Rhein-Neckar, 10. März 2016. (red/pro) Am 31. März ist Schluss. Dann läuft die Sendelizenz für das Regionalfenster im RTL-Programm aus. Bislang bestückte der Mannheimer Regionalsender RNF das halbstündige Programm. Für den neuen, zehnjährigen Zeitraum der Sendelizenz gibt es einen weiteren Bewerber – und bislang keine Entscheidung der zuständigen Landesmedienanstalten, wer die Lizenz bekommt. Jetzt wurde öffentlich, dass Abgeordnete von Bündnis90/Die Grünen und SPD die rote Linie der Staatsferne geschlossen übertreten haben. Sie wollen Einfluss auf die Lizenzvergabe nehmen. Das ist ein Skandal.
Von Hardy Prothmann
Der Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom Samstag, 05. März 2016, ist Sprengstoff.
FAZ-Redakteur Michael Hanfeld berichtet über zwei Schreiben von Politikern – direkt an den Medienrat der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LfK). Nach den Ausführungen des Zeitungsjournalisten heißt es in einem der Schreiben:
Gerade auch im politischen Bereich stoßen Formate wie beispielsweise ,Abgeordnet nach…‘ auf großes Interesse und bringen den Bürgerinnen und Bürgern Politik näher.
Zeichner sind die grünen Landtagsabgeordneten Manfred Kern (Wahlkreis 40 Schwetzingen), Wolfgang Raufelder (Wahlkreis 36 Mannheim), Kai Schmidt-Eisenlohr (Wahlkreis 37 Wiesloch), Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Wahlkreis 41 Sinsheim), Hans-Ulrich Sckerl (Wahlkreis 39 Weinheim) sowie die zwei Bundestagsabgeordneten Dr. Tobias Lindner (Wahlkreis 212 Südpfalz) und Dr. Gerhard Schick (Wahlkreis 275 Mannheim).
Versuchte Einflussnahme – Missachtung der Staatsferne
Der Brief an den Medienrat trägt die Signets des Deutschen Bundestags und des Landtags Baden-Württemberg – das ist natürlich hanebüchen, weil es kein solches Briefpapier gibt. Irgendjemand kam wohl auf die glorreiche Idee, dem Schreiben einen Bund-Länder-übergreifenden Charakter zu geben.
Die versuchte Einflussnahme auf einen Wettbewerb zweier Anbieter in Kombination mit völliger Missachtung der gebotenen Staatsferne sowie dem formulierten Eigeninteresse (“bringt Bürgerinnen und Bürgern Politik näher”) und einer offenbar vollständigen Missachtung journalistischer Unabhängigkeit ist mehr als bedenklich.
Laut FAZ existiert ein zweites Schreiben. Insgesamt 33 Abgeordnete der Landtage Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz, des Bundestags und des Europaparlaments sollen diesen laut FAZ gezeichnet haben – firmierend als „fraktionsübergreifend regionale Abgeordnete“.
Kontaktperson Helen Heberer
Kontaktperson soll die Mannheimer SPD-Abgeordnete im baden-württembergischen Landtag, Helen Heberer, sein. Laut FAZ formuliere sie “für 28 Abgeordnete ihrer eigenen Partei, für einen Grünen, und vier von der CDU:
Auch wir Politikerinnen und Politiker können so auf wichtige aktuelle Berichterstattungen und Programmplattformen zurück greifen und haben immer wieder Gelegenheit, unsere Positionen in Sendungen wie ,Zur Sache‘, ,Abgeordnet nach…‘ und insbesondere im tagesaktuellen Regionalfenster RNF Life darstellen zu können.“ Deshalb setze man sich „im Sinne der Medienvielfalt mit Nachdruck für eine Nachlizensierung auch des Regionalfensters zugunsten von RNF“ ein.
“Gelegenheit, unsere Position darstellen zu können?”, “Medienvielfalt?”, “Nachruck?”.
Einschnitt in die Pluralität oder das genaue Gegenteil?
Laut Mannheimer Morgen hat auch der Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) ein Schreiben verfasst – nicht an die LfK, dafür aber an die Ministerpräsidenten Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz) und Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg):
mit der Bitte, dafür einzutreten, dass die Firma Rhein Neckar Fernsehen die Lizenz bekommt. Erhalte sie diese nicht, sei dies ein „massiver Einschnitt in die Pluralität des regionalen Medien- und Meinungsangebots.
Als ob die versuchte Einflussnahme noch nicht reichen würde, hat auch der Verband Region Rhein-Neckar, dem fünfzehn Städte und Landkreise angehören, Ende Februar eine Resolution verfasst. Ebenfalls an die Ministerpräsidenten gerichtet, die„sich für den Erhalt“ der Sendelizenz des Rhein Neckar Fernsehens (RNF) einsetzen sollen. Denn der Sender wirke„identitätsstiftend“, wie dies keinem anderen Bewerber möglich sei. Das ist eine Behauptung – doch was ist das Argument?
