Mannheim/Rhein-Neckar, 06. Oktober 2017. (red/pro) Aktualisiert. Der frühere Mannheimer Bürgermeister Rolf Schmidt (CDU) versorgt uns ab und an mit Hinweisen via email. Er ist offenbar ein großer Bewunderer von Dr. Hugo Müller-Vogg, der mal Redakteur beim Mannheimer Morgen war, dann Herausgeber der FAZ und später Kolumnist bei der Bild und heute gerne auch für rechte Blogs schreibt. Als wir Herrn Schmidt gebeten haben, seine Zusendungen sein zu lassen, geschah das Wunder. Herr Dr. Müller-Vogg, der immer so ernst schaut, war amüsiert. Sogar köstlich. Wir dokumentieren die Kommunikation.
Von Hardy Prothmann
Vor einiger Zeit habe ich mich mit Rolf Schmidt mal zum Gespräch getroffen. Er wollte mich kennenlernen. Er meinte, das RNB sei eine wichtige neue Stimme in der Stadt und würde ganz schön Dampf machen. Er wollte sich über dies und das unterhalten. Wir redeten über dies und das. Er bot mir an, mir Informationen zukommen zu lassen. Dabei hielt er sich vage. Vereinbarungen über “Vertraulichkeit” hatten wir keine getroffen, denn es ging ja nur allgemein über dies und das.
Vertraulichkeit ist im journalistischen Geschäft eine komplexe Sache. Es gibt viele Leute, die “unter drei” mit Journalisten reden wollen. Übersetzt: Man bekommt etwas erzählt, das man aber nicht verwenden darf. Dabei geht es immer um gezielte Beeinflussung. Deswegen habe ich kein Interesse an solchen Gesprächen. Warum sollte ich meine Zeit vergeuden, etwas zu erfahren, was ich nicht verwenden darf? Die Strategie ist immer klar: Man macht den Journalisten zum “Mitwisser”, der sich verpflichtet, Stillschweigen zu bewahren und damit hat man den Journalisten im Sack. Ich stehe nicht drauf, eingesackt zu werden. Ich möchte kein Mitwisser sein. Mein Job ist, Informationen zu recherchieren, zu prüfen, einzuordnen und zu veröffentlichen. Das habe ich Herrn Schmidt auch mitgeteilt.
Hintergrund, Quellen, Strippenzieher
Selbstverständlich kann es auch Hintergrundgespräche geben. Beispielsweise zu heiklen Angelegenheiten, bei denen eine sofortige Öffentlichkeit Rechte verletzen würde. Solche Gespräche führe ich oft, sie sind hilfreich, aber sie dürfen nie dazu führen, dass ich mich zu etwas verpflichte. Das teile ich immer mit, denn ich habe kein Interesse an “Herrschaftswissen”, das mich verhaftet, Teil der Herrschenden zu sein und zu schweigen. Denn das verträgt sich nicht gut mit meiner Überzeugung, dass Journalismus offen und unbeeinflusst informieren muss.
Die Badische Zeitung schrieb zu Herrn Schmidt am 12. Februar 2014:
Bereits 2006 war der damalige Vorstand der Mannheimer CDU als Folge der sogenannten Froschkönig-Affäre geschlossen zurückgetreten. Der Mannheimer Bürgermeister Rolf Schmidt (CDU) und weitere Mitstreiter hatten unter Decknamen Parteifreunde, darunter auch Reichardt, in einem Internet-Forum als “Intriganten” und “Strippenzieher” verunglimpft.
Herr Schmidt versucht sich bis heute als Strippenzieher und hat mir also ein Angebot gemacht, das ich nicht angenommen habe. In der Folge gab es keine Gespräche, denn ich hatte mich offenbar verständlich ausgedrückt. Herr Schmidt sendete seitdem einige emails mit “Informationen”, die wenig tauglich waren.
Quellenschutz ist ein eisernes Gesetz hier beim Rheinneckarblog. Wir schützen Quellen immer dann, wenn diese uns wichtige Informationen zukommen lassen, was möglicherweise zu Nachteilen für die Quelle führen könnte. Können wir die Quelle nicht schützen, veröffentlichen wir auch nicht die Informationen durch die Quelle, sondern suchen andere Wege.
