Mannheim, 28. Juni 2017. (red/pro) Die Mannheimer CDU hat vor allem ein Problem und das ist sie selbst, beziehungsweise ein Teil ihrer Mitglieder. Die einstmals stärkste Fraktion mit 23 Sitzen (1999) kommt aktuell noch auf 12 Sitze und ist nach der SPD (13) zweitstärkste Fraktion. Aktuell deutet sich an, dass die CDU nach der Bundestagswahl nur noch 11 Sitze haben wird, denn Prof. Dr. Egon Jüttner wird die Fraktion freiwillig verlassen oder das müssen, denn sein Verhalten ist nicht mehr tragbar.
Kommentar: Hardy Prothmann
Kann man sich parteischädigender verhalten als der sich aktuell noch im Amt befindliche Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Egon Jüttner (CDU)? Wohl kaum. Wer zu Beginn eines Wahlkampfs eine lobhudelnde Pressemitteilung gemeinsam mit dem direkten Konkurrenten der SPD gegen den CDU-Kandidaten aus der eigenen Partei veröffentlicht, der ist entweder von allen guten Geistern verlassen oder führt nichts Gutes im Schilde.
Selbstverständlich lässt sich dieses Gebaren noch steigern bis hin zu einer klaren Wahlempfehlung des langjährigen CDU-Abgeordneten für den SPD-Kandidaten Stefan Rebmann. Zuzutrauen ist das Herrn Jüttner. Rache ist süß und im hohen Alter schmeckt nicht mehr viel, wenn man verbittert ist.
Doch kann man den Mann nicht verstehen? Immerhin hat er im “roten” Mannheim zwei Mal hintereinander das Direktmandat geholt (drei Mal insgesamt seit 1994) und stand bei der vergangenen Kommunalwahl 2014 auf Listenplatz 20, erreichte aber tatsächlich durch das Wahlergebnis Platz 2 hinter Carsten Südmersen. Herr Jüttner ist sehr bekannt in der Stadt und ein Stimmgarant. Er ist aber auch mit 75 Jahren ein alter Mann, der sich verdienstvoll für seine Partei eingesetzt hat, aber nicht weiß, wann Schluss ist.
Gegenüber einer Lokalzeitung kündigte er vor wenigen Wochen zu seinem 75. Geburtstag an, möglicherweise nochmal für den Gemeinderat zu kandidieren. Das wäre 2019 und dann wäre er 77 Jahre alt. Seit einiger Zeit tut er alles dafür, dass die CDU ihn vom Hof jagen wird. Zu recht.
Die beiden letzten Wahlsiege kann man so deuten, dass Herr Jüttner einfach stark war – man kann sie aber auch so deuten, dass seine Mitbewerber schwach waren und es keiner besonderen Stärke bedurfte. Für den Konkurrenten Stefan Rebmann ist das zutreffend. Der Gewerkschaftsfunktionär kandidierte zwei Mal erfolglos für den Bundestag (2005 und 2009) und rückte dann 2011 nach. 2013 blieb er deutlich hinter Herrn Jüttner zurück und weit entfernt von “gewohnten” Ergebnissen der SPD weit über 40 Prozent Richtung 50 Prozent.
Und ausgerechnet diesem Kandidaten hält Herr Jüttner jetzt den Steigbügel. Aus einem einzigen Grund: Er und sein Nachfolgekandidat Nikolas Löbel können sich nicht leiden.
Persönliche Animositäten gibt es immer. Aber innerhalb von Organisationen braucht es auch Loyalität, um erfolgreich zu sein. Parteien funktionieren nur als Teamplayer erfolgreich – das ist nicht anders als im Fußball. Doch gerade das Teamspiel ist seit langer Zeit ein Problem bei der Mannheimer CDU, wo es häufig um Eitelkeiten und persönliche Grabenkämpfe geht.
