Mannheim/Rhein-Neckar, 09. August 2017. (red/pro) Rund 30 Personen, in der Spitze rund 50, besetzten am vergangenen Samstag das Haus „Hafenstraße 66“, das seit September 2011 leer steht. Der illegale Hausfriedensbruch war sehr gut organisiert und hatte zum Ziel, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erreichen. Zuverlässige Informationen spielen dabei keine Rolle – es geht um Stimmungsmache verschiedenster Akteure. Die Stadt Mannheim und auch die Polizei sind hochgradig alarmiert, denn die Hausbesetzung ist zwar glimpflich verlaufen – es waren und sind auch andere Szenarien vorstellbar. Mit einem Wort: Es ist Dampf auf dem Kessel, was schnell kritische Wendungen ergeben kann. Unser Überblick.
Von Hardy Prothmann
Rund zwei Dutzend Personen stehen auf der Straße. Immer wieder gehen welche in das Haus Hafenstraße 66, andere kommen raus. Es ist Samstagnachmittag. Das „stadtpolitische Bündnis“ „Wem gehört die Stadt“ hat das Haus besetzt.

Die Dame rechts im Bild trägt „Terror“ auf dem T-Shirt.
Der illegale Hausfriedensbruch findet weitestgehend ohne Beachtung der Öffentlichkeit statt. Passanten laufen vorbei, manche bleiben stehen, andere wechseln die Straßenseite. Gegenüber neben dem C-Hub steht die Polizei mit wenigen Kräften. Polizeioberrat Jörg Lewitzki, Revierleiter Innenstadt und aktuell Einsatzleiter, telefoniert ständig. Wenn er nicht telefoniert, bespricht er sich mit den anwesenden Beamten oder Petar Drakul, Referent des Oberbürgermeisters Dr. Peter Kurz oder mit dem Ersten Bürgermeister Christian Specht. Und immer wieder gibt es „Verhandlungsgespräche“ mit den Hausbesetzern.
Wer sind die Hausbesetzer?
Wer sind die? Das ist überwiegend unklar. Sie nennen sich „Wem gehört die Stadt?“. Die aktionistische, provokante Frage ist leicht zu beantworten: „Euch nicht!“ Diesen Personen gehört auch nicht die Hafenstraße 66. Der Straftatbestand ist eindeutig: Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Der kann mit Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Haft bestraft werden. Abhängig von der Schwere des Vergehens.
Ich selbst gehe nicht ins Haus. Denn dann müsste ich an einigen Leuten vorbei, die dem Staatsschutz und teils auch mir als Mitglieder der gewaltbereiten linksradikalen Szene bekannt sind. Kaum jemand ist aus dem Jungbusch und schon gar nicht „alteingesessen“ – dort stehen ganz überwiegend jüngere Leute. „Herr Lewitzki, ich könnte ja mal rüber gehen“, sage ich in einem kurzen Moment, in dem der Mann nicht anderweitig beschäftigt ist. Er grinst angestrengt und sagt: „Herr Prothmann, ersparen Sie mir den Ärger.“ Ich zwinkere, er zwinkert und ich erspare ihm den zusätzlichen Stress.
Mir reicht die Schilderung. Im Haus habe die Gruppe „sauber gemacht“. O-Ton: „Die haben mehr Besen als die Stadtreinigung dabei“, sagt jemand, der drin war. Andere nicken. Also keine weitere Sachbeschädigung bis auf die aufgebrochene Tür. Jemand anderes sagt: „Die sind gut vorbereitet und wissen, dass sie nichts anstellen dürfen.“ Man diskutiert, ob die Gruppe sich selbst vorbereitet oder womöglich eine „Rechtsberatung“ eingeholt hat – sehr viel spricht für eine wie auch immer geartete rechtliche Beratung.

Verhandlungsgespräch im C-Hub
Deeskalierende Verhandlungsführung durch Petar Drakul
Mit dem Hausfriedensbruch hat man eine strafbare Handlung vollzogen – und zwar jeder, der daran beteiligt ist. Aber dabei handelt es sich um ein „Antragsdelikt“ – ohne Strafanzeige des Besitzers werden die Behörden die Straftat nicht verfolgen, solange keine anderen Dinge drohen. Die Besetzer wissen das offensichtlich und geben sich verhandlungsbereit.
