drei gehen zurück. Die jungen Frauen haben sehr gepflegte Haare, garantiert Friseur, garantiert teuer. Die “Klamotten” sind schick: “Wir müssen aber da hinten zu einer Party”, sagt die eine. Sie guckt empört. Ehrlich empört. Der junge Mann sagt: “Ich bin ein freier Bürger. Das ist ein freies Land.”
“Hier ist eine Polizeiabsperrung”, sagt die Beamtin. “Jetzt müssen wir wohl echt außenrum laufen. So ein Scheiß”, sagt eine der jungen Frauen. “Scheiß Bullen”, sagt der junge Mann. Nicht wirklich laut – die Frauen können das hören, die “Bullen” eher nicht. Die Frauen lachen – der junge Mann ist so “cool”.
Sie gehen hinter das Absperrband. Und sie lachen laut, sehr laut. Verächtlich. Trinken aus der Flasche. Es ist gerade mal 23 Uhr. Das Lachen gilt “den Bullen”. Die drei wollen “den Bullen” zeigen, wie scheiße sie die finden, weil sie jetzt einen Umweg um das Quadrat machen müssen. Zur Party.
“Gibt’s doch nicht”, lallt die eine, die aussieht, als hätte sie in Betragen immer eine Eins bekommen. Die beiden anderen nicken. Alle lachen nochmal sehr laut und ich merke, dass sie lachen, damit “die Bullen” wissen sollen, dass sie über die Bullen lachen. Bullen sind aus Sicht der Partygänger vor allem eins – lächerlich.
Lesen Sie auch: Die Polizei – dein Freund und Helfer oder Dein Feind?
“Die Bullen”, das sind die, die ihnen gerade gesagt haben, dass die drei jungen Leute nicht einfach durch einen mutmaßlichen Tatort laufen dürfen. Das sind die, die gerade eine Grenze gezeigt haben, die offensichtlich war.
Das sind die Menschen, die mit Waffen und Schutzkleidung mitten in der Nacht in der Stadt stehen, weil sie für Sicherheit sorgen. Auch für die Partygänger, die zu selbstbesoffen sind, um das zu kapieren.
Die zwei jungen Frauen und der junge Mann gehen weiter, um den Block. Kurz davor dreht sich der junge Mann um, zeigt den Mittelfinger und brüllt: “Alles klar.”
Die Frauen lachen. Laut. Sehr laut.
Der junge Mann ist so cool.
Die Polizisten schauen auf die drei und bleiben auf ihren Posten.
Auch das ist Deutschland. Beschämend.
Gegenüber den Polizisten sage ich: “Das ist ja krass. Ich bin fassungslos.” Die Antwort:
Das? War easy. Krass geht anders.
Schätzen Sie diese Art von Artikeln? Die Transparenz? Die Analyse? Die Haltung?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und unterstützen Sie uns als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für unabhängigen, informativen, hintergründigen Journalismus. Der kostet Geld und ist ohne Geld nicht zu leisten. Wir arbeiten hochprofessionell mit hohen Standards, aber wir sind kein “Mainstream” – sondern ehrlich, kritisch, transparent und meinungsfreudig. Hier geht es zum Förderkreis.” Sie können auch per Paypal spenden. Wenn Sie eine Überweisung tätigen wollen, nutzen Sie das Förderkreis-Formular (erleichtert uns die Verwaltung). Dort können Sie einen Haken setzen, dass Sie nur überweisen wollen. Alle Spender erhalten eine Rechnung.