Mannheim/Stuttgart, 14. September 2018. (red/pro) Am 05. September strahlte der SWR eine „Reportage“ mit dem Titel: „Ein bisschen Chemnitz in Mannheim-Schönau? – Debatte um AfD und Fremdenfeindlichkeit“ aus. Der im Mannheimer Norden direkt gewählte AfD-Abgeordnete Rüdiger Klos bezeichnet den Film als „Diffamierung Mannheimer Bürger“ und beklagt: „Platte Unterstellungen und billige Stimmungsmache durchziehen den ‚Beitrag‘ von Linda Rodriguez.“ Ein erster RNB-Faktencheck zeigt: Die Vorwürfe sind absolut berechtigt.
Von Hardy Prothmann
Wieder einmal lässt der SWR jegliches solides Journalisten-Handwerk vermissen. Ohne irgendeinen Anlass wird Mannheim ins Visier der selbsternannten Scharfrichter des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks genommen. (….) in dem die Mannheimer Bürger vollkommen grundlos in die Nähe von Schlägern, Rechtsextremen und Neonazis gerückt werden. Es gab keine Demonstrationen, keinen Mord und keine Analogie zu Chemnitz, außer, dass wieder einmal reine ‚Fake-News‘ verbreitet werden,
echauffiert sich Rüdiger Klos in einer Pressemitteilung und bereits gestern in einem Telefonat mit mir und meint, der Beitrag sei „an Absurdität nicht zu überbieten“.
Das RNB hat bereits Anfang der Woche mit einer Recherche zu der Darstellung begonnen. Die Faktenüberprüfung dauert allerdings noch an. Wir werden kommende Woche umfangreich erneut berichten. Ein erster Faktencheck der Aussagen im SWR-Film zeigt, dass viele Aussagen schlicht und ergreifend falsch sind. Wir bilden die Aussagen ab, die Reaktion des AfD-Abgeordneten und unsere unabhängige Rechercheergebnisse. Das transparente Ergebnis zeigt Fakenews des SWR – unterlegt mit trostlosen Bildern.
Beispielsweise heißt es im SWR-Film (Link zum SWR-Beitrag – anschauen und mit unserem Artikel vergleichen):
Viele Menschen haben nichts zu tun, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Es gibt viele Jobangebote hier in der Jobbörse von Schönau, aber es gibt auch sehr viele Langzeitarbeitslose hier, die sehr schwer zu vermitteln sind und eine Anwohnerin hat mir gerade erzählt, dass es ganze Familien gibt in denen noch nie jemand gearbeitet hat.

„Eine große Leere“ verspürt die SWR-Reporterin Linda Rodriguez „zwischen den Sozialbauten.“ Viele Menschen hätten nichts zu tun, heißt es im Film. „Die Arbeitslosigkeit ist hoch.“ Diese pauschalen Aussagen sind wie andere im Filmbericht schlicht und ergreifend Fakenews.
Faktencheck „hohe Arbeitslosigkeit“
Eine „Anwohnerin“ als Faktenquelle? Das ist erstaunlich. Ebenso die Aussage, die Arbeitslosigkeit sei „hoch“. Eine Anfrage an die Stadt Mannheim lieferte folgendes Ergebnis:
Die „Arbeitslosenquote“ für Mannheim lag im Juni 2018 laut Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit bei 5,3 Prozent, teilt die Stadt Mannheim mit. Die Arbeitslosenquote gibt den Anteil der arbeitslos gemeldeten Personen an den abhängigen zivilen Erwerbspersonen an. Diese Arbeitslosenquote der Bundesagentur für Arbeit ist aber auf Stadtteilebene nicht verfügbar. Aus diesem Grund greift der Fachbereich Arbeit und Soziales für die Betrachtung auf Stadtteilebene auf den „Arbeitslosenquotienten“ zurück. Beim „Arbeitslosenquotienten“ wird die Zahl der arbeitslos gemeldeten Personen zur Zahl der Einwohner/innen im erwerbsfähigen Alter (Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren) ins Verhältnis gesetzt.
