Mannheim/Rhein-Neckar, 21. Juli 2017. (red/pro) Aus “Drei-TV” ist offenbar “RON-TV” geworden: “RheinpfalzOdenwaldNeckar-TV”. Der erste Eindruck ist, dass Senderchef Thomas Präkelt vollständig auf Boulevard setzt. Junge Mädels, viel Gekicher, aufgesetzt gute Laune und seichte Themen bietet der Sender in der Vorstartphase. Dabei klang das einmal ganz anders – wir wissen das exklusiv.
Kommentar: Hardy Prothmann
Man darf getrost von einem “Systemwechsel” reden. Wenn das, was der neue Lizenzinhaber des RTL-Regionalfensters tatsächlich so umsetzt, wie es den Eindruck erweckt, der “neue Standard” sein soll, war der bisherige Lizenznehmer RNF nicht nur “oldschool”, sondern schlicht und einfach altbacken. Aber gleichzeitig sowas wie die regionale Tagesschau im immer belangloseren Fernsehmarkt.
Eine kleine Kostprobe der bisherigen Themen, die über Youtube zu sehen sind? “Männerfüße sind ein No-go”, “Völlig Banane: Obst killt Pickel”, “Pille und Kondom: Nicht heißmachen”, “10 Fakten über Schokolade”.
Juhu Mami, ich bin im Fernsehen
Was das mit der Region zu tun hat? Nichts. Auch hier zeigt der neue Sender, wo die Reise langgeht: “Rehe im Pool – Reporter vor Ort”. Eine Reporterin mit Dauergrinsen im Gesicht “berichtet” über zwei Rehe in einem Pool in Altenbach, die von der Feuerwehr gerettet worden sind. Während des Beitrags wartet man vor allem gespannt auf diesen Satz: “Juhu, Mami, ich bin im Fernsehen” – aber der fällt leider nicht. Das wäre wenigstens witzig gewesen. Und ehrlich. Die über drei Minuten “Berichterstattung” sind vollständige Zeitverschwendung. Außer für das Girlie und ihre stolze Mami.
Rückblende: Vor einem Jahr meldete sich Thomas Präkelt bei uns. Er zeigte sich äußerst interessiert an einer Kooperation. Es folgten viele Gespräche. Er “wollte meinen Kopf” – für harten, politischen, investigativen Journalismus. Meine Kontakte, meine Kenntnisse, meine Haltung. Die Gespräche und Verhandlungen liefen über viele Wochen. Letztlich wollte Herr Präkelt das Rheinneckarblog kaufen, um neben dem Fernsehen ein Online-Angebot zu haben. Für 15.000 Euro. Das war kein Scherz. Damit waren die Gespräche beendet und durch das, sagen wir mal, erstaunliche Anschlussverhalten gibt es eher keinen Gesprächsbedarf mehr mit Herrn Präkelt.
Angemessene Berichterstattung?
Die Lizenz verlangt eine insgesamt angemessene Berichterstattung über das Sendegebiet, das ungefähr Nordbaden und die Vorderpfalz umfasst – nicht die Metropolregion, weil Hessen nicht zum Sendegebiet gehört, aber natürlich mit diesem verbunden ist. Ganz sicher verlangt die Lizenz keine Berichte über “Männerfüße” oder “Schokoladen-Fakten”. Dann schon eher “Rehe im Pool” in Altenbach – aber was hat das mit gesellschaftlich relevantem und politischem Journalismus zu tun? Richtig, genau nichts.
Der Sendestart wird möglicherweise ein Politikum werden. Sollte sich auf Sicht herausstellen, dass sich Herr Präkelt den Lizenzplatz unter Vortäuschung falscher Tatsachen gesichert hat, könnte es spannend werden.
Denn der neue Sender muss mehr liefern als das bisher von RNF geleistet worden ist. Denn RNF hatte die Lizenz 30 Jahre, hatte sich um Lizenzverlängerung beworben und letztlich zeigten sich die beiden Landesmedienanstalten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg überzeugt davon, dass der neue Lizenznehmer “überzeugender” sei, was das Sendekonzept angeht.
Doch das muss man zumindest aktuell vehement bezweifeln.
Die journalistische Durchdringung im Sendegebiet erfordert sehr viel harte Arbeit und vor allem Erfahrung, die man nur über Zeit gewinnen kann. Die Oberzentren Mannheim und Ludwigshafen haben wie die Stadt Heidelberg komplexe Strukturen, die man nicht eben mal nebenbei “recherchieren” kann. Dazu kommen die Landkreise und deren Aufgaben. Und natürlich jede Menge Gemeinden, die alle ihre spezifischen “Problemlagen” und Traditionen haben. Hinzu kommen drei unterschiedliche politische Verfassungen durch das Dreiländereck mit Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz.
Ging es nur um Geld?
Kommunale Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur, Bildung, Verkehr und das große Thema Sicherheit – der siebtgrößte Wirtschaftsraum Deutschlands hat sehr komplexe Strukturen mit zehntausenden von Akteuren. Um hier journalistisch Fuß zu fassen, braucht es viele Kontakte, viel Zeit und viel Arbeit, um diesen Raum zu verstehen und verständlich zu machen – was von rumgackernden Mädels sicher nicht zu leisten ist, die sich zwar minutenlang über behaarte Füße auslassen können, aber höchstwahrscheinlich noch nie eine Bebauungsplan gelesen haben. Und vor allem braucht es Mitarbeiter, die in der Lage sind, diese Komplexitäten zu durchdringen, zu bearbeiten und journalistisch umzusetzen. Uns ist nicht bekannt, dass der neue Anbieter relevante Namen an Bord hätte.
