Rhein-Neckar/Chemnitz/Berlin, 08. September 2018. (red/pro) Seit nunmehr fast zwei Wochen scheint es in Deutschland nur noch das Thema „Chemnitz“ zu geben. Gab es nun „Hetzjagden“ oder gab es keine? Ist Sachsen ein einziger brauner Sumpf oder nicht? Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? In diesem kakofon hysterischen Spektakel geht es aber vor allem um die Frage, wer die Deutungshoheit hat. Bis ganz nach oben ins Bundeskanzleramt. Aus Medien und Politik erfährt man kaum eine vernünftige, nüchterne Information. Chemnitz als Topos ist ein mediales und politisches Fiasko. Der eigentliche Skandal geht in dem medialen Rauschen unter.
Von Hardy Prothmann
Alles, was in den vergangenen zwei Wochen zu Chemnitz „berichtet“ und „gesagt“ wurde, kann man unmöglich wiedergeben. Man muss also abstrahieren (abziehen) und reduzieren (zurückführen), um das Wesentliche in den Blick zu nehmen.
Am Anfang stand ein Totschlag. In der Nacht zum 26. August 2018 wurden drei Männer im Alter von 33, 35 und 38 Jahren von vermutlich drei anderen Männern angegriffen und schwer verletzt. Daniel H., ein Deutsch-Kubaner, starb noch in der Nacht an den durch mindestens ein Messer erlittenen Verletzungen. Die Behörden ermitteln wegen Totschlags, viele reden allerdings von Mord. Ob aus dem Totschlag eine Anklage wegen Mordes wird, ist bislang unklar.
Ein Mensch ist also zu Tode gekommen und der Grund dafür ist der eigentliche Skandal, der längst kaum mehr wahrgenommen wird.
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Die Polizei sucht diesen Tatverdächtigen. Das Foto ist aus dem Jahr 2016. Woher die offensichtlichen Verletzungen stammen, haben die Behörden nicht erklärt. Quelle: Polizei Sachsen
Zwei der mutmaßlich Tatverdächtigen sollen ein Syrer und ein Iraker sein – hieß es zunächst. Deren tatsächliche Identität ist aber unklar. Dem mutmaßlichen Syrer Alaa S. (23) sei im September 2015 „im schriftlichen Verfahren die Anerkennung als Flüchtling gewährt“ worden, berichtet die Welt – aufgrund einer „Selbstauskunft“. Der Tatverdächtige Yousif A. (22) habe bei der Anhörung im Asylverfahren im November 2017 einen irakischen Personalausweis sowie weitere Dokumente vorgelegt, die sich erst im Juni 2018 als „Totalfälschungen“ entpuppt hätten, heißt es in der Zeitung.
Aktuell wird nach einem dritten Tatverdächtigen, vermutlich Iraker, dem 22-jährigen Farhad Ramazan Ahmad gefahndet. Niemand weiß, wo sich der Mann aufhält.
Das ist der eigentliche Skandal. Wieder muss die Bundesregierung über Bundesinnenminister Horst Seehofer massive Fehler eingestehen – die Behörden haben sich wie bei so vielen anderen Fällen von illegal eingereisten Personen massiv täuschen lassen.
Yousif A. hätte nach Bulgarien abgeschoben werden müssen, wo er zuerst registriert worden war, stattdessen hat er reihenweise Straftaten begangen – unter anderem Körperverletzungen und Drogenhandel. Er soll sogar aus dem „Ausland“ Drogen nach Deutschland geschmuggelt haben.
Auch Yousif A. war wie andere bekannte Straftäter offenbar hoch mobil und bestens vernetzt. Die Bewegungsfreiheit und offene Grenzen werden für Straftaten genutzt – das erinnert an den Weihnachtsmarktattentäter Anis Amri und andere.
Statt sich um geprüfte Informationen zum Tötungsdelikt zu kümmern, füllen die meisten Medien ihre Seiten und das Programm mit Aufregerstoff – benutzt wie eine Droge. Links gegen Rechts. Sachsen im Nazirausch. Mal wieder AfD. Die Pressefreiheit wird angeblich massivst bedroht – obwohl alle ohne Unterlasse berichten – der absurde Widerspruch stört niemanden.
