Mannheim, 21. September 2018. (red/pro) Mit der Suggestivfrage “Ein bisschen Chemnitz in Mannheim-Schönau?” “berichtete” der SWR über Mannheim-Schönau und zeichnete ein Bild eines “rechten” Stadtteils. In einer ersten Faktenrecherche haben wir belegt, dass das Fakenews sind. Nun folgt die polizeiliche Einschätzung: An der “These” des SWR ist nichts dran. Hätte der Sender selbst recherchiert, hätte man das selbst in Erfahrung bringen können. Das Ergebnis unserer Recherche wird viele überraschen.
Von Hardy Prothmann
Die journalistische Sorgfaltspflicht gebietet eine ergebnisoffene Recherche und eine ordentliche Darstellung der erarbeiteten Informationen. Häufig steht vor einer Recherche eine These. Die könnte beim SWR so gelautet haben: “Wenn die AfD in Schönau bei der vergangenen Landtagswahl 30,1 Prozent erhalten hat, ist zu vermuten, dass der Stadtteil eher rechts ist.”
Eine solche These kann man aufstellen. Das ist legitim. Doch möglicherweise lässt sich eine These nicht halten, wenn die Rechercheergebnisse andere Schlussfolgerungen ergeben. Genau das ist der Grund, warum manchen Journalisten auf Recherche verzichten oder Recherchen beenden – denn das könnte die schöne These kaputt machen. Eine Alternative ist die so-tun-als-ob-Recherche. Sehr beliebt bei Fernsehjournalisten: Man begibt sich irgendwohin, wie die Reporterin Linda Rodriguez, schlendert durch die Straßen, spricht Leute auf der Straße an und wenn man die “O-Töne” hat, die zur These passen, hat man auch die “Beweise”, dass die These stimmt. So wird aus Raunen eine Reportage. Kann man machen, ist und bleibt aber Mist.
Drei große extremistische “Aufmärsche” – Gewaltexzess allerdings von links
Die RNB-Anfrage an das Polizeipräsidium Mannheim ergibt ein komplett anderes Bild, als der SWR suggeriert. In den vergangenen zehn Jahren gab es zwei rechte Aufmärsche in Mannheim.
Am 01.05.2012 fand in Mannheim-Neckarau eine zunächst verbotene, dann aber durch den VGH BW wieder genehmigte NPD-Demonstration statt. Damals nahmen rund 270 Personen des rechten Spektrums am Aufzug in Mannheim teil – rund 2.500 Demonstranten aus dem bürgerlichen Lager hielten dagegen. Hierbei versuchten mehrfach Personen der linksautonomen Szene Polizeiabsperrungen zu durchbrechen um direkt zu der rechten Demonstration vorzudringen, was durch die Polizei verhindert werden konnte. Es kam zu diversen Ingewahrsamnahmen.
Im März 2014 trat erstmals in Deutschland ein Zusammenschluss von rechten Hooligans anlässlich einer Salafistenveranstaltung in der Mannheimer Innenstadt auf: “Hogesa” war geboren. In Köln kam es später zu massiven Ausschreitungen.
Im September 2012 kam es zur schwersten Ausschreitung der vergangenen Jahrzehnte in Mannheim. Mehrere hundert Angreifer bewarfen Polizeibeamte mit Pflastersteinen anlässlich eines Kurdenfestivals – rund 70 Beamte wurden zum Teil schwer verletzt. Von der politischen Einordnung her muss dies als “linksextremistisch” eingeordnet werden. Sprecherin der damaligen Veranstaltung war übrigens die heutige Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Die Linke).
Rechts- und Linksextremismus rückläufig – religiöser Extremismus steigt an
Insbesondere die rechtsradikale NPD veranstaltete immer wieder Kundgebungen und Wahlkampfveranstaltungen, die meist aber nur wenige Teilnehmer umfasste – auch auf der Schönau, aber auch in der Neckarstadt, Käfertal oder Rheinau.
Wie viele Personen polizeilich als “extrem” eingestuft werden, ob links, rechts oder beispielsweise islamistisch, teilt die Polizei nicht mit, nur so viel:
Im Bereich der ausländischen/religiösen Ideologie (u.a. Islamismus) sind in Mannheim in den letzten 10 Jahren die Zahlen angestiegen.
Im Bereich Rechtsextremismus und Linksextremismus waren die Zahlen hingegen im Bereich Mannheim in den letzten 10 Jahren leicht rückläufig. Es gab in der Vergangenheit in Mannheim Treffen extremistischer Gruppierungen. Zukünftige Treffen seien ebenso anzunehmen. Diese Treffen werden aber in aller Regel konspirativ und an ständig wechselnden Örtlichkeiten (auch Überregional) abgehalten. Insofern sei eine Nennung einzelner Stadtteile nicht möglich, sagt die Polizei.
