Rhein-Neckar, 11. Februar 2019. (red/pro) Seit einigen Wochen hat die Medienlandschaft ein neues Gesicht: Greta Thunberg. Die 16-jährige Schwedin machte rasant Karriere und gilt nach nur wenigen Wochen als Galionsfigur der Klimaschutzbewegung. Sie hat alles, was Medien lieben, um emotionale Geschichten zu erzählen und passt deshalb treffend zur zunehmenden Boulevardisierung der Medienlandschaft. Und ganz offenbar bietet man das, wonach breite Gesellschaftsschichten verlangen. Stoff fürs Herz. Der Verstand soll dabei verloren gehen.
Von Hardy Prothmann
Fans der jungen Schwedin werden genauso wie deren Gegner von diesem Text enttäuscht sein. Denn es folgt weder eine Lobrede auf die junge “Aktivistin” noch harsche Kritik an dem Mädel.
Die Kritik gilt den Fans und den Gegnern und vielen Medien – denn man lässt sich auf ein Spiel ein, das hochgradig verantwortungslos ist und längst auch in der Mannheimer Lokalpolitik angekommen ist.
Greta Thunberg hat alles, was es braucht, um unangreifbar zu sein. Sie ist minderjährig, sie ist weiblich, sie ist klein und eher unauffällig, wären da nicht dieser besondere, starre und emotionslose Gesichtsausdruck und ihre anspruchslose Zopffrisur. Angeblich wurde bei dem jungen Mädel Asperger diagnostiziert, eine tiefgreifende Entwicklungsstörung aus dem Autismus-Spektrum.
Zitiert wird sie damit, dass gerade diese Entwicklungsstörung ihr helfe, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Die Welt in Graustufen zu betrachten sei ihr wesensfremd – sie sehe nur schwarz oder weiß und im Falle der Zukunft des Planeten eben schwarz. Deshalb stellt sie die Maximalforderung: Bedingungsloser Klimaschutz. Jetzt. Sofort. Ohne jeden Kompromiss. Mit ausdrucksloser Miene, während sie gleichzeitig durchaus provokante Äußerungen tätigt: “Ich will, dass ihr in Panik geratet.”
Keine Inhalte, dafür aber Gefühle
Sie hat inhaltlich nichts zu sagen, was man von Seiten von selbsternannten Klimaschützern nicht schon kennte. Einen Masterplan hat sie nicht, außer, dass sie behauptet die Klimakrise sei “bereits gelöst. Wir haben bereits alle Fakten und Lösungen. Alles, was wir tun müssen, ist aufzuwachen und uns zu verändern.”
Für die Medienlandschaft kann man eine Greta Thunberg nicht besser erfinden. Kinder gehen immer. Mitleid auch. Empörung auch. Betroffenheit sowieso und wenn es dann noch für eine gute Sache ist, gibt es kein Halten mehr.
Argumentative Kritik versagt vor emotionaler Betroffenheit – immer. Jeder, der sich nicht von dieser Betroffenheit anstecken lässt oder sogar kritisch äußert, ist verdächtig, ein emotionales Wrack zu sein. Nicht in der Lage, Empathie zu empfinden. Und wer sich ironisch über das Mädchen äußert, verstärkt die Echo-Wohlfühl-Kammer der Besserfühlenden und alle, die sich gar böse äußern, sich der willkommene Beweis auf der guten Seite der Macht zu stehen.
“Öko-Pippi”
Die Bild-Zeitung macht aus dem Teenager die “Öko-Pipi” und liegt damit gar nicht mal falsch. Greta Thunberg ist als Person zwar aus Fleisch und Blut, aber als Ikone eine willkommene Projektionsfläche, um einfache Botschaften zu übermitteln. Wer sich mit ihr solidarisiert, ist gut und will die Welt retten, wer das nicht tut, ist böse. Sie und ihre (mediale) Anhängerschar sind wie das weiße Licht, die anderen wie die schwarze Nacht.
Die Komplexität der Welt wird auf einfache, plakative Aussagen reduziert – also Botschaften, die moralisch hoch aufgeladen, aber wenig konkret sind. Man könnte das auch Populismus nennen.
Professionelle Inszenierung
Hinzu kommt eine Inszenierung, die eben nicht zufällig ist, sondern hochprofessionell. Der schwedische Geschäftsmann Ingmar Rentzhog hat über soziale Netzwerke die Bekanntheit der Teenagerin gepusht und sogar mit ihr als Werbung über eine Million Euro für sein Projekt “We don’t have time” beim Börsengang des Öko-Startups eingesammelt. Angeblich wussten die Eltern nichts davon und das zeitgleich mit der Kampagne Gretas Mutter ein Buch veröffentlicht hat, sei reiner Zufall gewesen. “Öko-Pippi” soll dann kurzfristig Ratgeberin für den Vorstand der Stiftung gewesen sein, könne diese Funktion aber nicht mehr ausüben, weil sie so beschäftigt sei.
Das schwedische Staatsfernsehen inszenierte das Mädchen und sendete Fake News über einen ihrer Auftritte – als ein Blogger darüber berichtet, wird der Film gelöscht.