Herr Schmidt ist aus unserer Sicht keine Quelle, die einen solchen Schutz braucht. Einige seiner email enthielten schlicht Links auf Beiträge von Dr. Hugo Müller-Vogg. Motto: Der sagt, wie es ist.
Stramme Altherrenarroganz
Herr Dr. Müller-Vogg ist ein Publizist, der mal Redakteur beim Mannheimer Morgen war, dann Herausgeber der FAZ mit unrühmlichem Abgang, dann Kolumnist der Bild und Super-Illu und heute unter anderem Autor auf rechten Blogs wie Tichyseinblick (siehe hier unsere fortzuschreibende Liste problematischer Medien). Der Mann ist ein sehr erfahrener Journalist, der die provokante Formulierung liebt und konservativ bis auf die Knochen ist. All das darf er sein.
Ich habe 2004 Herrn Dr. Müller-Vogg interviewt, auch im Rückblick auf seinen Rauswurf 2001 bei der FAZ. Durchaus kritisch, weil es aussah wie ein Rausschmiss, aber komplexere Gründe hatte. Die letzte “Trennung” von einem FAZ-Herausgeber lag damals 30 Jahre zurück. Ich schrieb:
Hugo Müller-Vogg wird viel nachgesagt: streitsüchtig sei er, erzkonservativ, Steigbügelhalter von CDU-Granden, willfähriger Multiplikator der konservativen Sache. Als selbstherrlicher Herausgeber des Regionalteils „Rhein-Main-Zeitung“ habe er Männer auf korrekten Schlipssitz hingewiesen und Frauen am liebsten im Rock gesehen, wird bis heute kolportiert.
Der Artikel ist von 2004 und im Berliner Tagesspiegel erschienen. Ich dokumentiere den Text am Ende dieses Artikels, weil der Blick in die Vergangenheit erstaunlich ist, denn frei interpretiert, sagte Herr Dr. Müller-Vogg damals bereits “Das wird man wohl noch sagen dürfen”. Damals fühlte er sich “mundtot” gemacht, garniert mit verschwörungstheoretischen Ansätzen (“in den Rücken schießen”). Seine Bücher würden “tot geschwiegen” – klingt alles irgendwie wie aus dem Lehrbuch: Politisch-korrektes AfD-Wörterbuch.
Herr Schmidt dürfte so 72 Jahre alt sein, Herr Dr. Müller-Vogg ist 70 Jahre alt. Zwei alte Männer, die jeder auf seine Art noch mitmischen wollen, getrieben von einer strammen Altherrenarroganz und deren Blick auf die Welt lauter Irrläufer, Intriganten und Idioten erkennt. Was sie denken und sagen ist Gesetz, alles andere Gewäsch.
Hier die email-Kommunikation:
Am 05. Oktober schrieb ich also an Herrn Schmidt diese email:
Sehr geehrter Herr Schmidt,
danke für die Zusendung.
Herr MV sagt nichts, was nicht schon auf dem RNB zu lesen war.
Ich mag Ihnen ein offenes Wort als Frage senden: Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen?
Nach meinem Gefühl stehen Sie für einen gewissen Destruktivismus.
Warum das so ist, weiß ich nicht. Es interessiert mich auch nicht, weil Sie sich dazu nie erklärt haben.
Ihre Zusendungen sind jedenfalls nicht hilfreich. Und das meine ich in jeder Hinsicht qualitativ.
Ein persönliches Wort: Ich mag es offen und ehrlich. Bei Ihnen habe ich nicht den Eindruck, dass Sie meine prinzipielle Einstellung teilen.
Deswegen darf ich Sie bitten, von weiteren Zusendungen abzusehen, wenn diese derart gelagert sind.
Nehmen Sie das nicht persönlich, sondern ausschließlich professionell.
Wenn Sie mich inhaltlich anschreiben möchten, können Sie das jederzeit gerne.
Ich sichere Ihnen zu, dass ich jederzeit echte Inhalte aufmerksam prüfe.
