Rhein-Neckar/Kreis Düren/ Rhein-Erft-Kreis, 20. September 2018. (red/pro) Aktuell ist ein junger Mann gestorben. Er soll gut 15 Meter von einer Hängebrücke zwischen Bäumen abgestürzt sein und sich so massive Verletzungen zugezogen haben, dass auch eine sofortige Hilfe den Mann nicht retten konnte. Jeder Vorfall, bei dem ein Mensch stirbt, macht betroffen. Trotzdem oder gerade wegen der Umstände sind aktuell viele Fragen offen.
Von Hardy Prothmann
Ein junger Mensch ist tot. Er starb im Hambacher Forst, weil er durch eine Hängebrücke gebrochen ist und rund 15 Meter in die Tiefe fiel. Das sind die wohl die einzig bislang bekannten und zutreffenden Fakten. Wie alt der Mann war, weiß man nicht. Warum er hinabstürzte, weiß man nicht. Noch nicht.
Nach verschiedenen Berichten soll er beruflich „Journalist“ gewesen sein. War er das? Daran habe ich ganz erhebliche Zweifel. Damit Sie meine Zweifel teilen können, muss ich ausholen.
„Journalist“ ist eine ungeschützte Berufsbezeichnung. Wenn Sie, während Sie diesen Text lesen, beschließen, sich ab sofort als Journalist zu bezeichnen, dann dürfen Sie das. Und dies stellt leider einer erhebliches Problem dar, auch, wenn der Hintergrund von wesentlicher Bedeutung ist.
Nach Artikel 5 Grundgesetz haben alle Menschen in Deutschland das Recht, sich aus allgemeinen Quellen zu informieren und ihre Meinung zu verbreiten. Das ist ein sehr wesentliches Freiheitsrecht, dass man nur in funktionierenden Demokratien vorfinden wird. Je mehr dieses Recht eingeschränkt ist, umso weniger demokratisch ist das System. Wer dieses Recht anwendet und dann sogar um sein Leben fürchten muss, weil er durch das „System“ verfolgt wird, lebt in einer Diktatur oder einem rechtsfreien Land.
Dieses ganz enorme Freiheitsrecht ist eines, dass aus Unfreiheit geboren wurde. Die Gleichschaltung der Medien – und damit „journalistischer“ Inhalte – durch den Nationalsozialismus stand Pate, dass die Freiheit der Meinungsäußerung niemals wieder durch staatliche Zensur eingeschränkt oder verfolgt werden darf. Und das ist gut so.
In einer demokratischen Grundordnung gibt es aber nicht nur Freiheitsrechte, sondern viele Rechte. Dementsprechend findet die Freiheit der Meinungsäußerung auch ihre Grenzen in Abwägung mit anderen Rechten, die gesetzlich definiert sind. Um das abzukürzen: Freiheit heißt auch immer, dass man verantwortlich mit dieser umgeht.
Das heißt nicht, dass es immer wieder Leute gibt, die Freiheit missbrauchen und damit unverantwortlich handeln.
Es kann sich zwar jeder „Journalist“ nennen, aber damit ist man noch längst kein Journalist und kann noch längst nicht „presserechtliche“ Privilegien in Anspruch nehmen – beispielsweise Behörden zur Auskunft aufzufordern. Dazu gibt es in den Ländern Pressegesetze, die das regeln und leider längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. Sie heißen „Pressegesetz“, müssten aber eher „Mediengesetz“ heißen, weil „Presse“ Druckmedien meint und nicht Fernsehen, Hörfunk und Internet umfasst. Diese Medien werden zwar „subsumiert“, aber die Wortwahl ist antiquiert.
