Mannheim/Heidelberg/Rhein-Neckar, 06. März 2015. (red/ms) Wie sicher ist die Metropolregion? Kann man sich in Mannheim noch auf die Straße trauen, ohne um sein Leben bangen zu müssen? Wie groß ist die Bedrohung wirklich? Das Polizeipräsidium Mannheim, das für Mannheim, Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis zuständig ist, hat heute die Kriminalitätsstatistik für 2014 vorgelegt – die Polizei kann Erfolge vermelden und die Polizeireform zeigt Wirkung.
Von Minh Schredle
„Die Trendwende ist geschafft“, sagt Polizeipräsident Thomas Köber gleich zu Beginn der Pressekonferenz und er wirkt sichtlich erleichtert, gute Ergebnisse vorstellen zu können. Nach den erschütternden Gewaltverbrechen, die sich in der jungen Vergangenheit im öffentlichen Raum abgespielt haben, ist die Grundstimmung insbesondere in der Mannheimer Bevölkerung angespannt.
Doch während die Emotionen aufbrausen und die Hysterie breite Wellen schlägt, könnten die Zahlen der Polizeistatistik der Aufregung ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen. Denn das Bild, das sich durch die objektiven Fakten ergibt, ist weit weniger bedrohlich als das subjektive Empfinden zeichnet.
Genereller Rückgang der Kriminalität
Während die Anzahl der registrierten Straftaten landesweit um 3,2 Prozent zugenommen hat, ist sie im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Mannheim um 1,5 Prozent gesunken. Im Präsidiumsbereich gab es mit 68.333 genau 1.086 Straftaten weniger als im Vorjahr. Gleichzeitig konnte die Aufklärungsquote um 0,4 Prozent verbessert werden und liegt damit jetzt bei 54,8 Prozent.
Doch diese Zahlen beziehen sich auf alle erfassten Straftaten, unabhängig davon, wie schwerwiegend sie sind. Ein Ladendiebstahl wird als ein Fall registriert, ebenso wie ein Mord. Wie sieht es bei den „echten Bedrohungen“ aus, den gesundheits- oder gar lebensgefährdenden?
Die Gewaltkriminalität ist um neun Prozent zurückgegangen. Damit wurde ein zehn-Jahres-Tief erreicht.Die Wahrscheinlichkeit für den Einzelnen hier in der Region zum Opfer einer Gewalttat zu werden ist sehr gering. Das betrifft nur zwei von 1.000 Personen,
sagt der Leiter der Kriminalpolizei, Siegfried Kollmar
Bei den schweren, beziehungsweise gefährlichen Körperverletzungen habe es im Jahr 2014 einen Rückgang um 11,3 Prozent gegeben.
Nur wenige Delikte mit tödlichem Ausgang
In der gesamten Metropolregion kam es 2014 zu drei Ermittlungen wegen Mordes, vierzehn wegen Totschlags und drei wegen fahrlässiger Tötungen – auf knapp eine Millionen Menschen. Und lange nicht alle dieser Verbechen mit Tötungsabsicht waren auch „erfolgreich“:
Von den 14 Totschlägen, die in der Statistik aufgeführt sind, endete nur einer auch tatsächlich tödlich. Bei allen anderen handelte es sich lediglich um Versuche.
Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung werden die Straßen zunehmend sicherer. Und das seit zehn Jahren kontinuierlich. Immer weniger Straftaten finden laut Statistik in der Öffentlichkeit statt.
Das Jahr 2015 könnte hier einen Ausreißer darstellen, wenn die Kapitalverbrechen weiterhin in einer ähnlichen Rate ausgeübt werden, wie in der jungen Vergangenheit. Dafür gebe es aber keinen Anhaltspunkt, sagt Polizeipräsident Köber. Die Schwerverbrechen seien allesamt voneinander unabhängig gewesen:
Solche grausamen Einzeltaten beschädigen das Sicherheitsgefühl natürlich massiv. Aber sie sind noch kein Grund, in Panik auszubrechen.
Bei der Messerstecherei und Schießerei am Marktplatz habe es sich um zwei zugereiste Gruppen aus Ludwigshafen und Frankfurt gehandelt. Der Tatverdächtige für den Raubmord in der Mittelstraße sei erst zwei Wochen in Mannheim gewesen und hätte eigentlich schon weiterreisen wollen.
