Mannheim/Karlsruhe/Rhein-Neckar, 18. Juli 2017. (red/pro) Der Schock muss tief sitzen bei Dirk Lübke, Chefredakteur der Lokalzeitung Mannheimer Morgen, die mit einem massiven Auflagenrückgang zu kämpfen hat. Die von der Zeitung erzwungene gerichtliche Entscheidung zur Frage, ob eine kritische Einordnung der Berichterstattung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, bezeichnet der Chefredakteur Lübke aktuell tatsächlich als „fatal“, während er die Meinungsfreiheit der Leserbriefschreiber verteidigt und Kritiker wie uns indirekt als unseriöse Lügner bezeichnet. Dabei verdreht Herr Lübke, als „Gesicht“ für die Zeitung, ganz, wie es ihm beliebt, die Tatsachen und unterschlägt die Information, dass er nicht bereit ist, sich einer öffentlichen Kritik zu stellen. RNB-Redaktionsleiter Hardy Prothmann antwortet in einem offenen Brief an den „Kollegen“.
Von Hardy Prothmann
Sehr geehrter Herr Lübke,
diese Welt ist vielfältig und die Welt der Meinungen ist schier grenzenlos. Jeder darf in diesem Land eine Meinung haben. Sie und ich und alle anderen. Ein ganz außerordentliches Privileg, das es im größten Teil dieser Welt so nicht gibt.
Dank unseres Grundgesetzes und hier Artikel 5, der die Basis für unsere journalistische Arbeit darstellt. Wie jeder andere auch, dürfen wir uns aus frei zugänglichen Quellen informieren und unsere Meinung in Wort und Schrift kundtun, sofern wir keine anderen Rechtsgüter dadurch verletzen.
Der Gesetzgeber hat nicht definiert, welche Qualität eine Meinung haben muss. Die differenzierte Meinung einer sachkundigen Person ist also ebenso zulässig, wie eine kreuzdumme Meinung. Dieses weite Feld gilt auch für Ihre Meinung, Herr Lübke.
Ich darf Sie und die interessierte Öffentlichkeit nochmals erinnern, um was es in der Auseinandersetzung ging, die Sie als Statthalter einer vermeintlichen Institution der „Wahrheit“ verloren und ich als kritischer Journalist gegen Ihre Attacke gewonnen habe.
Ergebnisoffene Recherche
Meine Redaktion hat in einer sehr aufwändigen Arbeit mit rund 50 Arbeitsstunden die Zeitung Mannheimer Morgen nach Leserbriefen zum Thema „Buga 23“ über fast ein ganzes Jahr durchgeschaut. Das haben wir nicht gemacht, weil wir sonst nichts zu tun haben, sondern weil wir Hinweise erhalten haben, dass es möglicherweise „Merkwürdigkeiten“ zu beobachten gäbe.
Es handelte sich um eine offene Recherche mit einer einfachen wissenschaftlichen Vorgehensweise zur Frage: Wann und in welchem Umfang wurden Leserbriefe zum Thema „Buga 23“ in der Lokalzeitung veröffentlicht und welchen Umfang sowie tendenziellen Inhalt hatten diese? Dafür hatten wir ein Raster erstellt: Kurzer, mittlerer, langer Leserbrief. Mit Foto, ohne Foto. Pro, kontra oder neutral zum Thema. Ganz einfach also, aber halt viel Arbeit, um das auszuwerten.
Sie, Herr Lübke, und die Öffentlichkeit können davon ausgehen, dass ich als Redaktionsleiter ergebnisoffen die Resultate dieser Untersuchung veröffentlicht habe. Wäre herausgekommen, dass es überhaupt keine Auffälligkeiten gegeben hätte oder sogar ein sehr umfangreiches Stimmungsbild durch die Lesermeinungen den Nutzern der Zeitung angeboten worden wäre – dann hätte man das bei uns lesen können. So war das aber nicht.
Nach unserer Auswertung gab es im Mittel ein Verhältnis von 6:1 Leserbriefen Kontra- zu Pro-Buga.
Sie selbst, Herr Lübke, haben im Zug der juristischen Auseinandersetzung erklärt, dass Ihnen bewusst ist, das „Gegner“ von was auch immer, deutlich aktiver sind als die, die keine Meinung haben oder was auch immer zustimmen.
Sie können sich also nicht herausreden.