„Den Petar Drakul kannte ich bislang noch nicht“, sagt uns ein Polizeibeamter nach dem Wochenende und ergänzt: „Der hat seinen Job wirklich gut gemacht. Er ist offen ins Gespräch gegangen und hat von Anfang an klare Kante gezeigt und deutlich gemacht, was geht und was nicht geht.“
Nach sieben oder acht Stunden verlassen die Besetzer das Haus. Ein eigens herbeigerufener Statiker, der Erste Bürgermeister Christian Specht und vor allem Herr Drakul konnten die Gruppe letztlich überzeugen, dass die Stadt Mannheim eine „Inbesitznahme“ nicht hinnehmen kann, denn das Haus ist baufällig. Insbesondere die Decken und die Treppe könnten nicht nur lebensgefährlich sein, sie sind es – abhängig von der Belastung. Schon fünf Personen, so eine Forderung der Besetzer, die übernachten wollten, könnten zu viele sein. Pressesprecher Ralf Walther warnt alle Journalisten: „Es ist meine Aufgabe sie darüber zu informieren, dass ein Betreten des Gebäudes nur auf eigene Gefahr erfolgen kann.“

Betreten lebensgefährlich
Die Verhandlungen von Stadt und Polizei mit den Besetzern enden glimpflich. Die Polizei muss nicht eingreifen – obwohl sie darauf selbstverständlich vorbereitet ist. Die Besetzer ziehen ab, für den Montag wurde ein Gespräch im Rathaus vereinbart, das auch stattfand. Zusätzlich wurde davon abgesehen, eine strafrechtliche Verfolgung einzuleiten. Unterm Strich ein faires Angebot an die Gruppe – die Störenfriede müssen zudem für keinerlei Kosten aufkommen. Also Polizeieinsatz, Statiker, Schreiner, der die Türen sichert. Dafür ziehen sie ab und erhalten ein Gespräch.
Falsches Gebäude
Aus Sicht der Stadt, ist die Hafenstraße 66 das denkbar ungeeignetste Gebäude, um gegen eine „Gentrifizierung“, also die Vertreibung der ursprünglichen Bewohner eines Viertels durch steigende Mietpreise infolge von Sanierung und des Zuzugs zahlungskräftigerer Klientel.
„Wir haben das Gebäude im September 2011 übernommen, weil die Zustände vollständig unhaltbar waren. Das war ein Matrazenlager für Südosteuropäer, die vollständig ausgenutzt wurden und für die damals auch schon Lebensgefahr bestand“, fasst Petar Drakul auf Anfrage zusammen: „Das war ein Ausnahmezustand, den wir durch ein ausgeübtes Vorkaufsrecht beendet haben.“
Seither ist aus Sicht der Besetzer wenig oder „das Falsche“ passiert. Doch auch das ist nicht zutreffend. Die Stadt habe das Gebäude mehrfach ausgeschrieben und dabei teils deutlich mehr als das Doppelte des Kaufpreises von rund 400.000 Euro geboten bekommen, der öffentlich in der Debatte steht, aber von der Stadt aus Datenschutzgründen nicht bestätigt wird. Doch die Stadt hat eben nicht an einen „Meistbietenden“ verkauft, sondern das markant gelegene Gebäude gehalten – wenn auch im baufälligen Zustand.
Perforation als Strategie
Der Erste Bürgermeister Christian Specht nennt das eine „perforierende“ Politik – man kaufe zentrale Gebäude, die eine wichtige Funktion haben: „Wir können ja nicht alles kaufen. Das ist erstens utopisch und zweitens nicht angebracht. Aber wir können über gewisse Immobilien sozusagen „strategisch“ Einfluss ausüben“, sagt er am Samstagabend nach der Besetzung bei einer Pressekonferenz. Die Hafenstraße 66 sei so ein Gebäude.

Schutzpolizei und Staatsschutz
Die Zukunft des Gebäudes sei unklar und weder in der Dezernentenkonferenz noch in Ausschüssen behandelt worden. Das bestätigt die Stadt auf Anfrage nochmals. Der Grund ist ein einfacher – als Matrazenlager war die Immobilie ein Problem und sie bleibt eins, weil die Kosten für eine Sanierung immens sind. Ein Gründerzentrum ist als Idee im Raum. Auch eine Außenstelle der Arbeitsagentur wäre vorstellbar. Eine Nutzung als Wohnhaus ist unrealistisch.
Konzeptionslose Hausbesetzer
Auf Anfrage beziffert die Stadt die Kosten für eine Grundsanierung auf mindestens 1,2 Millionen Euro. Bei einer ordentlichen Sanierung auf zwei bis drei Millionen Euro, je nachdem, was man umsetzt.