Ist die mediale Kakofonie ein gigantisches Ablenkungsmanöver, wie das Verfassungsschutzchef Dr. Hans-Georg Maaßen andeutete? Nunja, wir müssen abwarten, wie sich das weiter entwickelt. Meiner Auffassung nach reicht es nicht für eine Verschwörungstheorie. Wohl aber für eine Bestandsaufnahme. Das Mediensystem dreht frei hohl und mit ihm die Politik.
Kennen Sie den Spruch: „Andersrum wird ein Schuh draus?“ Lassen Sie uns das prüfen: Es soll pogromartige Zustände gegeben haben, wird die Grünen-Politikerin Claudia Roth zitiert wird. Also reden alle von Pogrom. Das aus dem russischen stammende Wort heißt wörtlich „nach dem Donner“ und wurde früher für antisemitische, gewalttätige Übergriffe auf Juden verwendet. Allgemein geht es um Übergriffe mit dem Ziel der massiven Gewaltanwendung gegenüber Gruppen von Menschen. Es gab häßliche Szenen in Chemnitz, aber sicher keinen Pogrom. Dafür gibt es bislang keinerlei harte Fakten.
Hetzjagden. Vor allem ein 19 Sekunden langes Video, auf Twitter von einem anonymen Nutzer namens „Antifa Zeckenbiss“ veröffentlicht, ist bundesweit vielen Medien ein Beleg dafür, dass es „Hetzjagden“ gab. Zu sehen ist allerdings nur sehr unklar irgendeine Konfrontation und eine kurze, nur wenige Meter andauernde „Verfolgung“ von irgendjemandem durch irgendjemanden. Als Beweis für eine Hetzjagd oder gar zahlreiche Hetzjagden dient dieses Video nicht.
Aber viele Medien überschlagen sich dabei, dieses Video zu analysieren, ob es echt sei und damit die Hetzjagden belege. Was für ein Unfug. Wenn, wird eine einzelne Situation „belegt“. Ich vermute, dass das Video keine Fakenews an sich ist, sondern in Chemnitz aufgenommen wurde und zeigt, was es zeigt: Eigentlich nichts.
Die propagandistische Einordnung als Beleg für Hetzjagden insgesamt macht es erst zur Fakenews. Was mich an dem Video erstaunt, ist: „Hase, Du bleibst hier.“ Eine Frau im Off fordert offenbar ihren Hasen auf, sich nicht zu beteiligen. Die Stimme ist klar und deutlich zu hören. Hase folgt, denn es ist nicht zu erkennen, dass er losrennt. Derjenige, der die Aufnahme gemacht hat, muss unmittelbar neben Hase gestanden haben. Ist es wahrscheinlich, dass ein Antifa-Mitglied in einer Gruppe von „Nazis“ mit dem Handy „hochkant“ filmen konnte? Eher nicht.
Spiegel online berichtet von einer „Pressemitteilung“ durch „Antifa Zeckenbiss“. Ein anonymer Nutzer wird also als „Quelle“ benannt. Geht so harter Recherchejournalismus? Nach der Darstellung soll das Video aus einer rechten Facebookgruppe stammen. Das passt schon eher zu meiner These, dass es ganz sicher nicht von „Antifa Zeckenbiss“ aufgenommen worden ist. Damit steht fest, dass „Antifa Zeckenbiss“ nicht dabei war und nichts über die Umstände weiß, die zu der 19-sekündigen Aufnahme führte.
Die tagesthemen schnitten in einen Beitrag über Chemnitz Aufnahmen hinein, die bereits Tage vor dem „tagesaktuellen“ Beitrag entstanden sind und nicht als „Archiv“ gekennzeichnet worden sind – und täuschten die Zuschauer damit massiv. Was für die einen Fakenwes ist, ist für Chefredakteur von ARD-aktuell, Dr. Kai Gniffke, nur ein Achselzucken wert. Fehler passieren halt. Angeblich habe man diesen selbst entdeckt und klar gestellt – ich halte es für viel wahrscheinlicher, dass man einen Hinweis bekam und ausnahmsweise mal die Krisenkommunikation funktioniert hat und man sich mit der Klarstellung beeilte, bevor der Fehler skandalisiert werden konnte.
Liest man sich, was ich über sehr viele Stunden gemacht habe, durch viele Berichte und andere „Quellen“ durch, ergibt sich eine chaotische Informationslage, die vor allem aus Gerüchten, nicht geprüften Informationen, sehr viel Meinung, meist empört, besteht und so gut wie gar nicht aus tatsächlichen Fakten.