Gegen solche Verbrechen kann man keine Präventionsarbeit leisten.
Die Bevölkerung habe allerdings einen Anspruch darauf, dass die Polizei angemessen reagiert. Und das tue man:
Wenn es ernst wird, fahren wir alles auf, was wir zu bieten haben. Und dann kriegen wir sie alle.
Und tatsächlich: Die Aufklärungsquote bei Verbrechen gegen Leib und Leben liegt bei 100 Prozent. Auch bei den Vorfällen in den vergangenen Wochen wurden innerhalb kürzester Zeit Tatverdächtige in Gewahrsam genommen.
Die Polizei – Freund oder Feind?
Während die Anzahl der Körperverletzungen insgesamt rückläufig ist, fällt auf, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte zunimmt. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre gab es hier einen Anstieg von fast 30 Prozent auf aktuell 182 Fälle. Dabei würde insbesondere unter Drogeneinfluss die Hemmschwelle rapide sinken. Herr Köber sagt:
Im vergangenen Jahr wurden viele Polizisten angegangen, fünf von ihnen mussten schwerverletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen.
Man merkt dem Polizeipräsidenten deutlich an, wie sehr ihn dieses Thema verärgert: Jeder Schlag gegen einen seiner Mitarbeiter ist ein Schlag gegen ihn und das, wofür er steht. Es sei für viele Polizisten eine enorme auch psychische Belastung, dass sie der Bevölkerung helfen wollen und dafür nur so wenig Anerkennung und Respekt entgegengebracht bekommen.
Köber setzt auf Verständigung
Wie Herr Köber immer wieder betont, will er die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der Bevölkerung verbessern:
Sicherheit kann nur als Netzwerk funktionieren.
Er setze deswegen auf einen regen Austeich zwischen Beamten und Bürgern. Er habe dafür viele Präventionsprojekte in die Wege geleitet. Insbesondere zu Diebstählen und Wohnungseinbrüchen gebe man der Bevölkerung gerne Tipps und Beratungen, wie man diesen Vergehen vorbeugen kann.
Einbrüche sind „im Trend“
Die Anzahl der Wohnungseinbrüche ist im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 Prozent gestiegen. „Damit können wir nicht zufrieden sein“, sagt Kripo-Chef Kollmar ganz eindeutig. Allerdings ist der Anstieg in der Metropolregion vergleichsweise gering. Einbrüche „liegen im Trend“: Landesweit hat sich die Kriminalität in diesem Bereich um über 19 Prozent erhöht.
Herr Kollmar sagt, dass die Ermittlungen gegen Anfang 2014 noch eher schleppend vorangegangen wären. Im August habe man dann eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) mit 40 Mitarbeiten eingerichtet, die sich ausschließlich auf Einbrüche spezialisiert. Seitdem seien zunehmend Erfolge zu verbuchen:
Jetzt sind wir soweit, dass wir den Trend stoppen können.
So wie Herr Kollmar das sagt, klingt es wie eine Mischung aus Versprechen und Kampfansage: „Die Banden, die hier in der Region aktiv sind, kommen ganz überwiegend von außerhalb. Wenn wir ihnen eine klare Breitseite zeigen, werden sie sich in Zukunft lieber zwei Mal überlegen, ob sie wirklich in unserem Gebiet zuschlagen wollen.“ Die Aufklärungsquote bei den Wohnungseinbrüchen ist 2014 von etwa 10,5 Prozent auf 17,5 Prozent angestiegen.
Schwerpunkt für die Zukunft: Sexualdelikte
Bei den Sexualdelikten habe es bei der Fallzahl kaum Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr gegeben, teilt Roswitha Götzmann, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit, mit. Im Jahr 2013 wurden im Präsidialbereich 518 Fälle registiert, 2014 waren es 517 Fälle.
Bedauerlich sei der Rückgang der Aufklärungsquote: Diese ist von 75,9 Prozent auf 67,1 Prozent gesunken. Es gab 272 Fälle von sexuellem Missbrauch, davon 120 an Kindern. Außerdem nehme die Gewaltbereitschaft bei Sexualdelikten zu. Dies seien Punkte, an denen man verstärkt arbeiten müsse, kündigte Frau Götzmann an.
Welche Gruppen werden kriminell?