Man hört, die Gruppe wolle am Beispiel andere „Mietshäuser Syndikat“-Projekte die Immobilie teils in Wohnraum umwandeln, teils für soziokulturelle Arbeit nutzen. Gegenüber einer Lokalzeitung wurde ein Kaufangebot von 425.000 Euro genannt.
Auf Anfrage teilt die Stadt zu dem Gespräch mit, man unterstütze alle, die sich engagieren wollen, auch bei der Konzeptionierung. Das klingt, als habe „WGDS“ kein Konzept. Unsere konkrete Anfrage an „Wem gehört die Stadt?“ wird mit der lapidaren Auskunft abgelehnt: „Hallo Herr Prothmann, wir wissen von zu vielen Fällen, in denen Geschehnisse von Beteiligten anders geschildert wurden, als Sie es auf Ihrem Blog berichteten. Medienarbeit fußt auf Vertrauen, das wir in Ihre Arbeit aufgrund vergangener Artikel nicht haben können.“
Journalistische Arbeit fußt neben Vertrauen auch auf Fakten und deren Überprüfung. Fakt ist: Das Gebäude umfasst rund 330 Quadratmeter nutzbare Wohn- oder Gewerbefläche. Addiert man 400.000 Erwerbspreis und nur 1,5 Millionen Euro Sanierungskosten, ergibt sich ein Quadratmeterpreis von 5.757 Euro, um das Gebäude nutzbar zu machen. Ein solcher Preis ist selbst bei Luxusimmobilien klar im (ab)gehobenen Segment.

Die Stadt Mannheim ist kein Spekulant
Die Syndikatsidee
Im Ergebnis sind Ideen von soziokulturellen Räumen und günstigen Mieten bei den gegebenen Verhältnissen komplett utopistisch – außerhalb jeder vernünftigen Konzeptionierung. Ein Abriss und Neubau wäre deutlich günstiger.
Apropos Utopien und „Mietshäuser Syndikat“. Beides geht zusammen. Eine in den 80-iger Jahren in Freiburg entwickelte Idee von „gemeinschaftlichem Wohnen“ zu günstigen Mieten durch „Entprivatisierung“ von Wohnraum, hat in den 90-iger Jahren Fahrt aufgenommen und mittlerweile gibt es bundesweit rund 60 Projekte, die umgesetzt worden sind. Dabei übernehmen die Mieter eine Immobilie durch Erwerb und verwalten diese selbst, so auch in Mannheim auf der Konversionsfläche Turley, wo aber auch zwei Projekte durch Neubau nach der „Syndikatsidee“ entstanden sind.
Die Idee ist, Immobilien dem freien Markt zu „entziehen“. Die Grundlage dafür sind nicht illegale Hausbesetzungen, sondern die Anwendung rechtsstaatlicher Möglichkeiten. Man gründet eine GmbH, besorgt sich Kapital, von Privatleuten und Banken, profitiert vom „Good will“ von Verwaltungen und anderen und übernimmt eine Immobilie in Selbstverwaltung. Ein Gesellschafter der GmbH ist das jeweilige „Syndikat“. Damit soll die Immobilie vor Spekulationen geschützt werden, denn ohne Zustimmung des „Syndikats“ gibt es keine Veräußerung.
Radikalen Kräften ist diese Form der „Kommune“ nicht nur suspekt, sondern geradezu lächerlich konform. Denn es gibt keinen Kampf mit dem System. Doch das stimmt nicht. Der Kampf findet statt – nicht in Form von Steinewerfen und „Scheiß-Bullen“-Parolen, sondern in der Beschäftigung mit Finanzierungstabellen, Projektlisten und häufig anstrengenden Vollversammlungen mit schier endlosen Debatten.
Diese „Syndikate“ sind nun plötzlich Hauseigentümer in Selbstverwaltung. Sie übernehmen ehrenamtlich alle Aufgaben, die sonst der freie Markt gegen Geld übernimmt. Also alle anstehenden Aufgaben, die mit dem Erwerb und der Unterhaltung der Immobilie zusammenhängen. Dazu werden häufig Bauleistungen in Eigenarbeit erbracht. Unterm Strich erreichen diese Projekte ihr Ziel: Sie können meist deutlich unter „Marktniveau“ günstige Mieten bieten – das Geld, das sie einsparen, erbringen sie durch Eigenleistung. Man könnte das auch Selbstausbeutung nennen.