Möglicherweise ging es aber auch nie um ein ordentliches journalistisches Angebot für die Region, sondern nur um Geld. RTL muss an den Lizenznehmer 1,25 Millionen Euro pro Jahr für die “Beschickung” des regionalen Fensters zahlen. Die “Zone 7 GmbH” von Thomas Präkelt war bislang in Ludwigsburg ansässig und lieferte von dort aus für Süddeutschland, die Schweiz und Frankreich Material an die RTL-Gruppe.
Der Umsatz durch das Regionalfenster hat sich quasi verdoppelt. Man muss zwar nun irgendwie 24 Minuten inhaltliche Sendezeit füllen – die restlichen sechs Minuten können für Werbung vermarktet werden, aber das ist leistbar – mit leichter Kost und ohne journalistische Tiefe.
Der Sender RNF hat derweil bluten müssen. Der Umsatzverlust von 1,25 Millionen Euro hat Stellen gekostet. Wie viele, ist unklar, nach unseren Informationen sind es 12-20. Eigentlich war der Lizenzübergang bereits vor einem Jahr – Zone 7 hat RNF aber bis Ende Juli 2017 weitersenden lassen. Zu beiderseitigem Vorteil. Denn weil die Lizenzausschreibung durch landespolitische Grabenkämpfe erst kurz vor Ende der Ausschreibungsfrist geregelt werden konnte, hätte es RNF zerrissen und Zone 7 wäre nicht startbereit gewesen, was im Ergebnis einen schwarzen Bildschirm erzeugt hätte.
Regionalfernsehen ist ein schwieriges Geschäft
So konnte RNF sich neu aufstellen und Zone 7 hatte Zeit, sich um Konzept und Inhalte zu kümmern. Während RNF die Zeit nach unserem Eindruck genutzt hat, kann der neue Anbieter Zone 7 aktuell auch nicht ansatzweise mit Inhalten überzeugen.
Regionalfernsehen gilt schon seit vielen Jahren als unwirtschaftliches Geschäft. Im Vergleich zu Zone 7 hat RNF die deutlich schlechteren Karten, obwohl die Mitarbeiter die Region kennen, was ein deutlicher Vorteil gegenüber Zone 7 ist. Aber letztlich geht es ums Geld und Fernsehen zu veranstalten ist teuer.
Im Gegensatz zu Zone 7 hat RNF keinen Generalabnehmer RTL und wird künftig rein auf Werbeerlöse und “andere” Einnahmen angewiesen sein. Andere Einnahmen sind fast ausschließlich im “PR”-Bereich zu erzielen, was die journalistische Unabhängigkeit massiv beeinträchtigen kann.
Inhaltliche Tiefe ist zu teuer
Zone 7 wiederum wird sicher keine besondere Mühe auf inhaltliche Tiefe im Regionalfenster verschwenden – denn das ist viel zu teuer. Man wird ein so-tun-als-ob-Angebot machen, die RTL-Lizenzzahlungen kassieren, um die “Homebase” zu finanzieren, von der aus weiter das frühere und künftige Geschäft bestellt wird, nämlich Zulieferungen an die RTL-Gruppe mit “Reportagen”.
Ob RNF diese Konkurrenz überleben kann, muss bezweifelt werden. Die Chancen stehen nicht gut. Nach unseren Informationen gibt es deutschlandweit keine Region, in der zwei private Sender im Regionalen erfolgreich am Markt agieren. Medienpolitisch ist zweifelhaft, ob es nach 2026, wenn die Lizenz ausläuft, weiterhin lizenzierte Programmfester geben wird.
RNF ist dann möglicherweise Geschichte und Zone 7 wird weiterziehen. Für die Menschen vor Ort bedeutet das einen weiteren Verlust an “publizistischer Vielfalt”.
Vielleicht, wenn die Inhalte so gar nicht stimmen, muss “RON-TV” auch früher weiterziehen. Der Fehlstart begann mit “Drei-TV” in der irrigen Annahme, das Sendegebiet umfasse “drei” Bundesländer. Für die Metropolregion stimmt das, für die Lizenzgeber nicht.
Gewinn oder Schaden? Unser Prognose ist negativ
RheinOdenwaldNeckar? Es gibt Rhein-Neckar und Neckar-Odenwald, aber dass der Rhein mit Senderstart durch den Odenwald fließt, ist vermutlich eine Fakenews. Unter Rheinodenwaldneckar kann sich hier niemand etwas vorstellen. Und wo bitte ist die Pfalz in diesem Namen abgebildet?
Herr Präkelt stellt sich sein Debüt und die Zukunft sehr einfach vor. Er wird hofiert werden, von Leuten, die gerne ins Fernsehen wollen und sich noch beim letzten Blödsinn filmen lassen, Hauptsache im Bild.
Journalistisch, das ist meine Prognose, wird der neue Sender die Region nicht bereichern, sondern beschädigen. Ich lasse mich gerne korrigieren, aber leider treffen meine Analysen meistens zu.
Es gibt eine gute Nachricht: Wir sind sehr froh, dass wir mit diesem Anbieter garantiert nicht zusammenarbeiten.