Mannheim, 20. Mai 2014. (red) Gentrifizierung in Mannheim? Weder der Mieterverein noch der Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz sehen hier ein Problem. Höchstens “vereinzelt”, wenn überhaupt, sei das festzustellen. Ein “Einzelfall” ist das Anwesen in der Kobellstraße 19-21. Hier kündigt der neue Eigentümer nach einer Sanierungsmaßnahme fast eine Verdopplung der Miete an. Vermutlich wird es Bewohnern anderer Häuser in Kürze ähnlich gehen.
Von Hardy Prothmann
Karlheinz Paskuda, Gemeinderatskandidat für Die Linke (Platz 7), ist schon lange am Thema dran. Mit Sorge beobachtet er zunehmende Gentrifizierungstendenzen in der Neckarstadt:
Hier werden sozial schwache Menschen zum Opfer von Investoren. Es muss endlich eine Milieuschutzsatzung her. Stadt, Bezirksbeirat und Mieterverein müssen endlich aktiv werden. Der Prozess der Gentrifizierung ist nicht mehr von der Hand zu weisen.
Gentrifizierung bezeichnet einen sozioökonomischen Wandel. Einkommensschwache Bewohner verlassen aufgrund von Mieterhöhungen ihr Viertel und wandern ab – stattdessen ziehen besser verdienende Menschen in die Bezirke. Insbesondere in Hamburg und Berlin hat diese Entwicklung schon für zahlreiche Proteste gesorgt. Häuser werden an Investoren verkauft, die sanieren, schlagen die Kosten auf die Miete um, insbesondere Alleinerziehende oder ältere Menschen können sich die Wohnung nicht mehr leisten und müssen ihre gewohnte Umgebung verlassen – inklusive der sozialen Kontakte.
Dazu kommen unmenschliche Zustände. Wir haben bereits über das Gebäude in der Kobellstraße 19-21 berichtet. Seit elf Monaten ist das Haus verhüllt, in die Wohnungen gelangt kein Tageslicht mehr. Tagsüber wird gebohrt, gesägt – es staubt ohne Ende. “Wohnen” kann man hier eigentlich nicht mehr. Mehrere Mieter haben bereits gekündigt und das Haus verlassen. Die Stadt ist informiert, angeblich wurde angeordnet, dass die Verhüllung abzunehmen sei – passiert ist nichts. Wegen der Maßnahmen sollen die Altmieten um 20 Prozent steigen. Eine Mieterhöhung liegt uns vor. Danach soll die Miete für eine 100-Quadratmeter-Wohnung von 680 Euro kalt um 603 Euro auf dann 1.283 Euro monatlich steigen – fast verdoppelt. Die krasse Erhöhung ergibt sich aus der Umlage von Sanierungskosten. Die Mieter sind dagegen machtlos. Bis zu elf Prozent dieser Kosten dürfen Eigentümer auf die Mieter umlegen – auch über die Zeit hinaus, wenn die Kosten wieder “drin” sind. Wenn es ums Geschäft geht, sind auch scheinbar “ehrenvolle” Einrichtungen eher am Geld denn an den Menschen interessiert. So plant die VBL den Verkauf von fünf Häusern in der Kobellstraße 22-24 und der Lenaustraße 16-20. VBL steht für Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder – die Anstalt des öffentlichen Rechts ist bundesweit die größte Zusatzversorgungseinrichtung für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Offensichtlich will man für die Angestellten und Beamten in Ämtern und Behörden hier ein gutes Geschäft machen – mit großer Sicherheit zu Lasten der Menschen, die dort leben. Karlheinz Paskuda sagt:
Die Menschen haben große Angst vor Immobilienspekulanten. In der Stadt muss diskutiert werden, wie den MieterInnen geholfen werden kann. Auch ein Aufkauf über die GBG muss angedacht werden. Alternativ dazu kann bei der Gründung einer Kleingenossenschaft oder einer Übernahme des Mietshäusersyndikats-Modells geholfen werden. Wer nicht handelt, macht sich wissentlich mitschuldig, wenn die Menschen vertrieben werden.