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Journalistischer Todesstoß
Mal abgesehen vom Skandal einer solch geballten versuchten Einflussnahme auf eine unabhängige Landesmedienanstalt und der vollständigen Ignoranz deren geregelter Staatsferne – offenbar ist niemandem der Unterstützer klar, dass man damit dem Sender RNF den journalistischen Todesstoß versetzt hat.
Wer so vehement für einen Rundfunkveranstalter wirbt, bei dem man sich in Szene setzen kann, der setzt sich für alles ein, nur nicht für unabhängigen und staatsfernen Journalismus und degradiert den Lizenzbewerber auf eine Propaganda-Schleuder: “haben immer wieder Gelegenheit, unsere Positionen darstellen zu können.”
Mehr Dolchstoß geht nicht – der Einsatz dieser Politiker und des Verbands ist offensichtlich absolut aus egoistischen Motiven getrieben, um ihre Botschaften unters Volk zu bringen. Gleichzeitig degradieren sie den Veranstalter zum Handlanger. Immerhin – es geht auch um 1,4 Millionen Euro, die RNF nach eigenen Angaben jedes Jahr für das Programmfenster von RTL erhält.
Mächtiger Sendeplatz – beherrscht von Politikinteressen?
Rund 890.000 Haushalte sind im Kabel nach unseren Informationen erreichbar – in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz wird am 13. März gewählt.
Ist es vorstellbar, dass insbesondere Grüne und SPD so massiv Einfluss nehmen wollen? Es ist nicht nur vorstellbar, sondern gegeben.
Und Futter für “Systemkritiker”, die angesichts solcher offensiver, versuchter Einflussnahmen überhaupt nicht mehr “raunen” müssen, sondern belegt sagen können: “Seht her, so läuft das zwischen Altparteien und Systemmedien.”
Medienrat lehnt Bewerber ab – auf Basis der Einflussnahme und in Unkenntnis des Konzepts?
Tatsächlich läuft das Verfahren aus dem Ruder, weil sich zumindest die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) entschieden zeigt. Dort hat man sich staatsfern die Bewerber angeschaut und sich für Thomas Präkelt und seine Produktionsfirma Zone 7 entschieden – ebenso wie der Vorstand der LfK. Nur der Medienrat der LfK will nicht – an diesen richtet sich auch die politische Einflussnahme und dieser muss sich erklären.
Keiner der Briefeschreiber hat sich jemals mit dem TV-Unternehmer Präkelt getroffen oder wollte sich über seine Konzepte informieren, teilt er auf Nachfrage mit.
Mitbewerber Thomas Präkelt kann sich eine Zusammenarbeit mit RNF vorstellen, wie er auf Anfrage erklärt: “Journalistisch aber eher nicht.” Präkelt kann das journalistische Handwerk, war früher beim RIAS und war lange für RTL im Einsatz, bis er sich selbständig gemacht hat. Einer seiner Hauptkunden ist nach wie vor RTL. Und möglicherweise zieht auch RTL die Strippen hinter dem Lizenzkampf – auf RNF ist man dort jedenfalls seit vielen Jahren nicht mehr gut zu sprechen.
Spenden, Einflussnahmen – sind die neuen Grünen die alte CDU?
Und ausgerechnet vor den Landtagswahlen am 13. März wird publik, wie intensiv Grüne und SPD federführend versuchen Einfluss auf den Erhalt eines Regionalprogramms zu nehmen, von dem man sich “gut repräsentiert” führt.
Es ist erstaunlich, was alles öffentlich wird. Immense Spenden an die Grünen, deren Ablehnung nach Worten des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann “naiv” wäre. Verteidigungsreden eben dieses “Ur-Grünen” für seinen Kollegen Horst Seehofer, der gegen Flüchtlinge gerne “bis zur letzten Patrone” kämpfen will.
Die Zutaten machen den Sprengstoff
Und versuchte Einflussnahmen durch Förderung von Programmanbietern, die einem “Präsentationsfläche” bieten.
Das alles sind Zutaten, die für sich allein vielleicht harmlos schein mögen, aber gemixt politischen Sprengstoff ergeben. Für eine ordentliche Analyse braucht es aber unabhängige, journalistische Medien, die unerschrocken und unbeeinflusst berichten.
Wir sind das – und wir sind gespannt, welche Medien in der Region sich das auch trauen. Es gibt so einen Spruch: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Die FAZ schreibt am Ende des Artikels:
Aber selbst dann bliebe das Geschmäckle einer unappetitlichen Medienpolitik, wie sie im Südwesten gerade Usus ist.
Man stelle sich vor, die AfD hätte sich derart verhalten – es würde im Blätterwald nicht rauschen, sondern stürmen.
Man kann von der AfD halten, was man will – wir halten nicht viel von ihr – doch solche “Zusammenspiele” von Medien und Politik werden der neuen Partei viele neue Wähler zutreiben.