Auch das Mädchen selbst inszeniert sich. Auf Twitter folgen ihr sagenhafte 168.000 Menschen. Ihre Selbstbeschreibung lautet: “16-jährige Klimaaktivistion mit Asperger.” Ist Asperger eine Art besonderer Qualifikation?
Mit der Bekanntheit der Schwedin entwickelt sich wegen ihres “Schulstreiks für das Klima” die Bewegung “Fridays for future”. Auch in Mannheim gingen vor zwei Wochen gut 1.000 Schüler/innen nicht in die Schule, sondern auf die Straße. Klar gab es auch Kritik, denn immerhin besteht Schulpflicht, aber echte Konsequenzen gab es keine – denn wer will sich schon gegen Schüler stellen, die doch nur etwas Gutes wollen, nämlich das Klima retten?
Haben Sie damit das Klima gerettet? Wohl kaum. Aber wenigstens das gute Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Fast alle besitzen Smartphones und Computer aus fernöstlicher Produktion und organisieren sich über soziale Netzwerke und Messengerdienste. Kaum jemand dieser Schüler liest noch Zeitung, sondern holt sich Informationen aus dem Internet und zwar die, die zum eigenen Weltbild passen. Und sehr viele wurden zumindest in der Grundschulzeit mit dem Mama-Taxi befördert.
Kinder als politisches Mittel zum Zweck
Im Mannheimer Gemeinderat durften in der vergangenen Woche rund zwei Dutzend Kinder vortragen, welche Wünsche der zweite Mannheimer Kindergipfel erarbeitet hatte. Dazu durften die Kinder im Rund des Rats Platz nehmen – ein Novum. Dürfen demnächst die Baumretter vom Lindenhof oder die Grünhofgegner aus Feudenheim auch im Rund des Rats ihre Wünsche äußern?
Verschiedene Gemeinderäte verschiedener Parteien freuten sich über die große Verantwortung, die die Kinder übernehmen würden und bedankten sich recht herzlich für deren Mut, im Gemeinderat aufzutreten. “Für Kinder” passt immer – insbesondere in Wahlkampfzeiten.
Kleinkinder eines Kindergartens auf der Vogelstand wurden von den Erzieherinnen instrumentalisiert, um gegen einen Informationsstand des AfD-Landtagsabgeordneten Rüdiger Klos zu protestieren – mit Schildern, die die Erzieherinnen für die schreibunkundigen Kinder getextet hatten. Damit der Protest auch schön bunt geriet, reihte man ein dunkelhäutiges Kind mit ein.
Hochgefährliche Infantilisierung
Diese Infantilisierung der Politik ist hochgradig gefährlich.
Erstens, weil diese sich mehr und mehr zum Postfaktischen entwickelt. Nicht mehr das inhaltliche Argument ist von Bedeutung, sondern nur noch die Inszenierung irgendwelcher Aktionen. Motto: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Zweitens, weil diese Illusionen irgendwann Desillusionen weichen müssen. Man erhält zwar positive Beachtung, aber es ändert sich nichts oder jedenfalls nicht “sofort” – da sind die Enttäuschungen vorprogrammiert. Und was folgt dann? Über die Desillusion hinaus möglicherweise auch eine Depression – gegenüber dem staatlichen und politischen Handeln. Auf eine propagandistische Mobilisierung folgt eine nüchterne Starre.
Wie fatal sich diese einfachen Narrative auswirken können, zeigen Beispiele aus der Vergangenheit. Eine Welle der Empörung raste über die Welt, als das Bild des kleinen Aylan um die Welt ging, der beim Versuch von der Türkei nach Griechenland überzusetzen, ertrank. Richtig an der Story war, dass das Boot kenterte, in dem der Junge mit anderen saß. Tatsächlich war die Familie aber längst in der Türkei in Sicherheit vor dem Krieg in Syrien und der Vater ging das Risiko bewusst ein, weil er weiter wollte in den Westen, unter anderem, um sich die Zähne richten zu lassen. Für eine Schwimmweste für sein Kind sorgte der Mann nicht.
Dann die vielen Kinderbilder von Flüchtlingen im Jahr 2015, gerne mit Kanzlerin. Lauter Rührgeschichten, deren einziger Zweck emotionale Ansprache und nicht inhaltliche Aufklärung war.
Während die Gesellschaft sonst sehr auf Kinder- und Jugendschutz bedacht ist, spielt das – die “richtige” Gesinnung vorausgesetzt – plötzlich keine Rolle mehr. Tatsächlich ist auch das verantwortungslos. Man inszeniert und instrumentalisiert Kinder für eigene Ziele.
Ikone und Opfer
Der Unternehmer hat erfolgreich Geld eingesammelt, die Öko-Bewegung hat eine Ikone, die man für die eigenen ideologischen Ziele wunderbar nutzen kann.
Das schwedische Mädchen Greta ist eigentlich ein Opfer – sie kann nicht in “Grautönen” denken oder fühlen, wegen ihrer Asperger-Erkrankung. Damit ist sie auch nicht in der Lage zu verstehen, wie sie instrumentalisiert wird. Denen, die sie benutzen, ist das egal. Sie funktioniert und das ist die Hauptsache.