Der Beweis, ob diese Projekte „on the long run“ funktionsfähig sind, ist noch längst nicht erbracht. Die meisten Projekte sind noch keine zehn Jahre alt. Gruppen, die sich gemeinsam verständigt haben, könnten urplötzlich auseinander brechen, wenn sich deren Zusammensetzung verändert oder sich aus welchen Gründen auch immer „Beziehungen“ als untragbar entwickeln. Und was, wenn Mitglieder auch die günstige Miete nicht mehr tragen können? Duldung zu höheren Kosten für andere oder Räumungsklage? Und was, wenn die Mieter älter werden und entsprechende Umbauten benötigen, die auf Grund von zu wenig Kapital nicht erbracht werden können? Das ist noch ein offenes Feld.

Die symbolische Verbindung ist klar und erinnert an die Besetzungen der Hamburger Hafenstraße
Völlig intransparente Störergruppen
Zurück zur Hausbesetzung. Wer ist eigentlich „Wem gehört die Stadt?“. Im Impressum steht ein Christian Schmidt, c/o „Wildwest“ in der Alphornstraße. Wer ist Christian Schmidt? Wer Wildwest? Das könnten wir für Sie recherchieren – aber warum sollten wir das? Warum ist es einem „stadtpolitischen Bündnis“ nicht möglich, sich transparent zu machen, sich den Bürgern vorzustellen?
Als Sprecher fungieren ein „Christopher Lobin“ und eine „Eva Schmitt“. Wer sind diese Personen? Für wen genau sprechen sie? Für sich selbst, für fünf Leute, für zehn, für mehr? Wo und wann wurde wie demokratisch eine „Linie“ verabschiedet? All das erfährt man nicht. (Diese Gruppe war auch an einer kurzfristigen Hausbesetzung in der Carl-Benz-Straße beteiligt.)
Im Zuge unserer Recherche stoßen wir auf viele Namen. Karl-Heinz Paskuda beispielsweise, ein Alt-Linker mit Selbstdarstellungsdrang, der verantwortlich für „Lok“ ist. Was ist „Lok“? Keiner weiß das so genau. „Lok“ steht für „Linke offensive Kommunalpolitik“. Ok. Unter „links“ kann man sich was vorstellen, unter „Kommunalpolitik“ auch. „Offensiv“ hingegen ist „interpretationsbedürftig“. Was meint das? Die Beteiligung von „offensiven Streitkräften“ wie linksradikalen Gewalttätern?
Dieser Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, schließlich betont die Antifa Mannheim „Wem gehört die Stadt?“ („WGDS“) zu unterstützen und „WGDS“ postet ganz offensiv, dass man sich mit der „Interventionistischen Linken“ solidarisiert – eine anonyme Vereinigung von Linksradikalen, die mit vielen gewalttätigen Aktionen in Verbindung gebracht werden, ob in Frankfurt oder Hamburg, bei denen es enorme Sachbeschädigungen und viele verletzte Polizeibeamte gegeben hat.
Auch Herr Paskuda war eigenen Angaben zufolge in Hamburg. Herr Paskuda ist unserer Ansicht nach ein linksextremer Wutrentner, der irgendwelche Konflikte mit sich rumschleppt und nach Aufmerksamkeit giert. Nicht anders eine Ursel Risch oder ein Klaus Brückner – einzelne Personen, die von anderen Medien zu Wortführern von „Bewegungen“ stilisiert werden, die oft nur aus wenigen Personen bestehen, aber durch mediale Inszenierung eine Bedeutung erhalten, die sie weder intellektuell, noch politisch, noch pragmatisch auch nur ansatzweise ausfüllen können.
Auch die Bundestagskandidatin Gökay Akbulut (Die Linke) setzt sich in Szene im Zusammenhang mit der Hausbesetzung. Diese Person ist mir noch bestens in Erinnerung, als sie als Sprecherin den Kurdenfestivals auf Fragen zum Kurdenkrawall, bei dem 70 Polizisten verletzt worden waren, lächelnd antwortete, die Polizei habe „provoziert“. Aktuell sitzt sie im Gemeinderat in Mannheim und steht auf dem Listenplatz 3 für Die Linke in Baden-Württemberg – das wird vermutlich nicht für ein Mandat reichen, aber es sagt viel aus über Die Linke, eine solche Person so prominent zu platzieren.