Beste Grüße
Hardy Prothmann
Ebenfalls am 05. Oktober schrieb dann Herr Dr. Müller-Vogg an mich und Herrn Schmidt die nachfolgende email. Was hat Schmidt Herrn Dr. Müller-Vogg mitgeteilt hatte, ist mir nicht bekannt:
Lieber Rolf,
über die Mail des Chefredakteurs Prothmann habe ich mich köstlich amüsiert. Fehlt eigentlich nur noch der Hinweis, ich hätte alles beim RNB abgeschrieben .. :-)))
Frage mich nur, warum H. Prothmann mehrfach angefragt hat, ob ich nicht für seinen Blog schreibe. Wo ich doch offenbar
nichts zu sagen habe.
Aber ich muss ja nicht alles verstehen …
Beste Grüße nach Mannem!
Hugo
Am späten Abend des 05. Oktober antwortete ich wie folgt:
Sehr geehrter Herr Dr. Müller-Vogg,
Sie sind doch eigentlich ein intelligenter Mensch, deswegen wundert mich diese Zuschrift.
Erstens habe ich Herrn Schmidt geschrieben, dass wesentliche Einschätzungen, die Sie nennen, auch von mir (zuvor) schon auf dem RNB veröffentlicht sind. Wir sind da also in unserer Einschätzung sehr ähnlich.
Zweitens: Es gibt viele Medien in der Region und darüber hinaus, die bei uns abschreiben und Themen klauen, ohne uns als originäre Quelle zu nennen. Gute Sitten gibt es nicht mehr. Warum sollte ich aber behaupten, Sie hätten alles beim RNB abgeschrieben? Sie haben doch gar nichts geschrieben, das war ein Interview mit Ihnen, dass jemand anders geschrieben hat. Oder schreiben Sie Interviews mit sich selbst?
(Aktualisierung, 07. Oktober, 16:23 Uhr: Herr Dr. Müller-Vogg teilte per erneuter email mit: “Nur zur Klarstellung: Da es sich um ein schriftliches Interview handelt, habe ich sehr wohl geschrieben – und zwar selbst. Ihre scheinbar rhetorische Frage war also gar keine. Anm. d. Red.: Es gibt keinen Hinweis, dass es sich um ein schriftliches “Interview” handelt.)
Soweit ich mich erinnere, habe ich Sie ein Mal angefragt. Ich frage viele Personen aus Politik und Medien an, um unseren Lesern unterschiedliche Sichtweisen zu bieten. Selbstverständlich haben Sie was zu sagen, sonst hätte ich Sie ja nicht angeschrieben. Sie haben nicht geantwortet, was unhöflich war.
Meine email ging an Herrn Schmidt, der mir in unregelmäßigen Abständen Links schickt. Ebenfalls unhöflich, ohne Anrede, ohne Inhalt. Und meist geht es darin um Abträgliches zur Mannheimer CDU oder Links, die wohl seinen Geschmack treffen. Das hat was von einer gewissen Heckenschützenmentalität. Ich brauche Ihnen das nicht zu erklären, Sie kennen solche Leute auch und manchmal sind diese ganz nützlich. Substanziell sind die Zuschriften von Herrn Schmidt nicht, deswegen habe ich gebeten, dass er das doch bleiben lässt. Für relevante Informationen sei ich weiterhin offen. Dass er eine persönliche Zuschrift weiterleitet, passt zu meinem Bild von Herrn Schmidt. Was er Ihnen geschrieben hat, habe ich natürlich nicht erfahren, was auch ins Bild passt.
(Aktualisierung, 07. Oktober, 16:27 Uhr: Herr Schmidt hat uns auch angeschrieben und den Inhalt seiner email mitgeteilt: “Lieber Hugo, Wow, da hat einer Schaum vor dem Mund. LG Rolf”.)
Ich muss nicht verstehen, warum jemand von Ihrem Format derart herablassend reagiert.
Sie sind weiterhin herzlich eingeladen, auch bei uns zu veröffentlichen, wenn Sie einen Beitrag haben, der gerne überregional von Bedeutung ist, aber eben auch regional wichtig ist.
Beste Grüße nach Berlin
Hardy Prothmann
Aktualisierung, 08. Oktober 2017. Nachdem ich erneut von Herrn Dr. Müller-Vogg angeschrieben worden bin und er durch die Blumen mit dem Anwalt droht, habe ich ihm folgende email geschickt.