Krasses Missverhältnis
Das ist der entscheidende Punkt der Kritik, der Sie sich, Herr „Kollege“, bis heute nicht stellen.
Wenn Sie, als erfahrener Journalist also wissen, dass es ein krasses Missverhältnis der Agitationsbereitschaft zwischen Gegnern und Befürwortern einer politischen Angelegenheit gibt und wenn Sie trotz dieses Wissens einer Seite in nicht nur erheblichem, sondern überbordenden Maß mehr Raum geben, dann ist es geradezu unausweichlich, dies zu hinterfragen und zu kritisieren.
Das wird Sie jetzt überraschen, Herr Lübke, aber so kennen Sie das RNB ja bereits. Es geht bei dieser Kritik überhaupt nicht um den Mannheimer Morgen, dessen redaktionelle Linie Sie verantworten. Sie und Ihre Zeitung sind nur ein „pars pro toto“.
Die entscheidende Frage ist am Beispiel des Mannheimer Morgen, welcher Eindruck in der Öffentlichkeit durch mediale Berichterstattung erzeugt wird. Zur „medialen Berichterstattung“ gehören eigene journalistische Leistungen, aber auch die Wiedergabe von Pressemitteilungen, von Gastbeiträgen sowie die von (Leser)Meinungen.
Wer sich überwiegend oder ausschließlich an Lesermeinungen im Mannheimer Morgen zum Thema „Buga 23“ orientierte, musste bei einem Verhältnis von 6:1 den Eindruck gewinnen, dass der absolut überwiegende Teil der Leserbriefschreiber – öffentliche Meinung – gegen dieses Projekt ist. Dieser Eindruck ist sogar absolut zutreffend, denn laut Ihren eigenen Angaben als „Zeuge“ im Zuge der juristischen Auseinandersetzung wurden ausnahmslos alle Leserbriefe zum Thema in der Zeitung veröffentlicht.
Nur sind die Leser einer Zeitung und die Schreiber von Leserbriefen ganz sicher niemals „die öffentliche Meinung“ – diesen falschen Eindruck konnte man aber mangels Einordnung haben. Wenn dazu noch redaktionelle Eingriffe erfolgen, wie großformatige Bilder und Leserbriefe als „Artikel“ bezeichnet werden, wird es ganz streng.
Entscheidende Fragen
Zurück zur „entscheidenden“ Frage: Entspricht die Meinung der Leserbriefschreiber auch der der allgemeinen Öffentlichkeit? Das kann, wir meinen, das muss man bezweifeln. Wie sieht es beim Mannheimer Morgen mit der journalistischen Grundtugend des Zweifelns aus? Haben Sie und Ihre Redaktion sich nie gefragt: „Geht das so in Ordnung? Können wir das so machen? Erzeugen wir nicht möglicherweise ein falsches Bild? Eine Realität, die es so nicht gibt? Informieren wir noch oder manipulieren wir schon? Gibt es bei uns einen blinden Fleck? Betrügen wir möglicherweise die Leser aufgrund unseres aktiven Steuerns dieser Leserbriefe, die möglicherweise durch eine hochaktive Gruppe erzeugt werden, die aber im Verhältnis gesehen nicht die Stadtgesellschaft abbildet, aber vielleicht unsere Haltung in der Redaktion oder zumindest die von denen, die diese Redaktion leiten?
Ich weiß nicht, wie das so mit offenen Fragen in der von Ihnen verantworteten Redaktion läuft – ist das für Sie und Ihre Redakteure zu komplex?
Hier beim RNB ist das Pflicht, nicht Kür. Unsere erste Redaktionsregel heißt: „Traue keinem!“. Und diese Aufforderung legen wir zuerst an uns selbst an: Haben wir alles bedacht und recherchiert? Täuschen wir uns selbst durch fehlende Perspektiven? Sind wir wirklich sicher, dass das, was wir berichten, auch so der Wirklichkeit entspricht?
Sehen Sie, Herr Lübke – es gibt kein Gesetz und keine Vorschrift, die vorschreibt, wie man Journalismus betreibt. Die redaktionellen Leitlinien entscheidet jeder Anbieter selbst – klar muss man dabei viele Gesetze beachten, aber keins davon heißt „Journalismusgesetz“. Da sind wir alle vollständig frei und das ist gut so.
