Rhein-Neckar/Mannheim, 22. Oktober 2014. (red/ld) Welche Themen interessieren Sie? Und was wollten Sie uns schon immer einmal sagen? Was können wir besser machen? Das wollten wir von unseren Lesern zu unserer ersten öffentlichen Redaktionskonferenz wissen. Am 13. Oktober trafen wir uns in Ali Müllers Restaurant & Café Lounge auf dem Museumsschiff mit den Lokalpolitikern Bernd Kupfer (CDU/Mannheim), Reinhold Götz (SPD/Mannheim) und Raquel Rempp (Freie Wähler/Schwetzingen), die Said Azami mitbrachte: Der 31-jährigen Afghane berichtete von seiner Flucht und über das Leben in der Schwetzinger Flüchtlingsunterkunft.

Auf Tuchfühlung: Unsere Redaktionsmitarbeiter zusammen mit Politikern und Gästen auf dem Museumsschiff zur 1. Öffentlichen Redaktionskonferenz am 13. Oktober.
Von Carolin Beez, Lydia Dartsch, Hardy Prothmann

Minh Schredle (20, rechts) tritt ab Dezember sein Volontariat bei uns an. Der junge Nachwuchsjournalist hört einem unserer Leser zu.
Unsere Berichterstattung über Xavier Naidoo und die Terrororganisation „Islamischer Staat“ hatten dem früheren Mannheimer CDU-Stadtrat Bernd Kupfer besonders gut gefallen, sagte er bei seiner „Blattkritik“. Dass Leimringe um Obstbäume derzeit nötig sind, um diese vor Raupen zu schützen, sei ihm als Hobbygärtner neu gewesen.
Diesen Artikel hätte er bei uns nicht erwartet: „Kleingärtner mit Obstbäumen im Garten finden diese Information sicher hilfreich“, sagte er.
Aus unserer Sicht eine wertvolle Information: Die Weitergabe von „Nutzwert“ funktioniert, das ist Service für die Leser.
Aber: Die Trennschärfe für eigene redaktionelle Berichte und Fremdmaterial funktioniert offenbar nicht so gut, wie wir uns das vorstellen. Der Text stammte von der Stadt Heidelberg, wir hatten ihn als Service-Information übernommen und klar gekennzeichnet – aber offenbar nicht klar genug.
Blattkritik: Viel Lob und viele Wünsche

Bernd Kupfer (CDU, links) im Gespräch mit Reinhold Götz (SPD, Mitte) und Redaktionsleiter Hardy Prothmann (rechts, von hinten).
Für seine Blattkritik hatte Herr Kupfer unser Angebot durchgesehen: Er lobte den „klaren Aufbau“ – zeigte uns aber auch Mängel auf. Wie die Einordnung in „Kategorien“ funktioniert beispielsweise, das war ihm nicht ganz klar. Das ist für uns eine Arbeitsanweisung.
Und was soll man von einem Unternehmer anderes erwarten? Er wünsche er sich mehr lokale Wirtschaftsberichte:
Man könnte auch mal einen Betrieb vor Ort porträtieren.
Zudem könne es nach seiner Meinung noch mehr Artikel über kulturelle Ereignisse geben. Wir haben fleißig mitgeschrieben. Klar ist: Er ist ein begeisterter Leser und hat doch noch viele offene Wünsche. Wir entschuldigen uns damit, dass wir noch eine kleine Mannschaft sind, aber freuen uns sehr, dass die Berichterstattung sehr gut gefällt und der Anspruch „auf bitte mehr davon“ klar geäußert wird. Das spornt an.
