Mannheim, 03. Juni 2015. (red/ms) Schon wieder kontaminiertes Operationsbesteck am Mannheimer Uniklinikum? Ein erneuter Skandal! Spiegel online verstört aktuell mit einem Bericht über die hygienischen Zustände am Mannheimer Uniklinikum. Offenbar wurde bei der Recherche aber weder beim Universitätsklinikum selbst noch bei der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Regierungspräsidium Karlsruhe, nachgefragt. Und so finden sich im benannten Artikel fragwürdige Aussagen und Schilderungen von ekelerregenden Zuständen – die von den offiziellen Inspektoren mit Nachdruck zurückgewiesen werden.
Von Minh Schredle
Es ist eine ekelerregende Schilderung von desaströsen Zuständen am Mannheimer Uniklinikum. Nach einer Inspektion der hygienischen Zustände, die vom Regierungspräsidium Karlsruhe in der vergangenen Woche durchgeführt worden ist, schrieb der Journalist Horand Knaup am Montag in einem Bericht von Spiegel online:
Wieder Haare am OP-Besteck, wieder Flusen in den Instrumentenkästen, wieder Chirurgen, die Besteckkästen aussortieren, weil Verpackungen undicht sind.
Das klingt nach einem handfesten Skandal. Woher Herr Knaup diese Informationen hat, wird im Bericht allerdings nicht erwähnt – vom Regierungspräsidium jedenfalls nicht. Pressesprecher Joachim Fischer erklärt gegenüber dem Rheinneckarblog:
Ja, nicht in allen Fällen hat eine richtlinienkonforme Sterilisation des Operationsbestecks stattgefunden. Von einem Hygiene-Skandal zu sprechen, ist allerdings übertrieben.
Haare oder Flusen habe man keine gefunden. Undichte Verpackungen ebenso wenig. Die Beanstandungen würden lediglich Operationszangen betreffen: Diese wurden nicht ordnungsgemäß sterilisiert. Denn bei einer Reinigung nach den Richtlinien müsse das Desinfektionsmittel an alle Einzelteile gelangen können.
Demnach müssen die Zangen beim Reinigungsprozess weit genug geöffnet sein – in Mannheim war das nicht bei allen Instrumenten der Fall. So hätten sich an manchen Zangen beispielsweise an den Scharnieren Keime bilden können, die womöglich eine Infektion verursachen, wenn mit dem betroffenen Besteck operiert worden wäre.
Die Darstellungen liegen weit auseinander
Diese Beanstandungen sind ernstzunehmen und sie zeigen deutlich, dass Kontrollen am Uniklinikum weiterhin gerechtfertigt und angebracht sind. Aber es ist ein Unterschied, ob eine Desinfektion nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, oder ob Haare am Operationsbesteck hängen.
Im Bericht von Spiegel online schreibt Herr Knaup weiterhin:
In den Operationssälen des Mannheimer Uniklinikums gingen die Lichter aus. Das Programm wurde gestoppt, nur in absoluten Notfällen durften die Ärzte noch ans Skalpell. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte eine „sofortige Sperrung der OP-Instrumente“ verfügt.
Auch diese Aussage ist falsch oder zumindest irreführend. Eine Sperrung der OP-Instrumente durch das Regierungspräsidium hat es jedenfalls nicht gegeben, wie uns ein Pressesprecher auf Rückfrage erklärt. Von Seiten des Klinikums heißt es:
Um jegliche potenzielle Gefährdung von Patienten ausschließen zu können, hat das interne Qualitäts-Management des Klinikums selbst vorsorglich OP-Siebe zurückgerufen und erneut aufbereitet.
Dadurch sei es zu einem kurzfristigen Engpass in der Versorgung gekommen, weswegen viele Operationen verschoben werden mussten. Mit den beanstandeten Instrumenten sei nicht gearbeitet worden:
Zu keinem Zeitpunkt hat es eine Gefährdung von Patienten gegeben.
Das Regierungspräsidium bestätigt diese Darstellung. Trotz des aktuellen Vorfalls sehe man in Mannheim derzeit eine tendenziell positive Entwicklung, sagt Pressesprecher Fischer:
Baulich und strukturell hat es seit dem Herbst deutliche Verbesserungen gegeben, auch die Aufbereitung der Instrumente macht Fortschritte.
Bei Spiegel online wird das Uniklinikum dagegen zur „deutschen Pannen-Klinik Nummer eins“ und Herr Knaup prognostiziert:
Mit seiner gegenwärtigen Führung, Kultur und Struktur wird der Medizin-Koloss zu einem Millionengrab für Mannheim und das Land Baden-Württemberg.
„Natürlich hat es nach den Vorfällen im Herbst weniger Operationen und dementsprechend Einnahmeeinbußen gegeben. Und natürlich hat das Image der Klinkik stark gelitten,“ sagt eine Pressesprecherin des Uniklinikums: „Aber der Betrieb ist nicht gefährdet. Es gab und gibt Defizite – aber wir arbeiten daran und befinden uns auf einem Weg der Besserung.“
Liebe Kollegen – was war da los?
Vor dem Erscheinen des Artikels bei Spiegel online, so heißt es in einer Erklärung des Uniklinikums, habe der Autor weder der Stadt Mannheim noch dem Universitätsklinikum eine Möglichkeit zur Positionierung gegeben. Da stellt sich die Frage: Wer hat hier wirklich unsauber gearbeitet?
Ist das der Anspruch, den Spiegel online neuerdings an sich selbst stellt? Diffamierende und rufschädigende Behauptungen ohne Gegenrecheche und Quellenangabe als Tatsache zu verkaufen und dem Beschuldigten keine Möglichkeit zur Gegendarstellung lassen? Das klingt eher nach dem Springer-Verlag. Qualitätsjournalismus sieht jedenfalls anders aus.
Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Peter Kurz wird in diesem Zusammenhang kritisiert und als Personalie in Frage gestellt. Ein Neuanfang mit Herrn Dr. Kurz als Vorsitzendem sei wohl nicht möglich, heißt es im Artikel. Am 14. Juni steht die Oberbürgermeisterwahl an – sollte der dramatisierte Bericht den Kandidaten beschädigen?
Gefallen Ihnen unsere Artikel?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und wir freuen uns über Ihre finanzielle Unterstützung als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für informativen, hintergründigen Journalismus. Hier geht es zum Förderkreis.