Wie unterschiedlich die Sichtweisen, also Meinungen sein können, zeigt auch unsere juristische Auseinandersetzung, die ich, nebenbei bemerkt, vollumfänglich gewonnen habe.
Fatal deformierte Haltung
Ich bin mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe tatsächlich „sehr zufrieden“, wie es in Ihrer Meldung in der Zeitung von heute heißt. Denn ich vertraue auf den Rechtsstaat. Nicht blind, nicht kritiklos, sondern immer am Einzelfall orientiert und in der inhaltlichen Auseinandersetzung.
Ich war mit dem Urteil des Landgerichts Mannheim nicht einverstanden, also „nicht zufrieden“. Im Leben wäre es mir aber nicht eingefallen, dieses Urteil als „fatal“ zu bezeichnen. „Frieden“, auch juristischer kehrt nicht dann ein, wenn eine Seite gewinnt, sondern wenn man ein Urteil akzeptiert und die Begründung anschaut. Die schriftliche Begründung steht noch aus – Sie waren in Karlsruhe dabei und können wie ich erahnen, wie diese lauten wird. Ich fand den Vortrag der Richter sehr pausibel.
Sie, Herr Lübke, haben sich für den Unfrieden entschieden, weil sie weder dieses Urteil akzeptieren, noch die Verhandlungen ihrer Rechtsvertreter, die klipp und klar im Zuge eines Vergleichs auf eine Revision verzichtet haben.
Wenn Sie, Herr Lübke, sich jetzt öffentlich hinstellen und dieses von ihren Rechtsvertretern akzeptierte Urteil als „fatal“ bezeichnen, dann „betrügen“ und „täuschen“ Sie die Öffentlichkeit schon wieder, weil Sie wesentliche Inhalte nicht mitteilen.
Ihr Justiziar und ihre beauftragter Rechtsanwalt haben auf einen Revisionsantrag verzichtet und damit dieses Urteil akzeptiert.
Wenn Sie nun behaupten, dass diese höchstrichterliche Urteil „fatal“ sei, obwohl Sie das durch Ihren Rechtsbeistand akzeptieren. Was wollen Sie damit sein? Ein Fatalist? Ein Märtyrer? Oder nur ein Heuchler?
Ihr Verhalten, Herr Lübke, ist einer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Ordnung massiv abträglich. Fatal ist allein Ihre vollständig deformierte journalistische und gesellschaftliche Haltung.
Sie waren leider am Donnerstag nicht bei zwei weiteren Verfahren am Landgericht Mannheim vor Ort, die die Mannheimer Morgen GmbH und die Dr. Hass GmbH gegen mich angestrengt hatten. Wären Sie vor Ort gewesen, hätten Sie erleben können, dass der Richter Stojek, der mir zunächst meine Meinungen verboten hatte, sich äußerst respektvoll über das Karlsruher Urteil geäußert hat. Er hat die Revidierung des Spruchs seiner Kammer hingenommen und sagte wörtlich über seine Kollegen in Karlsruhe: „Das sind unsere Besten.“
Die Besten haben also für die Meinungsfreiheit entschieden. Und Ihnen, Herr Lübke, fällt nichts Besseres ein, als das als „fatal“ zu bezeichnen? Muss ich dadurch den Eindruck gewinnen, dass es Ihnen, Herr Lübke, in Ihrer Ihnen eigenen totalen Arroganz grundsätzlich an Respekt vor höchstrichterlichen Entscheidungen mangelt? Müssen ich und die Öffentlichkeit den Eindruck haben, dass Sie in einer Art populistischer Manier den Rechtsstaat in absoluten Zweifel ziehen?
Haben Sie ein grundsätzliches Problem, Herr Lübke?
Möglicherweise, Herr Lübke, haben Sie aber auch ein grundsätzliches Verständnisproblem. Damit sind Sie, Herr Lübke, das darf ich zu Ihrer Beruhigung anführen, ganz sicher nicht alleine.
„Betrug“ und „Manipulation“ oder „Illusion“ gehören zur Menschheit seit Angedenken. Nicht nur die Natur bietet Mimikri und Camouflage. Die Weltliteratur ist voll davon und bietet spannenden Stoff, der millionenfach als Bücher über die Ladentheken geht, filmisch umgesetzt wird oder theatralisch auf der Bühne gebracht wird. Ganz zu schweigen von der politischen Debatte, wenn es hoch her geht.