In der Analyse ist das tragisch für die Partei. Nachdem von 1945-1948 ein CDU-Mann Oberbürgermeister der Stadt war, geht dieser Posten ununterbrochen bis auf einen parteilosen Amtsinhaber an die SPD. Das angeblich so rote Mannheim wählte 1999 die CDU fast zur absoluten Macht mit 23 Sitzen (25 wäre die absolute Mehrheit gewesen). Aktuell sind es nach vielen Affären, darunter der “Froschkönig”-Affäre, nur noch 12.
Ein großes Manko für die CDU in Mannheim ist, dass man nie dafür gesorgt hat, im Land eine stärkere Position zu haben, obwohl bis zum grün-roten Intermezzo immer die CDU im Südwesten an der Macht war und jetzt, oh weh, als Juniorpartner der Grünen wieder ist – aber ohne Effekt für Mannheim. Ganz im Gegenteil. Die Stadt fühlt sich, was südosteuropäische Zuwanderung und die Unterbringung von Flüchtlingen angeht, sehr allein gelassen von der Landes-CDU. Freundlich ausgedrückt – die aktuelle Debatte um die Errichtung eines “zentralen Ankunftszentrums” im Mannheimer Norden stärkt die CDU vor Ort nicht eben. Auch, wenn sie “Resolutionen” einbringt.
Auch das ein Thema, bei dem Herr Jüttner eine Rolle spielt. Er hat absoluten Widerstand dagegen angekündigt. Damit auch gegen die eigene Partei. Das Dilemma: Herr Löbel würde das auch gerne, müsste dann aber gegen die Partei arbeiten. Herrn Jüttner ist das nicht nur egal, im Zweifel nutzt er diese Konstellation für sich.
Eigentlich müsste man aus parteistrategischer Sicht Herrn Jüttner sofort kalt stellen – aktuell geht das mit Beginn des Wahlkampfs nicht mehr. Das hätte vorher passieren müssen.
Jetzt wird es vermutlich nach der Wahl passieren – setzt sich Herr Löbel durch und gewinnt den Wahlkreis, wäre das Bedürfnis nicht mehr sehr groß, denn dann wäre für die CDU aus dieser Sicht die Welt erstmal in Ordnung.
Sollte aber das Verhalten des Herrn Jüttner zum Verlust des Direktmandats beitragen, dürfte der Ausschluss zwangsläufig sein.
Gewonnen hätte die CDU erstmal nichts, sondern nur verloren. Das Direktmandat wäre weg, dadurch, dass Herr Löbel nicht über die Liste einziehen kann, hätte Mannheim keine CDU-Vertretung in Berlin und nach dem Rauswurf von Jüttner wäre auch noch ein Stimmbringer und Gemeinderatssitz weg.
Herr Löbel hat gegen einen alten Strippenzieher Jüttner, der vermutlich die Senioren in der CDU (von denen es viele gibt) hinter sich hat, mit innerparteilicher Taktik keine Chance, weil der Mann nicht mehr zu kontrollieren ist. Er muss direkt angreifen und den CDU-Wählern klar machen, worum es geht: Entweder wählen die CDU-Mitglieder und Sympathisanten ihn und verschaffen ihm das Direktmandat oder Mannheim steht ohne CDU-Abgeordneten in Berlin da, weil es keinen Listenplatz für Mannheim gibt.
Und er muss klar machen, dass das Verhalten des Herrn Jüttner dessen angeblichen Einsatz für Mannheim vollständig konterkariert, wenn dieser den SPD-Kandidaten unterstützt, um sich aus persönlicher Eitelkeit an Herrn Löbel zu rächen. Die politische Karriere des Herrn Jüttner ist schon aktuell beendet. Und aktuell arbeitet er daran, der CDU den größtmöglichen Schaden zuzufügen.
Ähnlich wie bei Herrn Dr. Helmut Kohl deutet sich ein unrühmlicher Abgang mit verbrannter Erde an. Motiv: Sturheit und Starrsinn. Das waren noch nie gute Wegbegleiter. Außer, wenn man auf Verluste keine Rücksicht nimmt. Die CDU ist aktuell in der Jüttner-Falle. “Aushalten” wird der erste Impuls sein, der aber große Risiken für den Wahlerfolg birgt.
Möglicherweise ist Angriff die aktuell beste Verteidigung.