Medien sind nach diesen Gesetzen solche, die eine „Periodizität“ aufweisen, also mehr oder weniger regelmäßig veröffentlichen. Sie müssen dabei weitere gesetzliche Vorschriften beachten. Sie brauchen ein Impressum, das heißt, eine „ladungsfähige Anschrift“ und viele weitere rechtliche Aspekte. Denn sie nutzen ein Freiheitsrecht, aber nicht im rechtsfreien Raum und müssen andere Rechte beachten und sich bei Streitfällen „verantworten“ – auch juristisch.
„Journalisten“ sollten „objektiv“ berichten. Das ist schon allein deshalb nicht möglich, weil kein Journalist eine DIN-normierte Maschine ist, sondern immer ein subjektives Wesen. Es gibt auch keine klaren Vorschriften – anders als in Verwaltungen – wie ein journalistischer Bericht „auszusehen hat“ und welche Kriterien er erfüllen muss. Bis auf die „Sorgfaltspflicht“. Das ist eine sehr schwammige „Regelung“, die im Kern vor allem meint, dass man immer auch die „andere Seite“ zu hören hat.
„Seiten“ ist ein wichtiges Stichwort. Man kann das auch „Perspektiven“ nennen. Wenn zwei sich streiten, gibt es mindestens zwei Perspektiven. Häufig sind Sachlagen aber sehr komplex und damit gibt es sehr viele Perspektiven, die es zu berücksichtigen gilt.
Und damit bin ich beim „Journalisten“ und was ein „guter“ und ein „schlechter“ Journalist ist. Gute Journalisten geben sich erhebliche Mühe, Komplexitäten zur recherchieren und wiederzugeben. Schlechte Journalisten recherchieren nicht oder wenig oder nur in eine Richtung und vielleicht recherchieren sie sogar sehr intensiv, veröffentlichen aber nicht komplexe Lagen, sondern interessenbezogene. Das heißt, sie lassen wesentliche Informationen weg oder verfremden diese. Dazu haben sie viele Freiheiten – ob sie verantwortlich handeln, ist die entscheidende Frage.
Ich selbst bezeichne mich als „freien Journalisten“, weil mir niemand eine redaktionelle Linie vorgibt. Außer ich selbst. Ich bin verantwortlich für das Rheinneckarblog und habe niemals einem meiner Mitarbeiter seit Gründung im Januar 2011 eine „Linie“ vorgegeben. Stimmt nicht ganz: Ich gebe eine handwerkliche Linie vor. Informationen müssen aus unterschiedlichen Perspektiven (Quellen) recherchiert und geprüft werden, danach findet eine Einordnung statt, die auf dieser Vorarbeit basiert. Dies geschieht ohne Ansehen von Personen, farbenblind gegenüber Parteien und auf Basis der rechtsstaatlichen Ordnung. Punkt.
Journalistische Freiheit ist für mich immer inhaltliche Verantwortung. Das erwarte ich auch von meinen Mitarbeitern und ich habe mich schnell und kompromisslos von allen getrennt, die das nicht leisten wollten. Und es ist schwer, Mitarbeiter zu finden, die das leisten wollen und können.
Ich tue mir schon immer mit dem Begriff „Kollege“ schwer, was Journalisten angeht. Die, die ich als Kollegen achte – davon gibt es leider nicht so viele – teilen meine Haltung. Die anderen nennen sich Journalisten, dürfen das, sind in meinen Augen aber keine.
Und leider nimmt deren Zahl zu. Es gibt immer mehr Aktivisten, die sich als Journalisten tarnen. Das sind also Menschen, die vorgeben, für die Allgemeinheit zu arbeiten und ein Informationsangebot zu machen, tatsächlich aber interessierte Ziele verfolgen – welche auch immer.
Ich habe deshalb erhebliche Zweifel daran, ob in der Türkei alle, die sich Journalisten nennen und in Haft sind oder waren, tatsächlich auch Journalisten sind. Das betrifft auch die prominente Personalie Deniz Yüzel. Der Mann weiß, wie journalistisches Handwerk funktioniert – zumindest gehe ich davon aus – tatsächlich halte ich ihn für einen Aktivisten und damit schädlich für das Ansehen von „unabhängigen“ Journalisten.
