Straßburg/Brüssel, 09. März 2016. (red/ms) Verschiedenen Medienberichten zufolge sollen die AfD-Europaparlamentabgeordneten Beatrix von Storch und Marcus Pretzell aus der EKR-Fraktion rausgeworfen worden sein. Dabei handelt es sich um eine Falschmeldung. Andere Medien berichten, die AfD solle noch ausgeschlossen werden. Aber auch das ist so nicht richtig. Tatsache ist lediglich: Über einen Ausschluss sollte auf Antrag abgestimmt werden – doch eine Mehrheit dafür zeichne sich aktuell nicht ab, erklärt ein Pressesprecher der EKR-Fraktion.
Die überwältigende Mehrzahl der Medienberichte vermittelt ein falsches oder verkürztes Bild: Die AfD wurde im Europaparlament nicht aus der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) „rausgeworfen“. Ebenso falsch sei, dass sich ein baldiger Ausschluss der Partei abzeichne, sagt Tobias Teuscher aus der Öffentlichkeitsarbeit der EKR-Fraktion und dort zuständig für die AfD-Delegation.
Zu den Fakten: In der Fraktionssitzung der EKR am 8. März stand ein Antrag auf Ausschluss der AfD auf der Tagesordnung – über diesen wurde allerdings nicht abgestimmt, da er zurückgezogen wurde. Nach Darstellung von MdEP Beatrix von Storch sei das geschehen, weil ersichtlich wurde, dass es „keine Mehrheit für einen Ausschluss“ geben würde.
James Holtum, Sprecher der EKR-Fraktion und Anhänger der Conservative Party, der auch der britische Premierminister David Cameron angehört, hatte im Anschluss an die Sitzung mitgeteilt, dass der Fraktionsvorstand sich mit großer Mehrheit für einen Ausschluss der AfD ausgesprochen habe. Die AfD-Abgeordneten sollten die Fraktion bis zum Monatsende verlassen, ansonsten würde Mitte April über einen Ausschluss abgestimmt werden.
„Es zeichnet sich keine Mehrheit für einen Ausschluss ab“
Diese Darstellung wird nicht bestritten. Es fehlt aber das entscheidende Detail, dass es in den Reihen der EKR womöglich gar keine Mehrheit für einen Ausschluss gibt. Wie Pressesprecher Teuscher sagt, gebe es in den Reihen der Fraktion großen Ärger über die verkürzte Darstellung, die in Umlauf geraten ist:
Es zeichnet sich klare keine Mehrheit für einen Ausschluss ab und wenn sich nichts grundlegend ändert, wird die AfD auch in Zukunft Mitglied der Fraktion bleiben.
Es ist eine bizarre Situation: Herr Teuscher sagt, er habe heute Anrufe von etlichen verwunderten oder entsetzten AfD-Mitgliedern erhalten – von der Presse habe sich dagegen kaum jemand bei ihm erkundigt. Alle hätten sich auf die verkürzte Darstellung von Herrn Holtum gestürzt und diese fehlerhaft kopiert. Am Telefon sagt er:
Sie gehören zu den ersten, die sich die Mühe machen, nachzufragen.
Bei den Europawahlen 2014 ist die AfD mit sieben Mandatsträgern in das Parlament eingezogen. Nachdem Frauke Petry auf dem Essener Parteitag Bernd Lucke als Parteivorsitzenden ablöste, verließen fünf von sieben Abgeordneten die AfD und schlossen sich der ALFA an, die ebenfalls der EKR-Fraktion angehört. Von einem möglichen Ausschluss wären also nur zwei Abgeordnete betroffen: Beatrix von Storch und Marcus Pretzell.
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Die Merkel-Cameron-Verschwörung gegen die AfD?!
Auf Facebook nehmen Herr Pretzell und Frau von Storch Stellung – und meinen die Verantwortlichen für das „Manöver“ identifiziert zu haben: Es sei das „politische Amok-Paar Merkel-Cameron“ (sic!). Die Rhetorik ist gewohntermaßen unsäglich: Die „zwei politischen Hasardeure mit großer Erfahrung bei der Wählertäuschung“ würden „ihre hoffentlich letzte politische Schmierenkomödie aufführen“. Die deutschen und britischen Abgeordneten würden als ihre „Handlanger“ dienen beim Versuch, die AfD zu beschädigen:
Substantielle Reformen der Europäischen Verträge wird Cameron nicht erreichen, das weiß er. Warum also mit der AfD als der einzigen Partei in Deutschland, die substantielle Reformen an den Europäischen Verträgen anstrebt, zusammenarbeiten? Cameron braucht vielmehr deutsche Steuergelder, um die britischen Wähler mit kurzfristigen Wahlgeschenken gefügig zu machen. Dieses deutsche Steuergeld hat Merkel.
Was hier von Frau Storch und Herrn Pretzell als Tatsachenbehauptung in den Raum gestellt wird, ist reichlich gewagt und vermutlich nicht weniger verkürzt als die Aussage, die EKR-Fraktion wolle die AfD rauswerfen. Aber Propaganda bekämpft man wohl am besten mit noch mehr Propaganda, vor allem in Wahlkampfzeiten. Oder mit abenteuerlichen Mutmaßungen, für die man keinerlei Belege vorbringt.
Unabhängig davon bleibt erschreckend, wie schlampig die meisten Medien in ihrer Recherche vorgegangen sind und in ihrer Berichterstattung ungeprüft verkürzte Darstellungen vermitteln. Um das klarzustellen: Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass die AfD aus der Fraktion ausgeschlossen werden könnte – nach dem gegenwärtigen Stand gibt es aber keine Belege dafür, dass das sicher geschehen muss.