Wenn man die Zahlen betrachtet, falle auf, dass vor allem Jungendliche und Heranwachsende im Vergleich zu ihrem Anteil an der Bevölkerung, überverhältnismäßig kriminell sind, sagt Herr Köber. Dies sei aber „schon immer so gewesen“. Und: Bei den Jugendlichen habe es einen Rückgang von etwa 27 Prozent gegeben.
„Da fange ich langsam an, optimistisch zu werden“, kommentierte Herr Köber. Das sei natürlich nicht allein der Verdienst der Polizei. Viel entscheidender wären die sozialen Rahmenbedingungen, wie etwa die sehr geringe Jugendarbeitslosigkeit und damit sinnvolle Beschäftigungen.
Es gebe auch viele Schulbesuche, bei denen die Polizei in Grundschulklassen geht und dort „vorbeugen“ will. „Manche Karrieren fangen früh an“, sagt Herr Köber: „Das wollen wir vermeiden.“ Bei den Schulbesuchen sei auch der Islamismus ein bedeutendes Thema. „Wir wollen hier schon bei den 12-14-Jährigen ansetzen, bevor das Thema vielleicht von anderen an die Kinder heran getragen wird.“
Bedrohung durch Ausländer?
Etwa 80 Prozent der Verbrechen in der Metropolregion, die von Rumänen ausgeübt werden, werden von Rumänen ausgeübt, die nicht in der Metropolregion leben. Bei den in Mannheim wohnhaften sei der Anteil an der Kriminalität im Vergleich zum Anteil an der Bevölkerung auf einem gleichen Level mit dem der deutschen Bevölkerung, sagt Herr Köber.
Bei Bulgaren sei die Kriminalität allerdings auffallend hoch. Laut Herrn Köber steht das vermutlich in einem Zusammenhang mit dem häufig geringen Bildungsstand dieser Bevölkerungsgruppe. Auch hier müsse man möglichst frühzeitig mit der Präventionsarbeit anfangen.
Die Kriminalität durch Flüchtlinge sei gering und meistens handle es sich um weniger schwerwiegende Delikte, wie Ladendiebstähle oder Schwarzfahren. Zu körperlicher Gewalt käme es „fast nie“.
Ist die Polizei überfordert?
Verschiedene Politiker forderten nach den Vorfällen der vergangenen Wochen eine erhöhte Polizeipräsenz und eine Personalaufstockung beim Kommunalen Ordungsdienst. Aber würden mehr Stellen beim KOD die Polizei überhaupt entlasten? Herr Köber sagt dazu:
Der KOD trägt nur wenig zur Verbrechensbekämpfung bei – aber das ist ja auch nicht seine Aufgabe.
Weitere Mitarbeiter bei der Polizei stünden dagegen „ganz oben auf der Wunschliste“. Doch dass es zu einer deutlichen Aufstockung der Stellen in Mannheim kommt, hält der Polizeipräsident für unwahrscheinlich. Ein wesentliches Ziel der Polizeireform sei es gewesen, die vorhandenen Kräfte zu konzentrieren, um so durch bessere Koordination mehr Schlagkraft erzeugen zu können. „Und das funktioniert ja auch ganz ordentlich,“ sagt Herr Köber.
Die Kriminalitätsstatistik 2014 ist die erste Kriminalitätsstatistik, seitdem die Polizeireform in Kraft getreten ist – und die Bilanz ist positiv. Natürlich ist es nach einem Jahr noch zu früh, belastbare Vergleichszahlen vorzulegen. Aber die erste Tendenz sieht vielversprechend aus.
„Die Investitionen zahlen sich aus“
Vor allem die ersten drei Monate nach der Umstellung seien anstrengend gewesen, sagt Herr Kollmar. „Da gingen viele Kapazitäten für strukturelle Veränderungen drauf. Es hat eine Weile gedauert, bis sich die Kollegen unter den teilweise stark veränderten Umständen eingearbeitet haben. Aber jetzt zahlen sich diese Investitionen aus.“
Viele Reviere in der Region hatten Sorgen geäußert, dass sie durch den Wegfall ihrer Kriminalaußenstellen zu leiden hätten. „Zum Glück haben sich diese Sorgen nicht bewahrheitet“, sagt Herr Kollmar. Insgesamt profitiere man deutlich von der Konzentration, die Kripo nun über fortschrittliche Technik verfüge, die jetzt immer dort eingesetzt werden kann, wo sie benötigt wird:
Wir sind noch professioneller.