Unser Job als Journalisten ist aber nicht „Literatur“ oder Unterhaltung herzustellen, sondern die bestmögliche Information anzubieten, um unser jeweiliges „Publikum“, also die Öffentlichkeit, die wir erreichen, mit zuverlässigen Informationen zu versorgen und Orientierung zu geben.
Dabei müssen wir uns immer hüten, nicht auf „Betrug“ und „Manipulation“ hereinzufallen, was niemals absolut gelingen wird. Oder auf eigene Wünsche, unsere individuelle Sicht oder die eigene, subjektive Stimmung, die auch mal von Verdauungsproblemen oder was sonst auch immer getrübt sein könnte. Was auch immer wieder vorkommen wird.
Ihre Einschätzung des Karlsruher Richterspruchs, den Sie als „fatal“ bezeichnen, ist erschütternd.
Unser Geschäft sind informative Worte. Haben Sie und Ihre Redaktion eigentlich mal nachgedacht, was diese fünf Buchstaben, dieses vermeintlich kleine Wort „fatal“ bedeuten?
Ich zitiere:
„MM“-Chefredakteur Dirk Lübke wertete das Urteil von Karlsruhe als „fatal“ für alle seriösen und unabhängigen Medienarbeiter. „Wenn gravierende Behauptungen wie Betrug und Manipulation einfach so als Meinungsäußerung dahergesagt und verbreitet werden können, dann bekommen auch die einen verbalen Freifahrtschein, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen.“
Und weiter:
Der „Mannheimer Morgen“ werde seinen Lesern durch Leserbriefe auch weiterhin wie gewohnt ein weites Forum bieten, um die „sehr wichtigen und vielfältigen Meinungen, die unsere Zeitung als Meinungsbildner bereichern“, öffentlich machen zu können.
Fatal als Spiegel des eigenen Ichs
Sie, Herr Lübke, sind ein Täuscher. Wir haben vor Gericht vorgetragen – Sie waren anwesend – dass auch Ihre Zeitung Meinungen zulässt, die vom „Betrug am Wähler“ schwadronieren. In den Leserbriefen zur „Buga 23“ wurden der Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz und andere mit massiven Betrugsvorwürfen konfrontiert. Und Sie meinen tatsächlich, dass Sie andere als unseriös abstempeln können, während Sie aktiv daran beteiligt sind, „Dahergesagtes“ zu verbreiten?
Sie dürfen das, Herr Lübke. Ihre Leser dürfen das. Sie dürfen das befördern. Der Karlsruher Richterspruch gilt auch für Sie und Ihre Leserbriefschreiber, Herr Lübke.
Das haben Sie nur noch nicht verstanden. Möglicherweise fehlt Ihnen dazu auch die intellektuelle Fähigkeit. Dieser Urteilsspruch ist ein „Freifahrtschein“ für jeden Blödsinn, der als Leserbrief bei Ihnen ankommt und denn Sie als Meinung veröffentlichen.
Ob Ihre Arbeit seriös ist oder nicht, dazu darf sich jeder selbst eine Meinung bilden.
„Fatal“, Herr Lübke, ist Ihre Haltung. Das darf ich Ihnen erläutern. Ich bringe meinen Mitarbeitern bei, genau darauf zu achten, wie sich Personen zu etwas äußern und dann zu prüfen, inwieweit diese Äußerungen auf die Person und deren Handeln und Wirken selbst zutreffen könnten. Bei Ihnen ist das eine Punktlandung.
Ich habe nicht „einfach so“ etwas als Meinung geäußert, sondern auf Basis einer journalistischen Recherche mit erheblichem Zeitaufwand meiner Mitarbeiter, die überprüfbar eine Auswertung vorgenommen haben. In unserem Artikel behaupten wir an keiner Stelle eine „Wahrheit“, sondern führen auf, was wir feststellen konnten. Dazu stellen wir viele offene Fragen.
Keiner Ihrer Leserbriefschreiber kann auch nur ansatzweise dieser Leistung entgegentreten. Die schreiben ihre Meinung – ob mit oder ohne Recherche – und der Mannheimer Morgen druckte diese im bekannten Verhältnis von 6:1 ab – ohne sich jemals die gebotenen Fragen zu stellen, ob das so in Ordnung geht.