Sehr geehrter Herr Dr. Müller-Vogg,
ich bekomme mehrere Dutzend Drohungen “mit dem Anwalt” pro Jahr, vor kurzem von Ex-MdB Prof. Dr. Egon Jüttner. Auch der Unternehmer Baklan hat mir vor einiger Zeit gedroht, der macht immerhin 150 Millionen Euro Umsatz pro Jahr und kann sich die ganz, ganz teuren Anwälte leisten. Pustekuchen – der hat nur gepumpt. Wie so viele.
Seit 2010 habe ich zudem 47 konkrete Abmahnungen erhalten. Den ersten Prozess habe ich verloren, unglücklicherweise aus “technischen Gründen”. Der Vorgang wurde mir an eine Adresse zugestellt, die ich damals nicht kontrolliert habe und damit erging Urteil und ich versäumte Fristen. Blöd gelaufen.
Vier Mal habe ich mich nach Abwägung vergleichen, die restlichen Fälle wurden entweder aufgegeben oder ich habe gewonnen. Auch Herr Ströbele hatte mir über Staranwalt Eisenberg eine Abmahnung geschickt und mit Klage gedroht. Ging bundesweit als “Fischfutteraffäre” durch die Medien. Herr Ströbele hat zurückgezogen.
Zuletzt habe ich gegen den Mannheimer Morgen vor dem OLG Karlsruhe vollumfänglich gewonnen. Immer mit demselben Anwalt. Der kann was und ich bin insofern sehr gut beraten. Die juristischen Kosten betragen bis heute in Summe rund 50.000 Euro und waren teils existenzbedrohlich, ich habe trotzdem durchgezogen und unterm Strich sehr erfolgreich. Rund 90 Prozent Erfolgsquote bekommen sogar Staranwälte kaum hin.
Dazu erhalte ich regelmäßig email mit beleidigenden Inhalten oder Drohungen, bin mehrfach körperlich angegangen worden, einmal hat mir jemand ein Nagelbrett vor einen Reifen des Autos meiner Frau gelegt und der Staatsschutz bestätigt eine “abstrakte Bedrohungslage” gegen meine Person, insbesondere durch Linksextremisten.
Sie verstehen nach diesen Informationen sicherlich, dass mich Ihre angedeutete Drohung reichlich kalt lässt.
Wenn Sie die Schlagzeile: “Publizist Dr. Hugo Müller-Vogg verliert gegen Blogger Prothmann” unbedingt anstreben, beschreiten Sie gerne den Rechtsweg. Sie sind nach meiner Auffassung chancenlos. Wenn Sie durch einen guten Anwalt beraten werden, wird der Ihnen das auch so verständlich machen.
Mein erneutes Angebot ziehe ich übrigens zurück. Bösen, alten Männern wie Ihnen sollte man keine Aufmerksamkeit schenken und kein Forum bieten.
Was meinen Stil angeht, habe ich im Artikel erläutert (den ich nochmals mit dieser email aktualisiert habe). Wenn Sie sich den Ablauf der “Kommunikation” nochmals anschauen, dann erkennen Sie womöglich, wer keinen hat.
Sie erinnern mich sehr an AfDler – groß im Austeilen, aber Mimosen beim Einstecken.
Dass die FAZ Sie loswerden wollte und musste, verstehe ich mittlerweile. Von weiteren Zusendungen bitte ich abzusehen. Sie langweilen mich zutiefst.
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Prothmann
Hier der Text zu Dr. Müller-Vogg wie damals im Tagesspiegel erschienen.
Auf 30 Zeilen gestutzt
„Der Wunsch einiger Herren, den Müller-Vogg mundtot zu machen, ist gründlich daneben gegangen“, sagt der ehemalige „FAZ“-Herausgeber über sich selbst. Als Autor für „Bild“, „B.Z.“ und „Super Illu“ erreicht er im Vergleich zu früher ein Vielfaches der Leser. Der Frust ist ihm dennoch anzumerken.