Die viel gescholtene Polizei berichtet hingegen sehr nüchtern und im Zusammenhang mit anderen „Berichten“ und Videos und Social Media-Beiträgen erhalte ich ein umfassendes Bild, das ich wie folgt reduzieren kann: Es gab einen Totschlag, möglicherweise Mord, danach einige, teils sehr große Demonstrationen, auf denen durchaus große Gruppen von Rechtsradikalen wie eher kleinere Gruppen von Linksradikalen medial vollständig überzeichnet wurden.
Denn, wenn es Hetzjagden und Pogrome tatsächlich gegeben haben sollte, wäre die Zahl der Opfer groß gewesen. Diese ist aber im Verhältnis zur aggressiven Stimmung auf beiden extremen Seiten mit wenigen verletzten Personen sehr gering. Massiv verletzt wurde, soweit bekannt, niemand. Zu Tode kam nur Daniel H.
Die massive Propaganda von links bis rechts versucht, die Deutungshoheit zu erlangen. Ganz sicher auch im Vorfeld von Wahlen wie in Bayern. Für Medien ist das ein gefundenes Fressen – sie können ganz einfache „Narrative“ erzählen. Es gibt viel Aggression und damit viel Aufregung und damit ist Stoff für viele Stories geboten. Geprüfte, vernünftige Informationen interessieren da nicht mehr, man bedient sich vieler Zitate von Leuten, die alle nicht dabei waren, die nichts geprüft haben, aber scheinbar genau wissen, was vor Ort passiert ist und wie man das einzuordnen hat.
Diese überwiegend vollständig hysterische Zuspitzung, durch Medien und durch Politiker, erzeugt eine enorme Unruhe. Was früher mal die „Schweigespirale“ war, entwickelt sich heute zur hysterischen Kakofonie. Mit dem Ausgang, dass Medien und Politik immer weniger vertraut wird, der vernünftige Umgang mit Informationen – was sehr anstrengend ist – außer „Mode“ gerät und letztlich der Recht hat, der die Deutungshoheit gewinnt.
Abstrahiert bleibt am Ende: #wirsindmehr. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die, die das behaupten, am Ende Recht behalten. Meine Zweifel lassen sich ganz einfach mit dem erheblichen Aufstieg der AfD begründen und dem Niedergang der SPD. Der CDU geht es nicht wirklich besser und die CSU wird, das wird man erleben, ihr „blaues Wunder“ erleben.
Im Zusammenhang mit der Asyldebatte bleibe ich bei meiner Analyse: Es wurden erhebliche Fehler gemacht, „wir schaffen das“ war eine Nebelgranate der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Richtig ist: Deutschland hat sehr viel mehr geschafft als andere Länder und das war ein enormer Kraftakt. Aber auf die logistische Verwaltung von nahezu zwei Millionen Menschen folgt das böse Erwachen.
Die allermeisten Zuwanderer machen keine derartigen Probleme, dass es einem Angst und Bande werden müsste, aber die „kleine“ Gruppe der Kriminellen ist derart groß, dass es zu massiven Problemen kommt und weiter kommen wird – bislang traut sich niemand in der Politik, diese tatsächlich und konsequent anzugehen. Je länger dieses Zögern andauert, desto mehr gewinnt der Extremismus Zulauf. Links wie Rechts.
Der ganz normale Bürger, der verunsichert ist, auch, weil ihm die Bürokratie, sollte er mal einen Fehler machen, im Nacken sitzt, schaut zu, wie „Fremde“ ganz offensichtlich „tun können, was sie wollen“, ohne ernsthafte Konsequenzen fürchten zu müssen. Da wird auch der „normale“ Bürger irgendwann zornig.
Wer sich aber aufregt, wird umgehend zum Nazi abgestempelt. Ganz sicher waren in Chemnitz nicht 9.000 Nazis auf der Straße, sondern viele Bürger, die sich „verarscht“ fühlen und sowohl von Nazis, aber noch viel mehr von sogenannten Antifaschisten nochmals auf den Arm genommen worden sind.
Wenn das so weitergeht, sagt irgendwann der „normale Bürger“: „Ok, dann bin ich halt ein Nazi.“ Woraufhin die anderen brüllen: „Wir wussten es schon immer, Nazi, Nazi, Nazi.“ Das ist wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Puh.