Ich habe deshalb auch erhebliche Zweifel daran, dass der junge Mann, der sich in Gefahr begeben hat und darin bedauerlicherweise umgekommen ist, ein „Journalist“ war.
Ein Freund, der uns seit längerer Zeit im Wald journalistisch begleitet hat, ist heute von einer über 20 m hohen Hängebrücke in Beechtown gefallen und gestorben.
Das schreibt irgendjemand, der nicht zu identifizieren ist, auf einem „Blog“, das kein ordentliches Impressum hat und niemanden, der für die Veröffentlichungen verantwortlich ist. Weiter heißt es:
Zu dem Zeitpunkt wurde von Polizei und RWE versucht das Baumhausdorf zu räumen. Das SEK war gerade dabei einen Aktivisten in der Nähe der Hängebrücke festzunehmen. Der Mensch war anscheinend auf dem Weg dorthin, als er stürzte.
Damit wird implizit eine Verantwortlichkeit der Behörden suggiert. Das hat mit Information und Journalismus nichts zu tun. Das ist Agitprob. Und diese antistaatliche Propaganda wird noch gesteigert:
Auch wenn euch das momentan schwer fällt, genauso wie es uns schwerfällt so sachliche Hinweise zu geben: Wir empfehlen euch zum Schutz aller Aktivist*innen keine Aussagen, auch keine Zeugenaussagen bei der Polizei zu machen. Der Unfall muss und wird aufgearbeitet werden, aber die Polizei ist nicht der richtige Ort dafür. Ihr Interesse ist es, Aktivistis Schuld zuzuschieben.
Die Polizei, also eine staatliche Behörde, ist nach den „Aktivisten“ „nicht der richtige Ort“ für eine „sachliche Aufarbeitung“. Die Verschwörungstheorie folgt: „Ihr Interesse ist es, Aktivistis Schuld zuzuschieben.“ Motto: Wir besetzen zwar seit sechs Jahren illegal den Wald, aber für Konsequenzen sind wir nicht verantwortlich. Es lebe die Freiheit.
Diese Formulierung, die Unterstellung macht mich als Journalist aufmerksam. Denn offenbar gab es am Unfallort keine unmittelbare Aktionen der Polizei. Gleichzeitig soll der „Journalist“ aber auf dem Weg gewesen sein, einen „SEK-Einsatz“ zu fotografieren. Dann stürzte er ab.
Die Frage ist: Warum?
Nach den vorliegenden Informationen brachen die Latten der „Baumbrücke“. Warum? Waren sie nicht funktionstüchtig? Waren sie morsch? War die Brücke nicht „fachmännisch“ installiert? Oder waren sie manipuliert?
Sollte dort also jemand abstürzen? Möglicherweise ein Polizist? Oder – das ist zwar zynisch, aber nicht unvorstellbar – brauchte man ein Todesopfer? Wer ist dafür verantwortlich?
Ich als Journalist erwarte von den Behörden eine akribische Untersuchung und klare Mitteilung der Ergebnisse, die zum „Unfalltod“ des jungen Mannes geführt haben.
Von anderen Medien erwarte ich mir eine ordentliche Einordnung der Fakten.
Der Tod eines „Journalisten“ ist zunächst mal der Tod eines Menschen, egal, ob Journalist oder eher nicht.
Das muss gründlich untersucht werden und wenn jemand verantwortlich gemacht werden kann, dann muss dies erfolgen. Diese „Brücke“ hat jemand „gebaut“ und ein Mensch ist dort zu Tode gekommen. Ganz sicher hat kein Bauamt oder eine andere Behörde Schuld, sondern ganz sicher die „Aktivistis“ – wie auch immer.