Für Juni 2018 wurden folgende Arbeitslosenquotienten ermittelt:
- Schönau-Nord: 8,1 Prozent
- Schönau-Süd/West: 2,9 Prozent
- Mannheim insgesamt: 3,7 Prozent
Bundesweit lag die Arbeitslosenquote laut Bundesagentur für Arbeit im Juni 2018 bei 5 Prozent. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass in Schönau-Nord der Wert drei Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt liegt, was noch nicht dramatisch ist und in Schönau-Süd/West sogar mit 2,1 Prozentpunkten deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt und sogar mit 0,8 Prozentpunkten besser als im Gesamtdurchschnitt der Stadt Mannheim.
Faktencheck Ausländeranteil
Schönau im Mannheimer Norden. Endstation der Linie 1. Über 30 Prozent haben hier AfD gewählt, kaum jemand will mit mir sprechen,
beginnt der Beitrag. Weiter heißt es im SWR-Film:
Fast jeder zweite hier hat Migrationshintergrund. Türken, Polen, Italiener. Das Miteinander sei völlig in Ordnung hier, erzählt man mir, aber seit der Flüchtlingskrise kippt die Stimmung.
In Mannheim leben laut Angaben der Stadt 323 kommunal untergebrachte Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen. Es handelt sich dabei um Asylbewerber/innen, also Personen die sich im Asylverfahren befinden und um geduldete Ausländer/innen, also Personen bei denen der Asylantrag negativ beschieden wurde, die Abschiebung aber ausgesetzt ist. Von diesen 323 Personen leben 34 im Stadtteil Schönau.
In Mannheim waren zum 30.06.2018 exakt 319.729 Einwohner am Ort der Hauptwohnung gemeldet, darunter 81.511 Ausländer (Ausländeranteil von 25,5 Prozent). Im Stadtbezirk/-teil Schönau waren zum 30.06.2018 exakt 12.762 Einwohner am Ort der Hauptwohnung gemeldet, darunter 3.193 Ausländer (Ausländeranteil von 25,0 Prozent). Hoppla: Schönau liegt beim Ausländeranteil als leicht unter dem Durchschnitt der Stadt?
Die größten Ausländeranteile sind: 1.328 Türken, 426 Polen und nur 173 Italiener, aber 257 Bulgaren. Die Aufzählung hätte also nach Höchstzahlen so lauten müssen: „Türken, Polen, Bulgaren.“ Aber was interessieren den SWR schon Fakten? Woran macht der SWR „kippt die Stimmung“ fest? An zwei, drei Aussagen einer Straßenumfrage?
Insgesamt haben laut Statistik 2017 insgesamt 47,3 Prozent der Menschen in Schönau einen Migrationshintergrund, 52,7 Prozent haben keinen. Die Aussage, etwa die Hälfte der Bewohner habe einen Migrationshintergrund, ist also im SWR-Film ausnahmsweise mal zutreffend. Doch davon hat rund die Hälfte einen deutschen Pass – ist also wahlberechtigt. Bei der Landtagswahl 2016 lag die Wahlbeteiligung bei 51,3 Prozent, in Mannheim gesamt bei 62,5 Prozent. Rund 50 Prozent gehören der katholischen oder evangelischen Kirche an.
Faktencheck Wahlergebnis Landtagswahl 2016
Richtig ist, dass der AfD-Abgeordnete im Stadtbezirk Schönau (8) mit 30,1 Prozent das beste Ergebnis im Wahlbezirk Mannheim II (Mannheim-Nord) erzielte. Richtig ist auch, dass die SPD im Mannheimer Norden ihr letztes Direktmandat verloren hat. Richtig ist aber auch: Der über die Liste gewählte Abgeordnete Dr. Stefan Fulst-Blei (SPD) erzielte in Schönau mit 27,1 Prozent das mit Abstand beste Ergebnis für die SPD unter allen Stadtbezirken in Mannheim. Man stelle sich die Schlagzeile vor: „Erschreckend hohes Wahlergebnis für die SPD – droht dem Stadtteil ein Ruck nach links?“.
Auch in Käfertal, Sandhofen und Waldhof lag die AfD teils deutlich vor der SPD – also alles „fremdenfeindliche Stadtteile“?