Chemnitz ist nur ein Ort, der gerade im Fokus steht, um Stigmata und Klischees aller Couleur wechselseitig abzuarbeiten. Chemnitz ist allerdings weit über den Ort hinaus ein Synonym für den Topos (Gemeinplatz) einer auseinander fallenden Gesellschaft, die sich medial und politisch getrieben nicht mehr um die Frage des Gemeinwohls kümmert, sondern die Gemeinschaft auseinander treibt.
Dazu fällt mich nur noch ein: Teile und herrsche.
Willkommen in einem Deutschland, in dem es, wenn es keine Rückkehr zur Vernunft gibt, immer turbulenter zugehen wird. In gewissen Kreisen wünscht man sich geradezu einen Bürgerkrieg herbei. Dieser Topos ist in den Reihen der AfD bereits seit langem ein „Narrativ“.
Einflussreiche Medien und Politiker befördern diese sehr gefährliche Zukunft erheblich. Auch die, die angeblich gegen Hass einstehen, sind bis zur Halskrause hasserfüllt.
Nein. Weimar wird sich nicht wiederholen. Aber Teile Deutschlands könnten zu gefährlichen Orten werden.
Ich erinnere an meinen Einstieg – man muss das Wesentliche im Blick haben, statt sich ablenken zu lassen. Auch Rechte dürfen in Deutschland demonstrieren. Die AfD hat ein Recht, in Deutschland als Partei zu wirken. Man hat das Recht, fremdenfeindlich und auch antidemokratisch eingestellt zu sein, wie zuletzt das Bundesverfassungsgericht beim nicht erfolgten NPD-Verbotsverfahren festgestellt hat.
Ausländische Verbrecher haben wie deutsche Verbrecher das Recht, Rechtsmittel in Deutschland einzulegen und diese Verfahren sind oft ätzend. Demokratie ist ein schweres Geschäft.
Rechtsextreme wie Linksextreme haben das Recht, bis an die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit zu gehen, treten sie über, müssen sie verfolgt und verurteilt werden.
Sorge macht mir der Dauerzustand der Erregung. Unsere Demokratie ist fähig, einzelne Erregungszustände auszuhalten. Wenn das aber der „Normalfall“ wird, muss sich niemand wundern, wenn auch dem Extremsportler Demokratie irgendwann das Herz stehen bleibt.
Es gilt, diese Hysterie abzurüsten. Der Schwung nach rechts ist meiner Meinung nach auch eine Folge der nicht-Verantwortung von links. Wenn linke Politik und linke Medien nicht aufhören, die Menschen kategorisch zu überfordern, dann kommt es zum großen Knall. Unerbittlich.
Und nein, ich bin kein Rechter, weil ich linke Medien und linke Politik kritisiere. Ich bin nur ein aufmerksamer Journalist, der das Zeitgeschehen mit erheblichem Aufwand beobachtet und analysiert.
Mein Fokus liegt vor allem auf Medien und Politik, die eben nicht menschenverachtend sein will, es aber leider erheblich ist, in dem sie jedem, der sich Sorgen macht, den Nazi-Stempel auf die Stirn haut.
Ich will weder einen linken noch einen rechten Staat. Mir reicht eine ordentliche Demokratie, zu der sich die überwiegende Mehrheit bekennt und in der sich die meisten Menschen wohl fühlen und ein friedliches Leben führen können.
Innen ist das schon schwierig genug – wer von außen kommt, muss sich mehr anstrengen und wer das nicht will, darf nach meiner Meinung gerne sehr schnell wieder außen sein.
Ganz einfach. Eigentlich.
Was diese Demokratie aktuell und seit langer Zeit am meisten beschädigt, sind unterschiedliche „Standards“ – jeder sucht sich aus, was gerade am besten zur eigenen Position passt und nicht, was Konsens sein sollte.
Ich habe diesen Text jetzt mehrfach überarbeitet und in dem Moment, in dem ich ihn verschicke, wird er unvollständig sein, weil es „neue“ Entwicklungen gibt.
Die ständige Hysterisierung hat noch weiter zugenommen und ein Ende ist nicht absehbar.
Das sollte uns allen erhebliche und enorme Sorgen machen, die man aber nicht mit noch lauterem Schreiben lösen kann, sondern nur mit Analyse der klaren Fakten.