Cademartori: Beteiligung ja – Hausbesetzung nein
Am Samstag treffe ich vor Ort Isabel Cademartori. Die wird später per Pressemitteilung informieren: „Wir sind der Meinung, dass über die Zukunft der Hafenstraße 66 unter breiter Beteiligung des Stadtteils diskutiert werden muss. Nicht jeder Bewohner und interessierter Bürger greift gleich zum Mittel der Hausbesetzung um sich zu artikulieren, umso wichtiger ist es, dass auch sie gehört werden. Es war am Samstag, bei zwei unabhängigen, parallel stattfindenden Veranstaltungen zum Thema Wohnen offensichtlich, dass es voneinander unabhängige Gruppierungen gibt, bei denen auch viele Personen mitmischen, die nicht aus dem Jungbusch sind und andere, die auch parteipolitische Interessen verfolgen.“
Wer den Rheinneckarblog verfolgt, weiß, dass Frau Cademartori von uns durchaus kritisch betrachtet worden ist. Natürlich ist auch sie als Bezirksbeiratsprecherin der SPD „Innenstadt/Jungbusch“ eine Person, die parteipolitische Interessen verfolgt. Aber immerhin ist Frau Cademartori im Gegensatz zu anderen im Gespräch – auch mit uns. Und immerhin stellt sie sich gesprächsbereit, aber kritisch auf.

Polizeioberrat Lewitzki, Erster Bürgermeister Specht, Pressesprecher Walther bei der Pressekonferenz nach dem Abzug der Besetzer
Die „Heuschrecke“ gibt bereitwillig Auskunft
Ebenso die Immobilienfirma Hildebrandt & Hees GmbH. Gegenüber dem Unternehmen fährt „Wem gehört die Stadt?“ schwere Geschütze auf: „Im Auftrag von BNP hat die Mannheimer Immobilienfirma Hildebrandt und Hees begonnen Mieter*innen und Kleinunternehmer*innen im Jungbusch zu schikanieren“, heißt es auf einem Flyer von „WGDS“. Und weiter: „Ziel ist es aus den Immobilen so viel Profit wie möglich herauszuquetschen.“
Tatsächlich handelt es sich dabei unserer Einschätzung nach um zwei abträgliche Tatsachenbehauptungen, die durchaus abmahnfähig sein könnten, wenn die ach so schlimme Firma es darauf anlegen würde. Die Adressaten wären laut Impressum Herr Schmidt, laut Postings Herr Lubin und Frau Schmitt. Sowas kann sehr schnell ins Geld gehen.
Geschäftsführer Marcel Hauptenbuchner hat zwar überhaupt keine Zeit, nimmt sich diese aber, um mit uns zu reden: „Wir haben kein Interesse an Ärger und bislang reagieren wir nicht auf diese Provokationen“, sagt er. Und weiter: „Zutreffend ist, dass wir als Dienstleister für den Erwerb von rund 20 Immobilien im Jungbusch tätig waren und als Hausverwalter tätig sind.“
Weiter erzählt er, dass allein drei dieser Immobilien nicht bewohnt waren – weil unbewohnbar: „Dort wurde investiert und wir haben rund 30 Wohneinheiten geschaffen, die es vorher nicht gab.“ Übersetzt: Es wurde Schrott zu Wohnraum entwickelt. Vertrieben wurde niemand.
Selbstverständlich gingen mit den Investitionen auch Mieten von 10-12 Euro daher, abhängig von der Wohnungsgröße: „Bei Neuvermietungen bieten wir sanierte Wohnungen an, in die entsprechend investiert worden ist. Das betrifft aktuell aber nur rund 25 Prozent des Portfolios. Wir haben auch viele Altverträge übernommen, wo die Mieten deutlich geringer sind“, sagt Herr Hauptenbuchner. Übersetzt: Mit Auszug erfolgt eine Sanierung, so dass in diesen Immobilien durchaus gemischte Bevölkerungsgruppen leben.
Geht so Schikane?
Wenn Herr Hauptenbuchner von „wir“ spricht, meint er einen geschlossenen Immobilienfonds der BNP Reim GmbH, in den überwiegend Kapitalgeber aus der Region investiert hätten. Also nicht seine Firma und auch nicht die Bank BNP Paribas, sondern regionale Geldgeber. Ganz klar erwarte man Rendite, es gäbe aber auch eine Verbundenheit mit dem „Jungbusch“ – denn den kennten die Investoren aus welchen Gründen auch immer: „Da gibt es Beziehungen.“
Vollständig überraschend äußert sich Herr Hauptenbuchner zu „Die Strümpfe“ und „Blau“: „Wir schätzen das Engagement sehr. Beide Angebote bereichern den Stadtteil und das ist uns wichtig.“ Redet so eine „Heuschrecke“? Vor allem, nachdem nach dessen Angaben beide Anbieter neue Mietverträge mit „langfristiger Perspektive“ unterschrieben hätten? Klar seien die Verträge teurer geworden, aber im Vergleich immer noch günstig.