Der Hambacher Forst ist nicht das eigentliche Berichtsgebiet des RNB – dem Prinzip nach schon, weil die Auseinandersetzung dort bundesweit Wellen schlägt, ebenso wie Chemnitz und andere Vorkommnisse, die morgen schon bei uns relevant sein könnten.
Wenn wir hier in der Region einen Hambacher Forst hätten, würde ich den Teufel tun und junge Mitarbeiter in die Bäume und eine unkalkulierbare Gefahr schicken. Für wen hat der angebliche Journalist gearbeitet? Wenn einer meiner Mitarbeiter für Gegenstände der Berichterstattung „Freundschaftsgefühle“ entwickeln würde, würde ich ihn abziehen, weil er nicht mehr in der Lage wäre, „objektiv“ zu berichten.
Alle Medien, die zur „Dramatisierung“ einen Aktivisten zum Journalisten umetikettieren, beschädigen den Beruf von hauptberuflichen, verantwortlichen und hart arbeitenden Journalisten, die sich auf keine Seite schlagen, sondern im Bewusstsein der eigenen Subjektivität mit handwerklichen Mitteln möglichst objektiv berichten.
Ich weiß nur eins: Ich habe viele junge Mitarbeiter ausgebildet und teils gab es nicht ungefährliche Situationen. Aber niemals ist mir jemand zu Schaden gekommen und ich wäge Risiken immer ab. Ich hätte niemals einen meiner Mitarbeiter „in die Bäume geschickt“. Die Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und Risiko wäre für mich immer eindeutig negativ für das öffentliche Interesse ausgefallen.
Soweit mit bekannt ist, hat dieser „junge Journalist“ genau nichts hinterlassen, was seinen tragischen Tod auch nur einigermaßen „einzuordnen“ machen würde. Ich mag nicht zynisch sein, aber das Leben ist so. Möglicherweise ist dieser junge Mann auf der Suche nach Bestätigung gestorben, getrieben von anderen und der Suche nach Behauptung von romantischer Freiheit und möglicherweise wird man versuchen, seinen Tod in dieser Richtung umzudeuten.
Möglicherweise wäre alles anders verlaufen, wenn er sich im Wald den Fuß verstaucht hätte und nicht in die Bäume gegangen wäre. Möglicherweise.
Dieser Tod eines jungen „Journalisten“ hat einen dramatischen Makel, er ist kein Rudi Dutschke. Er ist namenlos. Und vermutlich auch bedeutungslos. Hat er irgendwie einen Beitrag geleistet, der zur Aufklärung der Öffentlichkeit gedient hat? Hatte er irgendeine Bedeutung, die man mit seinem Schicksal aufwiegen könnte? Oder ist er einfach nur ein junger Mann, der auf einer Baumbrücke eine SD-Karte wechseln wollte, wie es in Medienberichten heißt.
Klingt zynisch? Ist zynisch.
Öffentlich hatte der „Journalist“ keine Bedeutung. Seine „Werke“ sind ihm nicht zuzuordnen. Eine Beschäftigung damit nicht möglich. Selbst wenn er sich viel Mühe gegeben haben sollte, ist die Arbeit wertlos, solange er anonym bleibt und noch nicht mal seine „Werke“ zur Verfügung stehen.
Man zahlt als Journalist einen Preis, öffentlich zu werden. Ohne Namen ist man selbst und die eigene Arbeit meist „wertlos“.
Die Polizei hat – sofern die Informationen zutreffend sind – vermutlich keine Schuld an seinem tragischen Tod. Damit fällt auch die geraunte Verschwörungstheorie flach.
Was bleibt, könnte die Erkenntnis sein, dass Aktivisten den Tod von Menschen in Kauf nehmen und sogar bereit sind, daraus Verschwörungstheorien zu basteln, um Propaganda zu machen.
Man könnte auch meinen, dass man, um aufzufallen, immer mehr Risiken in Kauf nimmt, die am Ende böse ausgehen.
Mit verantwortlichem Journalismus hat das allerdings nichts zu tun.
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