Und das ausweislich des Wissens, dass Ihnen bekannt ist, dass es ein Missverhältnis gibt. Geht so „seriöse“ Medienarbeit? Ich nenne Leserbriefe nicht „Berichterstattung“, denn es geht ja nicht um Berichterstattung, sondern um Meinungen.
Weiter ist in der kurzen Meldung zu lesen:
Lesermeinungen als manipuliert oder als gesteuerten Betrug zu bezeichnen, beleidigt alle unsere Leser.
Intransparent. Populistisch. Dumm
Herr Lübke! Sie sind ein schlimmer Populist und tun so, als hätten wir alle Ihre Leser beleidigt. Ist das eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung? Sollte ich dagegen klagen? Nein – das ist Ihre persönliche Meinung, ohne tatsachenbasierte Grundlage. Verstehen Sie das, Herr Lübke?
Sie täuschen schon wieder aktiv und vorsätzlich „betrügerisch“ und „manipulativ“ Ihre Leserschaft. Es gibt an keiner Stelle in unserem Artikel eine Behauptung, dass die Lesermeinungen manipuliert worden seien oder dass die Leser einen gesteuerten Betrug als eine Art „Meinungsbande“ versucht hätten.
Wir haben unsere Meinung zur Veröffentlichungspraxis der von Ihnen verantworteten Zeitung kritisiert, nicht die Meinungen Ihrer Leserbriefschreiber. Und schon gar nicht haben wir irgendeinen Leser Ihrer Postille beleidigt.
Sie stellen krass falsche Tatsachenbehauptungen in Ihrer Zeitung auf. Sie manipulieren. Sie betrügen Ihre Leserschaft mit einem solchen Quatsch um ordentliche, nachvollziehbare und überprüfbare Informationen.
Keine Sorge, ich werde Sie nicht verklagen. Ich bin für öffentliche Debatte und Transparenz und nehme Ihre, mit Verlaub, brutalstmöglich dumme Meinung hin – dieser Blödsinn ist Ihnen nach Artikel 5 Grundgesetz grundsätzlich erlaubt.
Worüber Sie Ihre Leserschaft nicht informiert haben, was ich gerne nachhole, ist, dass Sie nicht bereit sind, unsere journalistische Anfrage zur Veröffentlichungspraxis von Leserbriefen zu beantworten. Diese Anfrage wurde am 12. Juli 17:54 Uhr an Sie gerichtet:
Sehr geehrter Herr Lübke,
Ihr Anwalt hat heute vor dem OLG behauptet, man gehe grundsätzlich mit Kritik um und setze sich damit auseinander.
Im Zusammenhang mit der streitigen Sache dazu unsere journalistische Anfrage:
Wo findet man einen Überblick zu redaktionellen Richtlinien über den Umgang mit Leserbriefen beim MM?
Wann wurde der Leserschaft mitgeteilt, dass Sie zum Thema Buga alle Leserbriefe veröffentlichen?
Werden bei anderen Themen nicht alle Leserbriefe veröffentlicht? Wenn ja, was ist der Unterschied zur Buga?
Haben Sie die Bebilderung von Leserbriefen und die Positionierung im redaktionellen Teil eingeführt?
Warum wurde das eingeführt?
Wann hat die Zeitung im Zusammenhang mit unserem Rechtsstreit die Leserschaft darüber informiert und den Zusammenhang erläutert?
Falls es keine Information in Ihre Leserschaft zur Erläuterung der Veröffentlichungspraxis bei Buga-Leserbriefen gab und auch keine Erläuterung des aktuellen Rechtsstreits – halten Sie die Behauptung aufrecht, der MM sei an Kritik interessiert und setze sich damit auseinander?
In Anbetracht des morgen zu erwartenden Urteils bitte ich um zügige Antwort oder Hinweis, bis wann Sie antworten werden.
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Prothmann
Sie antworteten darauf am 12. Juli um 18:35 Uhr:
Sehr geehrter Herr Prothmann
da Ihre Fragen mit dem gegenständlichen Verfahren zu tun haben, bitte ich um Verständnis, zurzeit von einer Stellungnahme abzusehen.
Freundliche Grüße
Ich antwortete darauf am 12. Juli um 19:06 Uhr:
Sehr geehrter Herr Lübke,
das ist jetzt aber reichlich hasenfüßig, so hatte ich Sie gar nicht eingeschätzt.
