Mannheim, 28. Oktober 2015. (red/hmb) In der Vergangenheit haben vor allem Spiegel Online und Zeit Online sehr einseitig und vor allem skandalisierend über den Hygieneskandal an der Universitätsmedizin in Mannheim (UMM) berichtet. Diese überwiegend negative Berichterstattung, die auch von andern Medien übernommen worden war, hat nicht nur den Ruf der Klinik stark beschädigt, sondern wirkt sich ebenfalls negativ auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus: Ihre Arbeit wird kaum mehr wert geschätzt. Daher fand heute eine außerordentliche Betriebsversammlung statt, bei der der Betriebsratsvorsitzende Ralf Heller über die Situation an der UMM sprach.
Von Hannah-Marie Beck
Heute fand eine außerordentliche Betriebsversammlung vor dem Haupteingang der Universitätsmedizin Mannheim statt. Rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik (4.800 insgesamt) haben sich hier in ihrer Freizeit öffentlich versammelt, um über die überwiegend negative Berichterstattung durch Zeit Online und Spiegel Online im Rahmen des “Hygieneskandals” zu sprechen.
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Lesetipp: Unser Faktencheck zeigt die tendenziöse Berichterstattung großer Medien
Mehr potentielle Opfer als reale Patienten
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Diese hat nicht nur den guten Ruf der Klinik beschädigt und dazu geführt, dass sich rund 4.000 Personen in diesem Jahr für einen anderen Behandlungsort entschieden haben, sondern bedeutet auch für die Angestellten eine große Belastung. Das Klinikpersonal gibt sich große Mühe um eine bestmögliche Behandlung zu garantieren und erhält keine Anerkennung dafür – im Gegenteil, sie werden in den Medien auch noch schlecht dargestellt.
Der Betriebsratsvorsitzende Ralf Heller hielt die Rede bei dieser Versammlung und bekam dabei immer wieder Zustimmung und Applaus von seinen Kolleginnen und Kollegen.
Da kommt Wut auf, denn das ist der eigentliche Skandal: Wir sind nur noch Pflegeroboter,
sagt Ralf Heller und verweist dabei auf einen aktuellen Artikel des Spiegel mit der gleichnamigen Überschrift. In diesem geht es um eine Krankenschwester, die von ihrem Arbeitsalltag berichtet – vor allem davon, dass die Zeit für eine optimale Behandlung der Patienten fehlt und dass die Kliniken unter einem hohen Kostendruck stehen: Möglichst viele Patienten in möglichst kurzer Zeit zu behandeln, ist wohl “Standard” in vielen Krankenhäusern und das schadet nicht nur den Patienten, sondern verlangt auch vom Klinikpersonal unglaublich viel ab.
Die Krankenschwester, von der der Text berichtet, arbeitet in einem Krankenhaus in Norddeutschland – unter einem derartigen Druck steht also nicht nur die Universitätsmedizin Mannheim, sondern er betrifft viele Krankenhäuser in Deutschland.
Wir können es uns nicht leisten, Hygiene zu relativieren,
sagt Ralf Heller und gibt auch öffentlich zu, dass Fehler gemacht wurden, dass man lange Zeit darauf fixiert war Geld einzusparen und auf den Konkurrenzkampf fokussiert war.
Wir mussten Dinge anders machen, aber das tun wir jetzt auch. Wir machen einen guten Job unter schwierigsten Bedingungen. Jetzt bitten wir um das Vertrauen der Patienten und der Entscheidungsträger: Gehen sie mit uns diesen Weg der Verbesserung. Im Mittelpunkt steht für uns die Patientensicherheit – wir wünschen uns aber auch eine wesentlich höhere Wertschätzung für die eigenen Mitarbeiter.
Eines ist klar: Die Berichterstattung zu dem Hygieneskandal der Universitätsmedizin Mannheim ist noch lange nicht beendet – die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt bis heute, ob es zu Anklagen kommt, ist noch völlig offen. Der Schaden, den die Berichte der Universitätsmedizin Mannheim gebracht haben, ist aber massiv. Gerade das Klinikpersonal wird noch lange unter dem schlechten Ruf zu leiden haben.
Keiner der Journalisten von Spiegel- und Zeit Online habe, nach Ralf Hellers Angaben, zu irgendeinem Zeitpunkt den Betriebsrat kontaktiert. Eine kritische Berichterstattung findet er durchaus sinnvoll – diese brauche eine Demokratie – sie solle aber fair bleiben.
“Die Artikel von Zeit Online und Spiegel Online scheinen viel mehr eigene Ziele zu verfolgen”, meint Ralf Heller und verweist dabei auf den Zeitpunkt, wann die ersten Namen fielen und “Zielpersonen” der negativen Berichterstattung gewählt wurden:
Man hat Bilder mit brachialer Gewalt gezeichnet und dabei Fakten außer Acht gelassen. Hier scheint es um andere Dinge zu gehen: Es kann nicht sein, dass man ein ganzes Krankenhaus missbraucht, um eine Oberbürgermeisterwahl oder den Landtagswahlkampf zu beeinflussen.
Auch die berüchtigte Fliege, die in einem Sieb geklebt haben soll, hat ihren Auftritt bei der Betriebsversammlung: Kostümiert streift ein Mann durch die Reihen und sucht nach etwas Essbarem – nach Knochensplittern oder Geweberesten – doch findet nichts.
Der Auftritt führt zu viel Gelächter bei dem Klinikpersonal – ein wenig Humor braucht man, um den Stress los zu werden, der durch die Skandalisierung über Monate die gesamte Belegschaft viele Nerven gekostet hat.