Einblick in die Neckarstadt
SPD-Stadtrat Reinhold Götz legte nach: Auch er will mehr von uns. Berichte aus der Alten Feuerwache, dem Capitol, dem Theater Oliv und dem Forum der Jugend, die rund um den Alten Messplatz gelegen sind und das kulturelle Zentrum der Neckarstadt bilden. Der erster Bevollmächtigte der IG Metall Mannheim will auch mehr Wirtschaft – von der Arbeitnehmerseite her betrachtet: „Ich stehe Ihnen da immer zur Verfügung.“
Er berichtete zudem von der aktuellen „Lage“ in der Neckarstadt und was geplant ist in Mannheims größtem Stadtteil (55.000 Einwohner). Hier gäbe es viele Probleme zu lösen: Vor allem in der Neckarstadt-West. Der Bezirk mit der höchsten Dichte an Menschen mit Migrationshintergrund. Zwischen 40 und 50 Prozent beträgt dieser in der gesamten Neckarstadt. In West sind es sogar 60 bis 70 Prozent. Dies liegt zum einen an der Flüchtlingsunterkunft in der Pyramidenstraße und zum anderen am großen Zuzug von Menschen aus Südosteuropa. Wichtig sei hier vor allem der Kooperationskindergarten: „Diese Einrichtung unterstützt die Förderung der deutschen Sprache bei Kindern“, sagte Herr Götz. Ähnliche Probleme gebe es auch in Wohlgelegen. Dort entwickle sich allerdings das Turley-Gelände zu einem tollen Projekt mit alternativen Wohnformen, einem Seniorenheim und Einrichtungen für Kinder. Bald stehe dort auch die Umgestaltung des Eisenlohrplatzes an. Genaue Pläne gebe es aber noch nicht, sagte Herr Götz.
Viele Menschen, die dort leben seien arbeitslos. Ein weiteres Problem seien Wohnobjekte mit erheblichen Mängeln. Da müsste rechtlich festgelegt werden, wie viele Menschen in einer Wohnung leben dürfen.
Angenehm wohnen könnte man hingegen in Zukunft im Herzogenried. „An den Kasernen“ heißt die dortige Siedlung. Auf den ehemaligen Kasernen selbst baue die GBG. Dort gebe es aber immer wieder Beschwerden wegen des lauten Verkehrs: „Dazu wird die SPD einen Antrag im Gemeinderat einbringen. Dieser Ort soll zu einer grünen Oase werden“, sagte Herr Götz.
Auch am Neckarufer ist viel zu tun. Die Frage sei, ob die neuen Eigentümer der Türme vorhaben, diese in Luxuswohnung umzubauen. Dies könnte künftig zu Problemen bei der Wohnungssuche führen. Schon jetzt gebe es nur wenigen Wohnraum, den sich eine Arbeiterfamilie leisten kann. Bei den Wohnungen in der Carl-Benz-Straße, die derzeit saniert werden, hoffe er darauf, dass die Mieten dauerhaft niedrig bleiben.
Um die Probleme künftig lösen zu können und die Quartiere nördlich des Neckars positiv zu entwickeln werde man auch in Zukunft die Arbeit der Quartiermanager benötigen, sagte er: „Diese Stellen leisten sehr viel für die Entwicklung des Stadtteils“, sagte er. Der Quartiermanager der Neckarstadt-West, Gabriel Höfle, war ebenfalls zur Konferenz gekommen.
Dankbare Flüchtlinge vs. respektloser Umgang
Einen größeren Beitrag in Sachen Flüchtlingspolitik wünschte sich unser Gast aus Schwetzingen: Stadträtin Raquel Rempp (Freie Wähler), die sich für die Belange der Menschen in der Schwetzinger Flüchtlingsunterkunft einsetzt (aktuell 280 Personen). Sie sagte, sie fühle sich vom Landratsamt allein gelassen. Als sie von der Unterbringung gehört hatte, sei ihr erster Impuls gewesen zu fragen, wie sie helfen kann:
Wie das Landratsamt mit den ehrenamtlichen Helfern und den Flüchtlingen umgeht ist respektlos.
Die beiden Sozialarbeiter in der Containersiedlung seien beispielsweise kaum ansprechbar. Zwar seien Bewohner per geringem Entgelt beauftragt, sich um die Sauberkeit vor Ort zu kümmern. Doch nicht immer funktioniere dies auch. Auf Beschwerden seitens der Bewohner gebe es von ihnen auch mal pampige Antworten wie:
Dann putzen Sie doch selbst!