Der Sachvortrag ist vorbei und Antworten auf die Fragen haben aktuell keine juristische Relevanz mehr.
Sie können ja gerne morgen nach Urteilsverkündung antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Prothmann
Darauf haben Sie nicht mehr geantwortet. Auch auf diese Aufforderung nicht:
Sehr geehrter Herr Fuchslocher, Herr Dr. Kitzberger, Herr Lübke,
aus Erfahrung wird man klug.
Am Mittwoch gab es keine Verhandlungen, die sich so nennen könnten. Ein möglicher Vergleich wurde zurückgewiesen. Das Ergebnis ist bekannt – Sie haben vollumfänglich verloren. Oder anders: Ich habe vollumfänglich gewonnen.
Am Donnerstag wurde verhandelt wie auf dem Basar, was Herr Dr. Kitzberger am Mittwoch noch zurückwies – und obwohl ich an dem Punkt war, wiederum entscheiden zu lassen, habe ich mich auf einen Vergleich eingelassen, damit die Sache ein Ende hat.
Sie, Herr Fuchslocher, ebenso Sie, Herr Dr. Kitzberger, haben mehrfach betont, dass man für Kritik offen sei und damit umgehe. Außerdem, dass es keinesfalls um die Erzeugung von Schäden bei mir gehen sollte.
Einen Schaden habe ich durch den Vergleich. Und auch das Verfahren bis vors OLG hat Geld, Kraft und Nerven gekostet. „Der Größere zeigt sich honorig“, haben Sie nicht befolgt.
Der MM hätte am Donnerstag, am Freitag, am Samstag an gleicher Stelle wie zuvor zu „Blog muss löschen“, die Öffentlichkeit über den Ausgang der Verfahren informieren können. Ich kann dort aber genau nichts finden. Vielleicht ist ja die Suche kaputt, aber zu Rheinneckarblog findet man nur „Blog muss löschen“ als Online-Beitrag noch am Tag der Entscheidung damals vor dem LGMA und einen Tag später als Zeitungsmeldung, die ebenfalls online gestellt wurde. Damals haben Sie sehr zackig reagiert.
Die Fragen zur Veröffentlichungspraxis der Leserbriefe hat Herr Lübke immer noch nicht beantwortet. Was ist daran schwierig? Wir haben vielfältig dokumentiert, nach welchen Regeln wir arbeiten und die wenigen Fragen an mich gestellt, hätte ich im Handumdrehen beantwortet.
Herr Fuchslocher habe ich diverse Angebote gemacht, um sich vor allem künftig außergerichtlich zu begegnen. „Sie halten wohl ziemlich viel von sich“ oder „Sie wissen auch nicht alles“, waren die Antworten, Habe die Ehre.
Ich warte nun noch bis Montag, 15 Uhr auf die Antworten der Anfrage an Herrn Lübke. Gibt es keine Antwort, gehe ich davon aus, dass man auf Ihrer Seite nicht gewillt ist, die Fragen zu beantworten.
Mit meinem Anwalt werde ich das Für und Wider nochmals abwägen, ob wir die Einigung so wollen oder eventuell doch nicht.
Für weitere Gespräche bin ich auf dieser Erfahrungsbasis für Sie nicht mehr erreichbar. Aufrichtiges, anständiges und verlässliches Verhalten geht anders.
Jeder entscheidet selbst, wen oder was er morgens im Spiegel sieht.
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Prothmann
Herr Lübke, Sie sind krachend gescheitert
Unterm Strich, Herr Lübke, wäre man jetzt in der Spähre der Politik, müsste eigentlich Ihre Redaktion die Frage stellen, inwieweit Sie als „Regierungschef“, also Chefredakteur, noch tragbar sind. Es geht in Medienhäusern aber nicht demokratisch zu, schon gar nicht, wenn man Angst um die eigene Existenz hat und um den Job fürchten muss, von denen ja schon einige beim MM abgebaut worden sind.
Ihre Zeitung verliert unter Ihrer Führung zudem massiv Leserabos. Sie verlieren zudem höchstrichterlich und vollumfänglich gegen einen freien und kritischen Journalisten.
Sie bezeichnen daraufhin diesen Richterspruch als „fatal“.