Mannheimer Norden: Kein Schwerpunkt für Rechtsextremismus
Erkennt der Staatsschutz also im Mannheimer Norden, speziell Schönau, Schwerpunkte für Rechtsextremismus? Diese Antwort erledigt den SWR-Bericht als Fakenews:
Nein. Obwohl Mannheim-Schönau teilweise mit starken sozialstrukturellen Spannungen behaftet ist, konnten sich dort, wie im gesamten Stadtbereich, keine festen rechten Strukturen bilden. Sowohl Auswertungen zu rechten Straftaten und Straftätern, als auch Überprüfungen rechter Veranstaltungen geben derzeit keinen Anlass den Mannheimer Norden als Schwerpunkt für Rechtsextremismus anzusehen.
Das hätte auch der SWR in Erfahrung bringen können – wenn man sich den Arbeit mit Recherche gemacht hätte.
Der Staatsschutz der Polizei achtet auch auf Wahlergebnisse und teilt mit:
Hohe Werte der AfD wurden im Übrigen auch in den Wahlbezirken Sandhofen (18,4%), Waldhof (16,9) und Käfertal (16,4%) erzielt, aber auch in den Wahlbezirken Vogelstang (20,8%) und Rheinau (16%). Eine Verallgemeinerung der Mannheimer Norden, speziell Schönau, sei Schwerpunkt für Rechtsextremismus, kann allein aufgrund der vorhergegangenen AfD-Wahlergebnisse nicht angenommen werden.
Schaut man sich das Bundestagswahlergebnis auf der Schönau genau an, rekrutierte die AfD ihre Stimmen insbesondere bei SPD- und CDU-Wählern – werden solche Menschen durch ein abweichendes Wahlverhalten automatisch zu “Rechten”? Das ist ein steile These und auch hierzu liefert der SWR keinerlei Fakten.
Viele spannende Fragen
Man könnte auch umgekehrt die Frage stellen: Wie viel “rechtes Potenzial” stecken seit Jahrzehnten in SPD und CDU? Das allerdings würde eine vollständig andere Debatte nötig machen und ganz andere Bilder zeichnen, als der SWR suggerieren will.
Auch das kann RNB aufgrund früherer Recherchen leicht beantworten. Soziologische Studien haben mehrfach belegt, dass zwischen 20 und 30 Prozent der Wähler Einstellungen haben, die mindestens fremdenunfreundlich, wenn nicht sogar fremdenfeindlich sind. Und zwar quer durch alle Bevölkerungsschichten, also vom Hilfsarbeiter bis zum Professor.
Fremdenfeindlichkeit alleine ist aber nicht gleichzusetzen mit rechtsradikal, sondern nur ein Teil einer solchen Einstellung. Dass die AfD insgesamt Ausländer eher ablehnt, ihnen mindestens “kritisch” gegenübersteht und teils auch feindlich gesinnt ist, ist unbestritten.
Bedenklich ist die häufig in vielen Medien gezogene Schlussfolgerung, die Forderung nach einem Ende einer “unkontrollierten Zuwanderung” und gar einem Stopp von Zuwandern sei per se “rechtsradikal” oder “fremdenfeindlich”. Unideologisch betrachtet, ist dies zunächst eine politische Haltung, die niemandem gefallen muss, die man aber haben kann, ohne radikal zu sein. Problematisch wird es, wenn dazu Schmähungen und Abwertungen kommen, dann wird es radikal und feindlich.
In Chemnitz konnte man das bei mehreren hundert Personen beobachten, nicht jedoch bei der Mehrheit der Demonstranten. Auf der Schönau konnte man davon genau gar nichts beobachten. Es gab weder Aufmärsche noch sonstige Vorfälle – erst die SWR-These setzte diesen Vergleich in den Raum. Ohne Sinn und ohne Verstand.
Richtig ist, dass es 1992 pogromartige Zustände in Schönau gegen Asylbewerber gab. Das ist 26 Jahre her. Spannend wäre die Frage gewesen: Wieso ist es damals dazu gekommen und wie haben sich Einstellungen im Stadtteil seither entwickelt? Der SWR hätte genug Geld und Kapazitäten, um eine solche Recherche zu starten. Allerdings wäre die Voraussetzung, dass es auch eine Bereitschaft gäbe, ergebnisoffen zu recherchieren und auch zu wissen, wie Recherche eigentlich so geht.
Ebenso spannend wäre die Frage, wieso man sich eigentlich so viele Sorgen über “Rechts” macht, wenn eindeutig belegt ist, dass in Mannheim in den vergangenen Jahren die massivste Gewalt von linksextremen Ausländern ausgeht, teils aber auch von nationalen Türken und solche Veranstaltungen regelmäßig erhebliche Polizeieinsätze erzeugen, damit es auf den Straßen friedlich bleibt?