Das klingt bei „WGDS“ ganz anders. Dort ist von „Schikane“ die Rede. Tatsache ist wohl, glaubt man Herrn Hauptenbuchner, dass mit beiden Betreibern neue Verträge ausgehandelt worden sind, die auch von jeweils beiden Seiten unterschrieben wurden. Ob höhere Mieten Schikane oder angemessen sind, ist wohl relativ abhängig vom Standpunkt des Betrachters. „Die Strümpfe“ und „Blau“ dürfen sich gerne mit uns in Verbindung setzen, wenn sie eine „Schikane“ belegen wollen. Wir gehen davon aus, dass dies nicht passieren wird.

1995 direkt aus dem Blau gekauft – ein Kunstwerk von Jörg Fischer.
Spielautomaten unerwünscht
Übrigens: Eric Carstensen von „Die Strümpfe“ ist ein Schulkamerad von mir – wir kennen uns weit mehr als 30 Jahre. „Richtige“ Freunde waren wir nie, aber wir haben öfter mal zusammen gefeiert. Und auch zum „Blau“ habe ich eine „Beziehung“ – neben einigen Besuchen, teils exzessiven, habe ich 1995 dem Künstler Jörg Fischer ein Bild abgekauft, das dort ausgestellt war. Für 600 Mark. Soviel zur Transparenz, zu der andere eher nicht fähig sind.
Aus Sicht des „Bündnisses“ wird das Immobilienunternehmen verteufelt. Handelt so der Teufel? Indem er sich öffentlich lobend äußert? Das könnte schon sein – es kann sich aber einfach auch nur um vernünftige Stellungnahmen handeln.
Beispielsweise auch diese zum „Stehcafé Kardes“ und „Café Batia“: „In diesen Objekten gibt es Spielautomatenbetrieb, der nicht zu unseren geschäftlichen Überzeugungen passt. Das ist kein Angebot, das uns gefällt und das wir fördern wollen.“ Und was sonstige Schikanen betrifft: „Wissen Sie, in der Oststadt könnte es Ermahnungen geben, wen jemand im Treppenhaus raucht. Davon sprechen wir nicht im Jungbusch. Dort fliegt Müll aus dem Fenster, um ein Beispiel zu nennen und wenn wir anmahnen, das zu unterlassen, dann können gewisse Leute das als Schikane begreifen. Es ist aber keine, sondern das Einfordern von ordentlichem Verhalten.“
Ist das eine falsche Haltung, eine falsche Argumentation? Klingt so ein Immobilien-Hai?
Unabhängig von der Lage in diesen beiden Objekten, sollten unsere Leser wissen, dass insbesondere Gastronomien mit Spielautomatenbetrieb im Fokus der Ermittlungsbehörden stehen, weil dort mutmaßlich Geld gewaschen wird. „Schmutziges Bargeld“ wird über die Automaten rein gewaschen, weil als Umsatz deklariert, versteuert und damit „sauber“. Die Polizei ist in der jüngeren Vergangenheit mehrfach mit Razzien in dieser Richtung tätig geworden, vor allem in der Neckarstadt-West. Wie gesagt – das ist ein allgemeiner Hinweis. Zu den genannten Lokalitäten haben wir keine belastbaren Informationen.
Lieber Matrazenlager als ordentlichen Wohnraum?
Wofür setzt sich dieses ominöse, unbekannte „Bündnis“ „Wem gehört die Stadt?“ eigentlich ein? Für brutale Matrazenlager-Abzocker, die Südosteuropäer ausbeuten und das für Multikulti halten? Für Spielautomatenaufsteller? Für Hausbesitzer, die Immobilien durch mangelnde Investitionen verkommen lassen? Für marode Wohnungen mit Ölofenheizungen, die bekanntlich besonders umweltfreundlich sind? Für das Recht, kein eigenes Klo zu besitzen und in vergammelten Wohnungen zu hausen?
Oder geht es um ganz andere Ziele von Personen, die unter dem Deckmantel von „Bündnissen“ und „Initiativen“ möglicherweise radikalen Gruppen einen Weg vorbereiten, den naive „Aktionisten“ als Werkzeuge für konkrete „Ziele“ auch nicht ansatzweise durchschauen? Bei „Lok“ sind auch Mitglieder von Die Partei und Grüne dabei. Angeblich wolle „Lok“ bei der kommenden Kommunalwahl antreten – wie das gehen soll, ist offen.
Das sind Fragen, die man stellen muss und denen wir nachgehen.
Klar ist, dass eine auf Dauer angelegte Besetzung der Hafenstraße 66 – hier gibt es eine symbolische Verbindung zur Hafenstraße in Hamburg und den 6-er-Häusern – mit zwangsläufiger Sicherheit zur Eskalation geführt hätte.