Hugo Müller-Vogg könnte man einen erfolgreichen Existenzgründer nennen. Als freier Journalist und Publizist, wie sich der 56-Jährige nennt, schreibt er Kolumnen, Kommentare und führt Interviews. Und was er so schreibt, über die Politik und die Politiker, erreicht eine addierte Druckauflage von gut sieben Millionen Exemplaren. Das ist beeindruckend für einen freien Journalisten, der gerade mal im dritten Jahr an seiner Existenzgründung arbeitet. Als hätte er einen Marketing-Leitfaden für freie Journalisten studiert, sagt er über sich: „Ich liefere zuverlässig und auf den Punkt.“ Darüber muss aber kein etablierter oder gerade startender Journalist, bei dem es gerade nicht oder noch nicht so gut läuft, übermäßig frustriert sein. Der Frust ist, so paradox das klingt bei dieser medialen Präsenz, bei Hugo Müller-Vogg immer noch deutlich zu spüren.
Der Aufstieg des Hugo Müller-Vogg begann mit seinem Abstieg. Immerhin war der Mann mal einer von fünf Herausgebern der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“). Insgesamt 24 Jahre bezog Müller-Vogg sein Gehalt in Frankfurt, fast 13 Jahre davon als Herausgeber. Warum er die Herrenrunde verlassen musste, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Hugo Müller-Vogg sagt dazu wenig, „aus arbeitsrechtlichen Gründen“. Die anderen Herausgeber haben sich im Februar 2001 offiziell so erklärt, dass „das Vertrauensverhältnis zerrüttet“ gewesen sei. Für Müller-Vogg bis heute nicht nachvollziehbar. An einem Dienstag verkündeten die vier anderen Herausgeber die Trennung von Müller-Vogg, tags drauf musste er sein Büro räumen.
„Das war keine Trennung, da gehören zwei Seiten dazu. Das war ein Rauswurf. Ich lege Wert auf diese Unterscheidung“, sagt Hugo Müller-Vogg. Er spricht ein wenig brummelig und derb, gar nicht so, wie man sich einen Ex-Herausgeber der „FAZ“ vorstellt – intellektuell geschliffen. Man hört ihm den gebürtigen Mannheimer bis heute an, obwohl er keinen Dialekt spricht. In der Quadratestadt ist er aufgewachsen, hat dort studiert und promoviert und als Redakteur des „Mannheimer Morgen“ seine Karriere gestartet.
Heute beliefert er die vielen Redaktionen von seinem Schreibtisch in Bad Homburg aus: „Der Wunsch einiger Herren, den Müller-Vogg mundtot zu machen, ist gründlich daneben gegangen“, sagt er. Man hört die Kampflust. Aber das entschädigt nicht für den Frust erkennen zu müssen, dass man zwar gefragt ist, aber nicht gefragt wird.
Als Kolumnist von „Welt am Sonntag“ und als Kommentator von „Bild“ und „B. Z.“ ist er im Hause Axel Springer nach seinem Rauswurf untergekommen. „Ich habe großen Spaß an der kleinen Form gefunden: Nicht auf 300, sondern auf 30 Zeilen die Sache auf den Punkt zu bringen.“ Außerdem schreibt er für die „Super Illu“, für die „Westdeutsche Zeitung“, die „Offenbach-Post“ und den „Äppler“ – ein Anzeigenblatt im Raum Frankfurt. Und er verfasst Bücher: etwa eine Gesprächsreihe mit dem Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch („Beim Wort genommen“) oder, an diesem Freitag erschienen, Gespräche mit der CDU-Chefin Angela Merkel („Mein Weg“, Hoffmann & Campe). Obendrein berät er hier und da auch Manager: „Keine Politiker, dass ließe sich nicht mit meinem Beruf vereinbaren.“ Nur für die „Welt“, der er angeblich Interna über die „FAZ“ zugespielt haben soll, was als wahrscheinlichster Grund für seinen Rauswurf gehandelt wird, für die „Welt“ schreibt er nicht. Und er bekommt auch keine Angebote, irgendwo als Redaktionsleiter oder gar Chefredakteur wieder fest einzusteigen.