Mit Entsetzen hatte Klos zur Kenntnis nehmen müssen, dass es dem SWR nicht um vernünftige Berichterstattung, sondern um falsche Eindrücke geht, die letztlich zur Diffamierung der Stadt Mannheim und insbesondere des Stadtteils Schönau im Mannheimer Norden führen – quasi als Bestrafung für die hohen Wahlergebnisse für die AfD. Mit plakativen Äußerungen wie ‚Endstation der Linie 1‘ soll der Eindruck erweckt werden, dass es von hier aus nicht mehr weitergeht,
teilt AfD-Abgeordneter Rüdiger Klos in der Pressemitteilung mit. Und weiter:
Pauschalen Abwertungen wie dem Hinweis auf die hohe Arbeitslosigkeit – als ob die Menschen etwas dafür könnten – werden vermeintliche Jobangebote gegenübergestellt, die implizieren sollen, dass die Menschen hier arbeitsscheu seien, ohne auch nur eine einzige verifizierbare Zahl beizusteuern. Fakten lässt der Beitrag vermissen. Eine einzelne Reichsflagge genügt, um einen ganzen Stadtteil kollektiv in die Nähe sogenannter „Reichsbürger“ zu rücken. Ereignisse, die in Chemnitz stattgefunden oder besser gesagt: nicht stattgefunden haben, in irgendeiner Weise nach Mannheim transferieren zu wollen, ist an Absurdität nicht zu überbieten.
Faktencheck Vergleich Chemnitz und Schönau
Auch damit hat der AfD-Politiker Recht. Nach unserem bisherigen Recherchestand gab es in der jüngeren Vergangenheit oder aktuell weder besondere Straftaten , die durch Asylbewerber oder andere Ausländer begangen worden sind, noch irgendwelche Aufmärsche noch irgendwelche politisch motivierte Kriminalität von „rechts“.
Mit Nachdruck fordert der AfD-Landtagsabgeordnete Klos nun „eine angemessene Entschuldigung des SWR bei den Bürgern der Stadt“ wegen des „tendenziösen, manipulativen und jeglicher objektiver Berichterstattung entbehrenden Charakter des SWR-Beitrags“:
Die Menschen in Mannheim sind ehrlich und anständig. Ich verwahre mich mit allem Nachdruck gegen die Verunglimpfung durch den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. (…) Menschen in Mannheim, die durch die anlasslose, diffamierende Meinungsmache der ‚Journalistin‘ in den Schmutz getreten werden. Das ist eine ungeheuerliche Manipulation.
Von Seiten der anderen in Mannheim aktiven Parteien konnten wir bislang keine Reaktionen auf den SWR-Beitrag wahrnehmen. Wir werden aber alle im Gemeinderat vertretenen Fraktionen, Gruppen und Einzelstadträte anfragen (Anm. d. Red.: Ja, auch den NPD-Stadtrat Hehl.)
Anfang der kommenden Woche berichtet das RNB weiter zum Thema: „Ein bisschen Chemnitz in Mannheim-Schönau? – Debatte um SWR und Fakenews“. Hierzu ergeht ebenfalls eine Einladung an alle Parteien, uns vor Ort zu treffen.
Anm. d. Red.: Besten Dank an die Stadt Mannheim für eine wie immer sehr zügige Bearbeitung unserer Anfrage und die sehr gute Zusammenarbeit. Das RNB bietet Nachrichten und Informationen, keine Propaganda. Wir berichten, was ist, nicht, was sich gewisse politische Richtungen wünschen. Selbstverständlich haben wir deshalb in der Vergangenheit immer kritisch über alle Parteien oder sonstige politische Akteure berichtet und halten das auch weiterhin so – auch, wenn insbesondere „von links“ der ständige Vorwurf kommt, das RNB sei „rechts“. Wenn „rechts“ zutreffende Information und hintergründige Analyse meinen sollte, dann ist RNB „rechts“. RNB hat genau eine politische Haltung: Wir arbeiten farbenblind. Grundlage für unsere Berichterstattung sind das Grundgesetz und der Rechtsstaat, um Menschen ordentlich zu informieren und meine Meinungsbildung mit geprüften Fakten zu ermöglichen.
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