Sie negieren die höchstrichterlich festgestellte Meinungsfreiheit und stellen die Ihrer Leserbriefschreiber über die von hart arbeitenden Journalisten und zeigen, dass es bei Ihnen keinerlei Raum für Selbstzweifel gibt.
Sie beantworten keine gebotenen Fragen zur Transparenz.
Sie stellen falsche Tatsachenbehauptungen auf.
Uff.
Ganz ehrlich, Herr Lübke? Sie haben fertig und sollten sich vom Acker machen, weil Sie den schlecht bestellt haben und die Gülle, die Sie ausbringen, den Boden für gesellschaftliche Debatten extrem sauer macht.
Ich halte Ihre journalistische Haltung für äußerst fatal. Sie tun der Zeitung, bei der ich als Anfänger mal gelernt habe (war ne gute Zeit), überhaupt nicht gut.
Entgegen in diesem juristischen Verfahren geäußerten Mutmaßungen gibt es bei mir keinerlei Ambitionen, dieser Zeitung Schaden zuzufügen. Das besorgen Sie selbst. Ganz im Gegenteil beobachte ich mit großer Sorge den Niedergang vieler etablierter Medien.
Was Sie nicht verstehen, ist, dass meine Kritik durchaus geeignet sein kann, Probleme und Fehlentwicklungen zu identifizieren und diese Hinweise im Sinne einer qualitativen Entwicklung zu nutzen – wozu Sie dokumentiert auch nicht ansatzweise bereit sind. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern grob fahrlässig.
Sie persönlich, Herr Lübke, wurden von mir und meinem Team nicht in Frage gestellt. Wir haben auf die Leistung der Gesamtredaktion abgestellt – Sie haben das zu Ihrer Sache gemacht. Und das ist gut so – denn Sie sind verantwortlich.
Sie haben mit größtmöglichem Widerstand reagiert und mit der Wucht eines millionenschweren Großverlags Prozesse gegen ein kleines Startup angestrengt und sind krachend gescheitert.
Sie, Herr Lübke, wollten ein Exempel statuieren und haben sich selbst enttarnt
Sie, Herr Lübke, nehmen das nicht einfach hin, sondern beschämen die hier geltende demokratische Verfasstheit und stellen die „vox populi“ vor die respektable Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe.
Sie, Herr Lübke, stellen sich keinen berechtigten Fragen und sind damit ein unverantwortlicher Akteur des Populismus, der Politik- und Medienverdrossenheit nicht nur erzeugt, sondern aktiv befördert. Sie wollten ein Exempel statuieren und haben das geschafft. Nur leider fehlt Ihnen die Einsicht, dass Sie sich selbst dabei als Sujet enttarnt haben.
Sie, Herr Lübke, sind kein „Kollege“ für mich. Sie stehen für eine Art von Journalismus, der mir wesensfremd ist.
Ich würde Sie gerne achten, aber Ihr Verhalten gibt dazu bedauerlicherweise keinerlei Anlass.
Soweit mir bekannt ist, sehe ich das nicht solitär – auch in Ihrer Redaktion hängt wohl der Haussegen massiv schief und was man so hört, wird auch andernorts der Gegenwind schärfer.
Und um auch das klar und deutlich zu formulieren. Persönlich und fachlich schätze ich die Arbeit von vielen Redakteuren beim Mannheimer Morgen. Die Redaktion hat einige sehr gute Journalisten.
Die sollten Sie, Herr Lübke, für Ihre persönlichen Unzulänglichkeiten, nicht in Haft nehmen.
Sie, Herr Lübke, wollten ein Exempel statuieren. An meiner Person. Daran sind Sie gescheitert. Sie nehmen dafür Ihre Redaktion in Haft. Das ist, mit Verlaub, erbärmlich. Auch dieses Verhalten findet man zuhauf beschrieben in der Literatur.
Sie hatten vermeintlich existenziell im Gegensatz zu mir kein Risiko – für Kosten müssen Sie persönlich nicht aufkommen. Sie konnten aus dem Vollen schöpfen, während ich um jeden Euro bangen musste. Sie speisen Ihre Leserschaft mit einem Miniartikel ab und thematisieren nicht die äußerst spannenden Hintergründe, während ich hier dieser Auseinandersetzung großen Raum gebe.