Die Stadt Mannheim hat daran überhaupt kein Interesse. Die allermeisten lokalpolitisch in erkennbarer Funktion Aktiven und ehrenamtlichen Bürger, die wir kennen, sowieso nicht. Auch nicht die Quartiermanager und schon gar nicht „das Kapital“ – das ist ein scheues Reh und flüchtet Konflikte bis auf die harten Zocker, die es im Jungbusch sicher nicht gibt, denn das ist (noch kein) Kriegsgebiet.
Keine Mitsprache für anonyme Chaoten
Unser Fazit: Eine anonyme Gruppe beansprucht Mitspracherecht für einen Stadtteil. Sie hat keine konkreten Argumente. Kein auf der Sachlage fundiertes Konzept. Sie präsentiert sich aber (nicht zum ersten Mal) aktionistisch und signalisiert Problempotenzial. Damit trägt sie nicht zu Entwicklung im Sinne der Bewohner des Stadtteils bei, sondern schürt verantwortungslos Konflikte, die es gibt oder noch nicht gibt, aber geben wird.
Die meisten Akteure agieren anonym. Transparenz wird gefordert, aber selbst nicht geboten. Ansprüche werden gestellt, aber verantwortliches Handeln ist nicht erkennbar.
Das ist eine Melange, die Sprengstoff ist – niemand will das im Zuge unserer Recherche bestätigen. Zumindest nicht offiziell. Tatsächlich machen sich viele verantwortlichen Leute, die sich sehr für die Stadt einsetzen, große Sorgen, über das, was von diesen anonymen Kreisen noch zu erwarten ist. Damit sind nicht Konzepte gemeint, sondern Chaosstiftung.
Klar ist – es gibt Druck auf dem Wohnungsmarkt, doch der ist nicht durch Erzeugung von Chaos zu lösen. Ganz im Gegenteil.
Die GBG schlägt Syndikatsmieten
Klar ist auch, dass Mannheim im Vergleich zu anderen Städten mit Metropolfunktion vergleichsweise gut dasteht. Eine herausragenden Rolle spielt dabei die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GBG. Gut 19.000 Wohneinheiten werden hier verwaltet – das ist die größte Baugesellschaft in öffentlicher Hand im Südwesten, die äußerst erfolgreich wirtschaftet, ohne Krake zu sein.
Und sie schlägt die „Mietshäuser-Syndikate“, die in Mannheim auf Turley entstanden sind. Dort werden Kaltmieten von 7,60, 7,80 und 8,94 Euro aufgerufen. Die GBG liegt im Schnitt unter 7,50 Euro.
Diese Mietpreise der „Syndikate“ sind alles, nur keine „bezahlbaren Mieten“ im Vergleich zu dem, was auf dem Jungbusch gefordert wird. Diese Mietpreise sind auch nicht Luxus – es hängt immer vom Standpunkt des Betrachters ab. Diese Mietpreise liegen aber deutlich über fünf oder sechs Euro – der Standard ist zudem nicht vergleichbar. Denn der ist auf Turley neu.
Achim Judt, Geschäftsführer der MWSP sagt: „Uns hat insbesondere die Solidaritätsadresse der SWK verwundert.“ Dieses Statement ist trocken, aber auf den Punkt. Die „Syndikat“-Projekte wurden schließlich unter tatkräftiger Beteiligung und mir viel Sympathie durch die MWSP und damit die Stadt Mannheim und deren Tochter GBG entwickelt. „Da fällt uns jemand in den Rücken“, sagt niemand. Aber der Eindruck kann entstehen, wenn man tiefer einsteigt und über entsprechende Informationen verfügt. Bei der Stadt nimmt man auch verwundert zur Kenntnis, dass geförderte Projekte wie ZeitRaumExit sich solidarisch erklären.
Giftspritze statt Belebung
Die Aktionen der „WGDS“ und der dahinter stehenden Akteure, die ganz überwiegend im Verborgenen agieren, können deshalb viel eher als Giftspritze, denn als Belebung wirken: „Auf die Stadtverwaltung und die Parteien können wir uns nicht verlassen. Die Stadtverwaltung selbst ist es, die seit Jahren eine Stadtentwicklung nur für Reiche und Unternehmen macht“, heißt es auf dem verteilten Flyer.
