Mannheim, 11. September 2018. (red/pro) Aktualisiert. Der Mannheimer Kreisverband der AfD ist in Teilen mit dem Landtagsabgeordneten Rüdiger Klos schon mindestens seit der Landtagswahl 2016 im Streit. Ursprünglich war die AfD mit vier Sitzen im Gemeinderat vertreten, nach dem Richtungsstreit 2015 traten die vier Mitglieder aus, drei wechselten zu “Alfa” (später LKR), einer war bis vor kurzem fraktionslos. Nach den allgemeinen Umfragewerten könnte die AfD sechs bis acht Sitze im kommenden Jahr erreichen – der interne Streit wird dies erheblich belasten. Die anderen Parteien könnten sich darüber freuen – wenn es nicht weitere Unwägbarkeiten gäbe.
Von Hardy Prothmann
Alle haben zur Zeit Angst vor der AfD – vor allem vor deren Erfolg. Bis zur Kommunalwahl 2019 im Sommer ist es noch weit hin, der Wahlkampf hat indessen schon längst begonnen. Vor allem wegen der AfD und dem verlorenen Vertrauen vieler Wähler in die etablierten Parteien. Insbesondere SPD und CDU mühen sich deshalb bereits im Sommer mit Präsenz vor Ort ab.
Hoffnung können sich die etablierten Parteien in Mannheim wegen des vollständig zerstrittenen Zustands der AfD in Mannheim machen. Der Kreisvorstand soll nur noch aus zwei Mitgliedern bestehen, was gegen die Satzungsvorschriften wäre und eine umgehende Neuwahl erforderlich machen würde. (Anm. d. Red.: Laut Zuschrift der AfD bestehe der Vorstand aus sieben Mitgliedern. Dies ist über die Homepage aber nicht zu erkennen, bei anderen Parteien überwiegend schon.)
Zerstrittene AfD
Nur – wen wählen? Vor der Spaltung 2015 hatte der Kreisverband weit über hundert Mitglieder, stürzte dann um gut 40 Prozent bei den Mitgliederzahlen ab und erholte sich nur langsam (Anm. d. Red.: Laut Zuschrift des Kreisverbands habe man aktuelle 182 Mitglieder und sei der “am schnellsten wachsende Kreisverband der AfD in BW”). Der sensationelle Wahlerfolg im Mannheimer Norden durch Rüdiger Klos, der der SPD das letzte Direktmandat im Südwesten abnahm, hätte ein Wendepunkt sein können, um Mannheim als AfD-Hochburg kontinuierlich aufzubauen.
Doch es fliegen seitdem die Fetzen. Es wird nicht nur gestritten, sondern auch geklagt. Der frühere Vorstand Robert Schmidt und MdL Klos sind sich spinnefeind. Herr Schmidt musste den Vorstandsposten gemäß Satzung räumen, weil er als persönlicher Referent für den Böblinger Abgeordneten Harald Pfeiffer arbeitet. Im Hintergrund soll er aber immer noch die Fäden ziehen – vor allem gegen Rüdiger Klos, Fraktionskollege von Herrn Pfeiffer.
Dass es in der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag durchaus ruppig zugeht, hatten die Debatten um den wegen antisemitischer Äußerungen kritisierten Dr. Wolfgang Gedeon gezeigt. Die Fraktion spaltete sich, Herr Gedeon ist seither fraktionslos. Als stellvertretender Fraktionsvorsitzender hat Rüdiger Klos mehr Macht als andere, aber der streitet sich auch gerne mit dem Landesvorstand.
Können sich die anderen freuen?
Können sich CDU, SPD und Grüne nun darüber freuen? Die AfD tut sich mit den aktuellen Zuständen sicher keinen Gefallen, kann aber darauf hoffen, dass sich die Stimmung trotzdem “ganz allgemein” zu ihren Gunsten entwickelt. Chemnitz und die Wahlumfragen zur Bayernwahl und die erheblich gewachsene bundesweite Zustimmung zeigen, dass die AfD weit weg davon ist, “erledigt” zu sein.
Fraglich ist, wer die Kandidaten sein werden und ob man die Wahlliste voll bekommt. Immerhin müssen dafür 48 Kandidaten her. Bei nur rund 100 Mitgliedern ist das sportlich und es wäre peinlich, die Liste nicht voll zu bekommen. Noch fraglicher ist, wer auf die vorderen Plätze kommt, denn diese Kandidaten können sich Hoffnung machen.
Fünf Sitze oder sogar viel mehr?
Aus RNB-Sicht sind vier bis fünf Sitze absolut drin – egal, wer kandidiert. Viele Wähler/innen werden die AfD “blind” wählen. Doch dann wird jeder weitere Sitz richtig Arbeit, die mit einem zerstrittenen Kreisverband nicht zu leisten ist. Wiederum vorteilhaft für die AfD könnte sein, dass einige sehr bekannte Stadträte bei SPD und CDU nicht mehr antreten werden. Es rücken also weniger bekannte Kandidaten nach, was weniger bekannten AfD-Kandidaten zugute kommen werden könnte.
Unklar ist auch, ob und wie wie die früheren AfD-Stadträte antreten werden. Machen sie eine eigene Wahlliste? Hören sie auf? Gehen sie zurück zur AfD? Inhaltlich passen sie zur AfD – insbesondere Stadtrat Eberhard Will und Stadtrat Dr. Gerhard Schäffner, der auch häufig bis heute Gast bei AfD-Veranstaltungen ist. Tritt man als eigene Liste an, macht man der AfD Konkurrenz, gefährdet aber auch die eigene Wiederwahl.
