Rhein-Neckar, 24. Dezember 2020. (red/pro) Weihnachten wird auch “besinnliche” Zeit genannt. Und Weihnachten hat natürlich – egal, ob man gläubiger Christ, nur an Weihnachten seine Christlichkeit wiederentdeckt oder keiner christlichen Kirche angehört, eine emotionale Zeit. Dazu passt Musik – in diesem Jahr nicht die alten Klassiker wie “Stille Nacht”, sondern aktuell “Jerusalema” des südafrikanischen Musikers Kgaogelo Moagi, Künstlername Master KG, zudem verschiedenste Gruppen von Menschen Tanzvideos aufnehmen. Dass dabei massiv gegen Corona-Auflagen verstoßen wird, fällt niemandem auf, denn es geht ja um das gute Gefühl für auserwählte Berufsgruppen.
Kommentar: Hardy Prothmann
“Dieser Tanz geht gerade um die Welt: Der Song “Jerusalema” und die dazugehörigen Bewegungen werden derzeit von Mitarbeitern aus Kliniken, Polizei, Feuerwehr, Supermärkten und Pflegeheimen vorgetragen. Auch das Personal des Universitätsklinikums Mannheim hat in seiner Freizeit die Choreographie einstudiert”, beginnt der Mannheimer Morgen einen Artikel.
Auch die Verantwortlichen werden benannt: “Als erstes angesteckt mit dem Jerusalema-Virus hat sich demnach Uwe Krause, Geschäftsführer der Klinik Management Dienstleistungen GmbH, die am Universitätsklinikum unter anderem für Essen, Sauberkeit und Logistik sorgt: „Wir wollen zeigen, dass an der UMM alle Mitarbeiter als ein großes Team für unsere Patienten zusammenarbeiten“, so Krause. „Und es haben Kolleginnen und Kollegen aus wirklich allen Berufsgruppen mitgemacht – auch die Geschäftsführung ist mit dabei.“ Die Organisation der Tanzszenen haben die Assistentin der Geschäftsführung, Doris Schulz, und die KMD-Mitarbeiterin Gülay Cagal betreut.”
Das Video wurde laut Mannheimer Morgen in der Freizeit der Mitarbeiter aufgenommen. Ein klarer Fall für Polizeipräsident Andreas Stenger, der von Amts wegen prüfen muss, ob hier nicht massiv gegen die geltenden Corona-Verordnungen verstoßen worden ist. Mal sind es ein halbes Dutzend Personen, in manchen Szenen mehrere Dutzend, die hüpfend zu “Jerusalema” tanzen, im Universitätsklinikum, auf dessen Dach, davor im öffentlichen Raum.
Während in Sachsen eine Skat-Runde von drei Personen durch die Polizei aufgelöst worden ist, ebenfalls ein soziales Handeln und gut für die Seele, aber nicht in Corona-Zeiten, prescht also das Universitätsklinikum vor und produziert ein Video, wobei ziemlich offensichtlich gegen geltende Corona-Bestimmungen verstoßen wird? “Gerade in der aktuell extrem stressigen Zeit versuchen die Mitarbeiter des Universitätsklinikums neben den langen Arbeitszeiten auch ein normales Leben zu führen”, bekräftigte Dirk Schuhmann von den UMM das Projekt”, berichtet der MM weiter.
Im Klartext: Ein Betrieb der Stadt Mannheim, als Ortspolizeibehörde zuständig für die Einhaltung der Landesverordnungen und der städtischen Allgemeinverfügungen, verstößt nicht nur willentlich gegen geltende Regeln, um ein Signal zu senden, dass “man auch ein normales Leben führt”. Und sowohl ein Geschäftsführer als auch der Sprecher der Klinik sind erkennbar stolz darauf, dass sie öffentliches Eigentum den Mitarbeitern in der Freizeit zur Verfügung stellen, um Musikvideos zu drehen und dabei klinikeigene Schutzkleidung zu verschwenden? Und sogar in den Klinikfluren zu tanzen – dort, wo kranke Menschen liegen?
Was soll so ein Signal bewirken? Was wäre, wenn sich ein Tanzverein, die das sicher auch hübscher hingekommen, “in der Freizeit” trifft, um ein solches Video aufzunehmen? Würde das in Ordnung gehen, weil es ja ein positives Signal setzen soll?
Konzerte sind verboten. Theateraufführungen sind verboten. Tanzveranstaltungen sind verboten. Die allermeisten Künstler und Kreative leiden darunter erheblich, sehr viele müssen um ihre Existenz bangen und am Universitätsklinikum Mannheim, wo man täglich infizierte Menschen pflegen und andere beim Sterben begleiten muss, kommt man tatsächlich auf eine solche vorbildliche Idee?
Weihnachten ist nicht nur eine besinnliche Zeit – teils verlieren offenbar einige Leute auf vollends den Verstand.
Der MM zeigt sich mal wieder von seiner besten Seite. Der Song geht eben nicht “gerade” um die Welt, sondern wurde 2019 aufgenommen und verbreitet sich bereits seit Sommer 2020, also gut ein halbes Jahr. In diesem Sommer gab es eine Querdenker-Demo in Mannheim – hier sind alle moralisch überlegenen Leute einer Meinung: alles Covidioten – bei der eine Teilnehmerin den Arm hob, um zu winken. Der MM mutmaßte einen “Hitlergruß” und Polizeipräsident Andreas Stenger bestätigte Ermittlungen des Staatsschutzes gegen die Dame. Die Staatsanwaltschaft Mannheim teilte später mit, dass der Verdacht sich auch nicht ansatzweise bestätigt habe. Eine Entschuldigung gegenüber der denuzierten Frau gab es weder vom MM noch von Herrn Stenger.
Man darf gespannt sein, ob die Polizei nun gegen die Mitwirkenden und Verantwortlichen der “Jerusalema-Challenge” am Universitätsklinikum Mannheim (UMM) ermittelt und es Bußgelder geben wird (das Beweismaterial ist über vier Minuten lang) oder ob eine emotionale Moral über den Gesetzen steht – das wäre sicher kein positives Signal für einen funktionierenden Rechtsstaat. Die Stadt Mannheim muss sich fragen lassen, welche Konsequenzen es für den Geschäftsführer Uwe Krause hat, eine solch fahrlässige Aktion zu verantworten.
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