Mannheim/Rhein-Neckar, 26. September 2017. (red/pro) Der dreifache Mord in Villingendorf (Landkreis Rottweil) hat die Menschen vor Ort und darüber hinaus erschüttert. Ein Mann hatte seinen sechsjährigen Sohn, den neuen Lebensgefährten der Mutter sowie dessen Cousine erschossen. Die Mutter entkam. So eine Gewalttat erschüttert immer und erregt Medieninteresse. Eine für RTL tätige Produktionsfirma versuchte gar Kontakt mit Klassenkameraden des getöteten Jungen aufzunehmen – das sorgte nicht nur vor Ort für Empörung. Auch RTL führte umgehend Gespräche mit der Zone 7 GmbH, die in unserer Region das Regionalfenster für RTL als Nachfolger von RNF unter dem Namen RONTV (RON) bestückt.
Als Reporter darf man nicht zimperlich sein – allerdings sollte man das Handwerk ebenso beherrschen, als auch wissen, wo es Grenzen der Recherche gibt. Wer auf die Idee kommt, direkt nach einem Mord an drei Personen, darunter einem sechsjährigen Kind, bei dessen Klassenkameraden oder Lehrern “Informationen” zu sammeln, der hat, freundlich gesagt, nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Versuchte “Recherche” im Klassenzimmer
So geschehen in Villingendorf. Wir hatten darüber über Berichte der NRWZ (Neue Rottweil Zeitung) erfahren. Mit den Kollegen dort stehen wir in gutem, aber eher sporadischem Kontakt. Dort hatte man erfahren, dass ein “RTL-Team” versucht haben soll, in der Schule zu drehen und Kinder vor die Kamera zu bekommen.
Wir haben sowohl RTL als auch Zone 7 mit den Vorwürfen konfrontiert. Zone 7-Geschäftfsführer und Chefredakteur Thomas Präkelt hat nicht geantwortet, dafür aber RTL – und das dankenswerterweise eindeutig.
Klare Ansage durch RTL
RTL (Köln) habe “intensiv mit den Kollegen der Zone 7 und dem Reporter gesprochen”, heißt es auf Anfrage durch die Presseabteilung von RTL. Weiter:
Der Kollege vor Ort beteuert, zu keinem Zeitpunkt Grundschüler angesprochen zu haben. Allerdings hat der Kollege – ohne Kamerateam – das Schulgelände betreten und ohne vorherige Anmeldung im Sekretariat an einer Klassentür geklopft. Er hoffte dort, die Klassenlehrerin des ermordeten Kindes anzutreffen. Es öffnete jedoch eine andere Lehrerin, die dann auch umgehend wieder die Tür schloss. Parallel ging eine andere Klassentür auf. Hier öffnete die besagte Lehrerin. Sie sagte freundlich, dass sie in diesem Fall keine Aussage tätige. Der Reporter hat dann die Schule verlassen.
Weder mit den Kollegen bei RTL in Köln, noch mit dem zuständigen Chef vom Dienst der Zone 7 sei dieses Vorgehen abgesprochen gewesen, teilt RTL mit. Der Zone 7-Studioleiter, Christian Rothenburg, habe ausführlich mit seinem Kollegen gesprochen und ihm in aller Deutlichkeit sein Fehlverhalten gespiegelt.
Andere kursierende Vorwürfe weist RTL als Auftraggeber zurück. Weder sei ein Erscheinen eines RTL-Teams beziehungsweise von RTL beauftragten Teams bei einem Elternabend der betroffenen Klasse geplant gewesen, noch habe man besonders „aggressiv“ im Umfeld der Opferfamilie recherchiert.
RTL forderte Zone 7 auf, sich mit dem Schulleiter in Verbindung zu setzen und sich für das Fehlverhalten “in aller Form” zu entschuldigen. Dies sei erfolgt. Denn eine solche “Arbeitsweise entspricht natürlich nicht den Vorgaben und Richtlinien von RTL”. Der Schulleiter habe die Entschuldigung angenommen.
Die Reaktion von RTL auf diesen Vorfall ist professionell und eindeutig. Von Zone 7-Geschäftsführer Thomas Präkelt hingegen nicht. Keine Antwort ist auch eine Antwort.
Hintergrund
Die meisten öffentlich-rechtlichen wie privaten Sender arbeiten mit eigenen, festangestellten sowie beauftragten Teams. Zone 7 war bislang in Ludwigsburg ansässig, ist ein fester Vertragspartner für RTL und “covert” als Zulieferer Stories aus Süddeutschland. Im vergangenen Jahr erhielt die Firma die neu ausgeschriebene Sendelizenz für das RTL-Regionalfenster in unserer Region. Davor hatte das Rhein-Neckar-Fernsehen (RNF) diese Lizenz. RTL ist durch die eigene Sendelizenz verpflichtet, solche Regionalfenster anzubieten und zahlt an Zone 7 rund 1,4 Millionen Euro jährlich, damit das halbstündige Format erstellt werden kann. Den Sendebetrieb hat Zone 7 unter dem Namen RON zum 01. August aufgenommen – durch Verzögerungen bei der Lizenzvergabe hatten sich Zone 7 und RNF darauf geeinigt, dass RNF länger auf dem Programmplatz ausstrahlt.
Der Start von RON ist nicht gerade glücklich. Es gab auf Basis unserer Recherchen Beschwerden von der Polizei, weil der Sender alte Aussagen eines Sprechers in einem Beitrag verwendete, die eine nicht mehr zutreffende Aussage ergaben. Außerdem soll es in einem anderen Mordfall in der Region den Versuch gegeben haben, ebenfalls Kontakt zu Angehörigen aufzunehmen.
Für eine Produktionsfirma, deren Chef schon seit Jahrzehnten im Geschäft ist, sind das innerhalb von nicht mal zwei Monaten erhebliche “Patzer”. Und auch nicht die ersten. Ende 2014 machte die Produktionsfirma “LSO” (Landesstudio Ost), ebenfalls Dienstleister für RTL, die ebenfalls Thomas Präkelt gehört, Schlagzeilen: Ein LSO-Reporter hatte sich gegenüber einem NDR-Fernsehteam als Pegida-Demonstrant ausgegeben.
„Unser Mitarbeiter hat einen Fehler begangen, der nicht zu entschuldigen ist“, sagte der Chef des RTL-Landesstudios Ost, Thomas Präkelt, im Gespräch mit FAZ.NET. Er habe mit Teilnehmern der Demonstration ins Gespräch kommen und diese befragen sollen. „Er sollte auf keinen Fall provozieren oder zur Hetze animieren, schon gar nicht anderen Journalisten eine Rolle vorspielen.“ Statt dessen habe er „unserem Berufsstand mit seinem Auftreten schwer geschadet“, berichtete damals die FAZ.
RON-Chef Thomas Präkelt darf also durchaus als “sensibilisiert” gelten, was “journalistisch” geht und was nicht.