Dabei wird auch die Ansiedlung der Popakademie oder des C-Hub kritisiert – das beschleunige eine Gentrifizierung. Richtig ist das Gegenteil – teils gibt es utopische Mietpreise von drei Euro pro Quadratmeter, weil die Vermieter sich nicht um die Objekte gekümmert haben. Sie nehmen wenig Geld und investieren nichts – am Ende kommen Schrottimmobilien heraus. Wie ein Gebäude in der Beilstraße 19, das die GBG aktuell aufwändig saniert – für junge Familien. Auch das ist kein Gentrifizierungsprojekt, sondern ein Zuschussgeschäft, weil die Investition selbst nach Jahren über die Mieten nicht eingespielt sein wird. Aber solche Wahrheiten will man bei gewissen „Bündnissen“ nicht hören.
Ein besetztes Haus im Jungbusch ändert nichts an der Gesamtsituation. Bürgerliches, uneigennütziges Engagement ist bei der Stadt hochwillkommen, denn die hat so viele Baustellen zu bearbeiten, dass konstruktive Mitarbeit gerne gefragt ist.

Beamte sichern nach dem Abzug der Besetzer das Gebäude
Hausbesetzer, Störer oder gar politische Kriminelle können durch Aktionen Aufmerksamkeit erzielen. Dadurch zeichnet sich die aktuelle Aktion auch aus – es gab ein Werbevideo, Pressekonferenz, Pressemitteilung und viele Postings auf Facebook. Viel Tamtam, um Öffentlichkeit zu erzeugen. Inklusive der bestätigten Rückmeldung, unsere Redaktion nicht zu bedienen. Soviel zum Verständnis von Medienfreiheit und offenem Informationsaustausch. „WGDS“ ist nicht bereit, sich einer Kritik zu stellen und Fragen zu beantworten.
Null demokratische Legitimation, aber 100 Prozent Forderungen
„Wem gehört die Stadt?“ hat ebenso wie „LOK“ keinerlei demokratisch legitimierte Grundlage. Zudem wird mit gewaltbereiten Gruppierungen wie der Antifa und der „Interventionistischen Linken“ nicht nur sympathisiert, sondern sich öffentlich solidarisiert.
Damit entfällt jegliche Grundlage über weiterführende Gespräche. Nach unserer Auffassung muss die Stadt Mannheim bei Gesprächspartner auf Transparenz pochen und sich klar gegen demokratie- und staatsfeindliche Agitatoren abgrenzen.
Eine Legitimation von „Unterstützern“ wie der Interventionistischen Linken wäre fatal. Von dieser anonymen Gruppierung geht kein Gemeinwohl aus. Von diesen Chaoten geht nichts Gutes aus – aber „WGDS“ setzt sich solidarisch mit diesen Typen in ein Boot. Warum? Damit ist jegliche vertrauensvolle Verhandlungsbasis obsolet. Mit Chaoten und deren Sympathisanten kann man nicht verbindlich verhandeln.
Gefährliche Situation
Möglicherweise ist das auch der Plan. Eine Pseudo-Verhandlungsatmosphäre herzustellen, um diese dann krachend scheitern zu lassen, weil die andere Seite „schuld“ ist. Nach unseren Informationen beobachtet der Staatsschutz die Entwicklung mit „Besorgnis“, denn viele Anzeichen stehen auf „Sturm“.
Das bedeutet für die vielen Anonymen erstmal wenig. Vielleicht werden diese beobachtet, vielleicht auch nicht. Für die Verantwortlichen von „WGDS“ könnte es bei gewalttätigen Ereignissen jedoch eng werden, wenn man Bezüge herstellen kann.
Nach unseren Recherchen sind die Sprecher mehr oder weniger nützliche Idioten, die die Gesamtlage nicht überblicken und keinen blassen Schimmer haben, dass es innerhalb kürzester Zeit zu extremen Lagen kommen könnte, die durchaus auch Menschenleben gefährden.
Während naive „Revolutionäre“ also im Jungbusch ein Bier zischen, bereiten sich andere auf mögliche Großlagen vor, die den Bierseligen auch nicht ansatzweise klar sind.
Möglicherweise sind die Akteure bei „WGDS“ auch gar nicht naiv, sondern voll verantwortlich und betreiben einen massiven Agit-Prop – für wen auch immer.
Die Lage wird angespannt bleiben. Es gibt Gruppen, die eine Eskalation anstreben. Das erzeugt immer mehr Aufmerksamkeit als viele runde Tische.
Man darf gespannt sein, wer gewinnt – die Vernünftigen oder die Chaoten. Die haben wieder Mal unbehelligt agieren können. Wenn es zu einem Eklat kommen sollte, muss die Frage gestellt werden, warum nicht schon jetzt Strafanzeigen erstattet worden sind.