Auch daran zeigt sich, was Zeitungen – der MM als pars pro toto – zu leisten bereit sind und was nicht – und was das RNB leistet, im Gegensatz zur Zeitung.
Die Stadt Mannheim ist stolz auf das Nationaltheater, auf Schiller und die Räuber.
Sie, Herr Lübke, berauben diese ganz besondere Stadt einer ordentlichen journalistischen und intellektuellen Streitkultur.
Zeigen Sie sich gnädig und beenden Sie möglichst bald Ihr bedauernswertes Gastspiel.
Es wird Sie niemand vermissen.
Anm. d. Red.:
Zur Einordnung der dokumentierten emails: Unternehmen der Dr. Haas-Gruppe, zu der der Mannheimer Morgen gehört, haben insgesamt drei Verfahren persönlich gegen den für das RNB redaktionell verantwortlichen Journalisten Hardy Prothmann angestrengt. Das Gesamtkostenrisiko lag bei 29.000 Euro.
In einem Fall ging es um den Artikel mit dem Titel „Der gesteuerte Betrug am Leser“ und den ersten Satz im Vorspann: „Der Mannheimer Morgen informiert seine Leser nicht, er manipuliert sie“. Zunächst urteilte das Landgericht Mannheim Ende 2015, dass diese Sätze bei einer Strafe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Haft, nicht mehr geäußert werden dürften. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hob dieses Urteil auf und gab der Berufung von Hardy Prothmann mit mündlicher Verkündung am 13. Juli vollumfänglich Recht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Prozesskostenrisiko liegt bei 14.000 Euro.
In zwei weiteren Verfahren verklagten Unternehmen der Dr. Haas-Gruppe den freien Journalisten Hardy Prothmann auf Vertragsstrafen in Höhe von je 3.000 Euro, weil dieser angeblich gegen Unterlassungserklärungen verstoßen habe. In einem Bericht des RNB zu einer Veröffentlichung auf „mannheim24.de“ war die boulevardeske „Ausschlachtung“ eines tödlichen Verkehrsunfalls harsch kritisiert worden. Das Prozesskostenrisiko lag bei 10.000 Euro.
Dazu kommen Kosten der Vorbereitung, Reise- und Unterbringungskosten der anwaltschaftlichen Vertretung.
Die Parteien einigten sich nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe bei zwei weiteren Verfahren am 14. Juli auf einen Vergleich. Auf die von der Gegenseite geforderten Vertragsstrafen wurde verzichtet. Die Kosten werden geteilt. Die Unterlassungserklärungen wurden bestätigt. Der Gegenseite war aber sehr wichtig, dass in dem Artikel des ersten Verfahrens die Sätze „Der gesteuerte Betrug am Leser“ sowie „Der Mannheimer Morgen informiert seine Leser nicht, er manipuliert sie“, nicht mehr wiederholt werden. Dies wurde bestätigt, dafür verzichtete die Gegenseite auf einen Revisionsantrag gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Auch dieser Vergleich ist noch nicht rechtskräftig.
Hardy Prothmann war von 1991-1994 als Student für den Mannheimer Morgen als freier Mitarbeiter tätig und hat in dieser Zeit sehr fleißig rund 1.000 Artikel über das lokale Stadtgeschehen geschrieben, die allesamt veröffentlicht worden sind. Seither gibt es keine Verbindungen mehr zur dieser Zeitung.
Von 1994 bis 2008 berichtete Hardy Prothmann für fast alle wesentlichen Publikationen über Medien – er ist ein profunder Experte für die gesamte Medienlandschaft in Deutschland und im Ausland. Es sind zahlreiche Aufsätze und Beiträge in wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Medien von ihm erschienen.
„Eine offene, freiheitliche und rechtsstaatliche Gesellschaft ist ohne soliden Journalismus nicht denkbar. Journalismus hat die Aufgabe, sich kritisch mit der Gesellschaft zu befassen, aber Journalismus muss jederzeit bereit sein, sich einer kritischen Öffentlichkeit zu stellen. Journalismus kann sich „gemein“ machen, ob man das gut oder schlecht findet, ist Sache der Meinungsfreiheit und redaktioneller Leitlinien. Journalismus, der sich einer Debatte um die eigene Qualität verweigert, hat die grundsätzliche Bedingung für die Akzeptanz seiner notwendigen Bedeutung nicht verstanden“, stellt Hardy Prothmann fest.
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