Doch die Einhaltung von Hausregeln ist auch Wunsch der Bewohner: „Wir wünschen uns mehr Ordnung und Sauberkeit“, sagt Said Azami, der seit Anfang des Jahres dort untergebracht ist – zuvor in der Alten Martinsschule in Ladenburg.

Said Azami berichtet von seiner Flucht, seiner Dankbarkeit, endlich in Sicherheit zu sein und wünscht sich mehr Regeln und Ordnung im Camp.
Zwei Jahre lang war er auf der Flucht aus Afghanistan, wo er von Terroristen verfolgt wurde, weil er in einer Partei gearbeitet habe, sagte er. Seine Flucht führte ihn zunächst in den Iran und schließlich nach Deutschland. Viele schreckliche Dinge habe auf seinem Weg gesehen. Seine Familie habe er in Afghanistan zurückgelassen. In Deutschland hoffe er nun, einen Platz gefunden zu haben, wo er ein Leben in Frieden und Sicherheit führen kann, wo die Menschen gleichberechtigt behandelt und die Menschenrechte geachtet werden:
Für mich ist hier das Paradies. Ihre Gastfreundschaft ist wie klares Quellwasser auf unsere ausgetrockneten Seelen.
Interessant: Viele Deutsche, die meist gar nicht mit Asylbewerbern in Kontakt kommen, fürchten um Sicherheit und Ordnung. Said Azami ist da sehr deutsch: Er wünscht sich mehr Sauberkeit und Ordnung und mehr Regeln: „Wir leben sehr beengt und ohne Regeln geht es nicht.“ Die Bedürfnisse sind also sehr ähnlich – mit dem Unterschied, dass Asylbewerber fast nichts selbst gestalten können. Sie müssen dankbar sein, das sind sie, aber sie haben trotzdem nachvollziehbare Wünsche.
In der anschließenden offenen Diskussion sprachen die Besucher weitere Themen an, die uns in den kommenden Monaten beschäftigen werden. Karl-Heinz Paskuda beispielsweise sieht eine Gentrifizierungstendenz in der Neckarstadt. Weitere Besucher waren Timo Tamm, Bezirksbeirat der Neckarstadt-West für die Grünen. Auch Gerald Unger von der Linken meldete sich zu Wort. Er beklagte beispielsweise die Berichterstattung der örtlichen Tageszeitung. Und natürlich gab es auch viele Möglichkeiten des Zwiegesprächs.
Idee und Konzept
Unsere 2. öffentliche Redaktionskonferenz findet am 18. November um 18:30 Uhr statt – den Ort geben wir noch bekannt. Zugesagt hat bereits der Soziologie-Professor Dr. Hans-Peter Schwöbel. Angefragt ist der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Peter Vorderer. Wir werden Vertreter von Bürgerinitiativen ansprechen, diese können sich auch gerne bei uns melden. Ebenfalls eingeladen ist der Lokalchef des Mannheimer Morgen, Dirk Lübke – er soll „Blattkritik“ machen, uns also sagen, was ihm an unserer Berichterstattung gefällt und was nicht.
Das Konzept der Öffentlichen Redaktionskonferenzen ist „Journalismus zum Anfassen“ – wir präsentieren uns und unsere Arbeitsweise, Leser/innen sind herzlich eingeladen, uns zu kritisieren und uns Themen vorzuschlagen. Es gibt immer einen thematischen Schwerpunkt. Aktuell wird das Lokaljournalismus sein. Dazu laden wir Experten aus der Metropolregion zu einer offenen Diskussion ein. Wir wollen Menschen zusammenbringen – das Programm ist straff, nach dem offiziellen Teil kann man noch zusammensitzen. Zu jeder Konferenz gibt es einen Nachbericht. Man kann spontan vorbeikommen, um Anmeldung wird gebeten, damit sich die Lokalität darauf einrichten kann.
2. Öffentliche Redaktionskonferenz (hier auf Facebook)
- Begrüßung
- Themenvor- und Nachschau
- Blattkritik
- Vortrag Prof. Dr. Schwöbel zur Wertegesellschaft
- Vortrag Prof. Dr. Vorderer zum Wandel der Medienlandschaft
- Diskussion mit Vertretern von Bürgerinitiativen