Rhein-Neckar, 13. September 2018. (red/pro) Seit einigen Monaten macht eine „besorgniserregende“ Nachricht die Runde: Unsere Eichhörnchen stehen vor dem Hungertod. Wie furchtbar. Schuld sei der heiße Sommer. Es gäbe deshalb zu wenig Nahrung für die putzigen Nager, die wir alle so sehr lieben. Tatsächlich handelt es sich dabei um Boulevardmeldungen ohne jegliche faktische Relevanz.
Von Hardy Prothmann
„Nach Sommerhitze: Eichhörnchen droht der Hungertod“, „Dramatische Lage wegen Hitze: Eichhörnchen droht Hungertod“, „Eichhörnchen droht der Hungertod nach Hitze“ – so lauten zuhauf ähnliche Schlagzeilen in den vergangenen Wochen.
Das Rezept für eine Boulevardstory ist ganz simpel: Man nehme einen Sympathieträger (Eichhörnchen) und setze diesen einer dramatischen Gefahr (Hungertod) aus. Fertig ist die Story. Als Würze kann man noch Schuldige (Klimawandel, Mensch) benennen und als Sahnehäubchen einen Retter präsentieren – jeder Leser und Zuschauer kann durch Zufüttern dieses ganz und gar schreckliche Unglück verhindern. Dazu mischen sie noch Worte wie „schrecklich“, „traurig“ und „furchtbar“ unter…
Die drei Überschriften stammen nicht aus sozialen Netzwerken oder von Verschwörerseiten, sondern von großen Medien, die gerne „Emo-Stories“ suchen und verbreiten. Gemäß der Bild-Formel TTT – Tiere, Titten, Tote. Themen mit einem der Ts funktionieren immer. Sie sprechen das Gefühl an, der Verstand darf ausgeschaltet werden.
Die traurige Wahrheit ist: Niemand kennt den genauen Bestand der Eichhörnchen und eine angebliche Futterknappheit ist durch nichts zu belegen. Der Nahrungstisch von Eichhörnchen besteht aus vielerlei Nüssen, Samen und Körnern – und das Angebot schwankt immer.
Noch trauriger ist diese Wahrheit: Die putzigen Eichhörnchen sind begeisterte Nesträuber. Sie fressen mit Vorliebe Jungvögel und Eier. Das hört sich jetzt nicht mehr so putzig an? Ist aber so.
Und es sind Wildtiere, die quasi täglich ums Überleben kämpfen. Hauptfeinde sind Marder und Greifvögel. Aber auch Katzen. Straßenverkehr ist auch nicht ungefährlich. Am meisten macht den Nagern aber die Reduzierung von Lebensraum zu schaffen. Und das wiederum liegt in der Verantwortung der Menschen.
Die Deutsche Wildtier Stiftung sieht Eichhörnchen in Deutschland und Europa als nicht bedroht an. Der NABU Baden-Württemberg schreibt:
Allerdings ist in großen Studien nachgewiesen, dass der Eichhörnchenbestand selbst von massiver Zufütterung nicht profitiert.
Wie nun? Die Studien widersprechen all den Medien? Kann das sein? Das kann nicht nur sein, sondern das ist die traurige Realität. Viele Medien setzen nicht mehr auf seriöse Recherche und tatsächlich relevante Themen, sondern möchten ein möglich „buntes“ Angebot machen. Und Herz-Schmerz-Stories kommen da immer recht.
Lassen Sie sich von dem Schwachsinn nicht kirre machen. Die meisten Eichhörnchen kommen durch den Winter – und wenn nicht, erholt sich der Bestand wieder. Weder geht die Welt unter, noch sind die Eichhörnchen außergewöhnlich bedroht.
Die traurige Wahrheit ist leider auch: Medien, die solche Herz-Schmerz-Stories als „seriöse“ Inhalte verbreiten, verbreiten ohne jede Not Angst und Sorgen, verunsichern Menschen durch falsche oder halbgare Informationen und haben mit gutem Journalismus nichts zu tun.
Die Story hat ein Happy-End: Es schadet auch nicht, wenn man den Eichhörnchen Futter hinstellt. Wenn sie kommen, kann man sich an ihnen freuen. Man sollte sie aber als das respektieren, was sie sind, ein Teil der Natur und die kennt moralische Begriffe wie „schrecklich“ oder „furchtbar“ nicht.
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