„Viele denken wohl, wer mal Herausgeber der ,FAZ’ war, ist woanders nicht zu gebrauchen“, sagt Müller-Vogg. Vielleicht hat er sogar Recht damit.Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass „meine persönliche Integrität und berufliche Reputation kaputt zu machen versucht wurde“, wie er sagt. Und dann legt er los: Es erfordere mehr Mut, jemandem ins Auge zu schauen als in den Rücken zu schießen. Die „FAZ“ tue alles, um ihn zu übersehen, die Schmutzkampagne dauere bis heute an. Überall, wo „FAZ“ drauf steht, soll kein Müller-Vogg mehr drin sein. Dann schiebt der frühere Freizeit-Boxer das Kinn vor: „Ich freue mich schon darauf, wie die sich winden werden, um mein Buch über Merkel tot zu schweigen oder irgendwie darüber zu berichten, ohne dass mein Name fällt.“
Hugo Müller-Vogg wird viel nachgesagt: streitsüchtig sei er, erzkonservativ, Steigbügelhalter von CDU-Granden, willfähriger Multiplikator der konservativen Sache. Als selbstherrlicher Herausgeber des Regionalteils „Rhein-Main-Zeitung“ habe er Männer auf korrekten Schlipssitz hingewiesen und Frauen am liebsten im Rock gesehen, wird bis heute kolportiert.
Zum Gespräch ist er ohne Schlips erschienen, ein blau-weiß kariertes Hemd mit geöffnetem Kragen unter einem dunklen Sakko mit goldenen Kapitänsknöpfen und eine helle Jeans lassen auf einen vergleichsweise unkonventionellen Konservativen schließen.
Aber was sind schon Kleider, wenn es eine Haltung gibt? Roland Koch ist für ihn nach wie vor ein herausragender Politiker: „Ja, er hat damals gelogen. Aber Sie müssen etwas unterscheiden: Er hat die schwarzen Kassen nicht angelegt und auch nicht benutzt.“ Und Helmut Kohl? Ist es nicht ein Skandal, dass er bis heute die Spender nicht nennt? „Die Spenden passen nicht zur Vorbildfunktion eines Kanzlers. Das war sicher ein Fehler, aber sein gegebenes Ehrenwort zu verletzen, wäre eine echte Charakterschwäche. Ich bewundere beide Politiker, dass sie den Druck ausgehalten haben. Das war eine Leistung.“
Umgekehrt wurde Müller-Vogg nie müde, gegen Linke, bevorzugt gegen Außenminister Joschka Fischer zu schießen. Auch diese publizistische Angriffshaltung wurde damals als Trennungsgrund genannt: Müller-Vogg sei selbst für die konservative „FAZ“ zu konservativ. Er selbst sagt dazu: „Ich sage und schreibe, was ich denke.“ Und dabei kalkuliert er Nachteile für sich ein: 1998 schrieb er vor der Wahl einen Kommentar zur misslichen Lage der CDU „Wir haben fertig“. Darauf schickte ihm der noch amtierende Kanzler Helmut Kohl einen Brief, in dem der Pfälzer aus Ludwigshafen dem Kurpfälzer aus Mannheim mitteilte, nichts mehr mit ihm zu tun haben zu wollen. Nach der verlorenen Wahl verzieh der meinungsfreudige Kohl dem meinungsfreudigen Müller-Vogg. Heute verspeist man wieder gemeinsam Saumagen.
Doch auch ein Hugo Müller-Vogg wird vorsichtiger, zumal als freier Journalist. Vor einem Jahr legte er das Buch über Roland Koch vor, jetzt folgt die Koch-Antipodin Angela Merkel. Und für 2004 hat er sich vorgenommen, „einen von den anderen“, sprich SPD, ins Gespräch zu nehmen und ebenfalls ein Buch draus zu machen. Denn Hugo Müller-Vogg ist klar, warum er bei Springer-Blättern schreiben darf: Er vertritt eine konservative Linie. Aber er weiß auch, dass er mit 56 Jahren nicht mehr der Jüngste ist: „Ich bin bekennender Marktwirtschaftler. Für mich gilt das Leistungsprinzip“, sagt er über sich und seine Zukunft. Und: „Ich bin ein politischer Journalist und kein Mann für Klatsch-Kolumnen.“
Zumindest dieses Jahr dürfte er viel zu tun haben: Vierzehn Wahlen gilt es begleitend zu kommentieren und zu analysieren. Dabei muss Hugo Müller-Vogg allerdings seine neu gewonnene „Umsicht“ im Auge behalten und vielleicht nicht immer ganz genau schreiben, was er am liebsten denkt. Denn falls er es sich mit Springer verdirbt, würde er seine überregionale Bedeutung ein zweites und letztes Mal verlieren. Und das wäre dann das Ende einer erfolgreichen Existenzgründung.