Klar ist, dass jedes zusätzliche Gemeinderatsmandat für dieses Lager zu Lasten der anderen Parteien geht. Ob die NPD erneut einen Sitz erreichen kann, ist fragwürdig. Die NPD liegt am Boden und Stadtrat Christian Hehl hat im Gemeinderat nichts bewirkt, außer seinen Platz dort einzunehmen und sich an Getränken und Schnittchen zu bedienen. Würde dieser Sitz zur AfD wandern, hätten sich die Machtverhältnisse noch nicht verändert.
Jeder weitere Sitze würde aber vermutlich SPD und CDU schwächen, die zwar – wer auch immer vorne sein wird – stärkste Fraktionen bleiben werden, aber weder als “große Koalition” noch als konservatives und auch nicht als linkes Lager die Mehrheit mehr stellen könnten.
Neue Wählerlisten
Das linke Lager müsste sich mit neuen Gesichtern zusammentun. Als wahrscheinlich galt, dass Karlheinz Paskuda mit irgendeiner Liste antreten wird, die durch allerlei Leute getragen wird, die eine Links-Apo darstellen (aktuell gibt sich Herr Paskuda “gescheitert”, mal abwarten). Das konservative Lager könnte keine Mehrheit erreichen, solange man die AfD als “Partner” kategorisch ausschließt. Insofern ist, ganz egal, ob die CDU oder die SPD oder beide Sitze an die AfD abgeben werden, vor allem die CDU gekniffen, die das aber noch nicht verstanden hat.
Die Grünen haben zwar einen Städtebonus und könnten vom Schatten des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann profitieren, müsste man in Mannheim aber nicht den Eindruck haben, dass diesem Mannheim herzlich egal ist. Immer wieder hat die Stadtgesellschaft den Eindruck, dass Mannheim, insbesondere in der Zuwandererfrage, Lasten tragen soll, die Stuttgart nicht haben will. Das Geplänkel ums Nationaltheater und Zusagen zu Zuschüssen kommt da noch obendrauf.
Grüne nicht gut aufgestellt
Und es fehlt Wolfgang Raufelder, der die Grünen auch für bürgerlich-konservative Wähler/innen interessant gemacht hatte. Nach seinem Suizid hat Elke Zimmer übernommen, die das Landtagsmandat durchaus ordentlich ausfüllt, aber keinerlei Charisma hat und öffentlich eher nicht wahrgenommen wird. Mit Thomas Hornung, der zur CDU gewechselt ist, hat man bereits einen Sitz verloren – gute Aussichten sehen anders aus. Themen wie den Rheinhochwasserdamm haben die Grünen verschlafen. “Mannheim sagt Ja” erzeugt keinerlei Euphorie mehr.
Vollständig daneben ist, dass sich die Grüne Jugend mit der kriminellen Interventionistischen Linken gegen die AfD solidarisiert. Dass dieses “Konzept” die AfD nur stärkt, hat dort keiner verstanden und wird vermutlich auf absehbare Zeit niemand mehr verstehen.
Bei der Kommunalwahl am 26. Mai 2019 werden also die Weichen im Mannheimer Gemeinderat grundsätzlich neu gestellt. Soviel gilt in politischen Kreisen als sicher: Es wird nicht einfacher, sondern eher sehr viel anstrengender werden.
Kriminalitätslage wird entscheidend sein
Sollte es zu erheblichen Straftaten kommen, in Zusammenhang mit Ausländern, wird das ebenfalls die AfD erheblich stärken. Und die Zeichen stehen angesichts der aktuellen Kriminalitätsbelastung “gut” für die AfD.Die polizeiliche Kriminalstatistik wird ausgerechnet in den Wochen vor der Wahl öffentlich werden.
Wäre man sich innerhalb der AfD einig und würde an einem Strang ziehen, hätte man in Mannheim die Chance, auch zehn Sitze zu erreichen und möglicherweise sogar zweitstärkste Fraktion zu werden.
Das wird angesichts des aktuellen Streits aber nicht gelingen. Drittstärkste Fraktion nach SPD und CDU, vor den Grünen, ist ein sportliches, aber erreichbares Ziel.
Wichtig wird natürlich auch die Wahlbeteiligung sein – je schlechter, desto besser für die kleineren Listen. CDU und SPD müssen also mobilisieren, was viel Kraft kostet und durch ausscheidende bekannte Stadträte nicht einfach wird.
Anm. d. Red.: Behalten Sie unsere Berichterstattung im Blick. Diesen “Aufschlag” sollten Sie nach der Wahl nochmals lesen und gegenprüfen. Wir sind sicher, dass wir Sie sehr gut informiert haben.
Aktualisierung, 13. September: Ursprünglich hieß es im Vorspann, ein früherer AfD-Stadtrat sei fraktionslos. Das ist nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch. Der frühere AfD-Stadtrat Helmut Lambert (parteilos) hat sich im Juni 2018 mit Wolfgang Taubert zur Gruppierung Mittelstand für Mannheim (MfM) zusammengeschlossen. Herr Taubert war davor Mitglied der Fraktion Freie Wähler/Mannheim Liste (ML). Ab vier Mitgliedern bilden Zusammenschlüsse eine Fraktion, zwei bis drei Mitglieder sind eine Gruppe. Fraktionsstatus haben SPD (13), CDU (13), Grüne (7), ML (4). Gruppen sind die “Bürgerfraktion” (drei frühere AfD-Stadträte, die sich zwar Fraktion nennen, aber nur Gruppe sind), FDP (2), Die Linke (2), MfM (2). Einzelstadträte sind Julien Ferrat (MVP) und Christian Hehl (NPD).