Mannheim/Rhein-Neckar, 28. Oktober 2015. (red/pro) Der Landtagskandidat Chris Rihm hat die bislang spannendste Veranstaltung zum Thema Flüchtlinge in Mannheim organisiert, sich selbst aber zurückgehalten. Zweieinhalb Stunden voller verschiedener Eindrücke konnte man in Käfertal erleben – die Bürger sind komplett unentschieden zwischen Zustimmung und Ablehnung – aber beide Pole erhalten Applaus. Ein Bericht zur Lage im am meisten belasteten Stadtteil von Mannheim.
Von Hardy Prothmann
Ich habe längst den Überblick verloren, wie viele Veranstaltungen ich zum Thema „Flüchtlinge“ in den vergangenen zwei Jahren bereits besucht habe. 50, 80, 120? Es gibt Tage, da kann man gleich unter einem Dutzend Terminen wählen.
Die Veranstaltung der CDU Käfertal am 27. Oktober war die bislang spannendste von allen. Der Raum im Gemeindetreff der Katholischen Gemeinde- und DJK Sportzentrum St. Laurentius ist knackevoll. 180 Bürger sind gekommen.
Eingeladen hatten zudem die CDU Mannheim und die christlich-demokratische Arbeitnehmerschaft der CDU-Sozialausschüsse CDA – unterm Strich hat Chris Rihm, Landtagskandidat der CDU im Mannheimer Norden, den Termin eingefädelt.
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Doch abzüglich der Podiumsteilnehmer und einiger bekannter CDU-Politiker im Publikum wie der CDU-Stadträtin Rebekka Schmitt-Illert, dem CDU-Fraktionsgeschäftsführer Mathias Sandel und dem CDU-Altgranden Roland Hartung und ein paar jungen CDU-Mitgliedern waren hier überwiegend 160 Bürger zusammengekommen, um sich zu informieren.
Naja, nicht ganz. Ein paar wollten auch Dampf ablassen. Stimmung machen. Und das teils heftig.
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Der Mannheimer CDU-Chef Nikolas Löbel (rechts) ist in Käfertal gefordert – oft schwankt die Stimmung. Manchmal muss er hart „durchregieren“, meist reicht eine direkte Ansprache. Er zeigt eine überzeugende Moderationsleistung.
Beispielsweise mit Nikolas Löbel, dem Vorsitzenden der CDU Mannheim. Der junge Mann musste sich beim RNB schon „Chaotisator“ nennen lassen und hat nicht unbedingt besonders viel “erfreuliche” Kritik abbekommen. An diesem Abend aber überzeugt er durch eine sehr souveräne Moderation. Ihm gelingt es, die Bürger in hohem Maß einzubinden – auch die, die eher “problematisch” auffallen. Er macht das teils streng, bietet aber immer den Dialog an. Und er verzichtet auf eigene “Einordnungen” der CDU – ihm gelingt es, “es laufen zu lassen”.
Da ist diese durchtätowierte Frau – walkürenhaft in der Erscheinung. Sie sagt:
Die kommen immer im Rudel, haben mich schon bespuckt und mir an die Brust gefasst, mich als Nazi-Schwein beschimpft. Schlimm, dass es so weit gekommen ist.
Sie bekommt Applaus, nicht wenig und legt nach:
Ich trau mich nicht mehr raus. Das ist ein Spießrutenlauf. Sie lügen.

„Die kommen im Rudel“ – eine Bürgerin beschwert sich massiv über Flüchtlinge.
Angesprochen ist der Leitende Kriminaldirektor Gerhard Regele, Chef des Lagezentrums. Der hatte zuvor die Lage geschildert – in der vergangenen Woche rund 800 Straftaten, davon 36 durch Asylbewerber, nur 4 Prozent. Bereinigt um die Straftaten gegen das Asylverfahrensgesetz unter 30, meist einfache Diebstahlsdelikte, Körperverletzung in den Langern, zwei Mal Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, ein Raub und sagte:
Ich kann nachvollziehen, dass man subjektiv Sorgen hat, aber die Realität rechtfertigt diese Angst nicht.
Nachdem er nicht nur durch die durchtätowierte Frau, sondern auch durch andere angegangen worden ist:
Wenn Sie mir Lügen vorwerfen, nehme ich das persönlich.
Zuvor wirkte der Polizist freundlich, jetzt eher angestrengt. Nikolas Löbel moderiert das souverän:
Wir haben Ihre Meinung gehört und die Antwort von Herrn Regele darauf.

Informierte offen und reagierte irgendwann „angefressen“ – Kriminaldirektor Regele.
Herr Regele sagt noch viel mehr, etwa „die Polizei geht auf dem Zahnfleisch“. Und konkret: „50 Polizeibeamte fehlen“. Bislang könne das nur durch „Überstunden“ abgegolten werden – doch Beamte dürfen die eigentlich nicht machen, es gäbe erste „finanzielle Anreize“, das sei aber zu wenig.
Und er schildert den Tag: Um 11:02 Uhr Einsatz auf Patrick Henry Village wegen eines Streits. 7 Streifen. 15:04 Uhr Einsatz auf Spinelli, 50 Beteiligte, Körperverletzung, 10 Streifen. 21:06 Uhr Walldorf, Schlägerei, 6 Streifen. Dazu jeden Abend rund 700 Personen am Hauptbahnhof Mannheim, die hier am Drehkreuz weiterverteilt werden.
Der nächste Bürger meint:
Wenn ich das so höre, dann hat man alles im Griff – mir sind diese Nachrichten zu schön, am Ende zahlen wir und nicht die Gutmenschen. Ihr lügt doch alle.
Dafür gibt es keinen kleinen Applaus.
Herr Regele gibt sich tapfer, schluckt das weg. Dann kommt die nächste Attacke, nicht gegen die Podiumsteilnehmer, sondern gegen die „Flüchtlinge“.
Warum lassen diese Männer Frauen und Kinder zurück, statt sich zu bewaffnen und ihr Land zu verteidigen?
Eine Teilnehmerin kontert:
Wenn hier Krieg wäre, würde ich meinen 23-jährigen Sohn fortschicken, damit er überlebt.
Die nächste Rednerin meint:
Es werden immer mehr werden, 3-5 Mal mehr. Warum gibt es keine Volksabstimmung? Wir sind das Volk! Warum wird es Deutschen so schwer gemacht Kinder zu bekommen?
Dann folgt die Frage:
In Käfertal ballt sich alles. Wer entscheidet das?
Carsten Südmersen, CDU-Fraktionssprecher ergreift das Wort:
Wenn das nochmal zunimmt, bin ich gespannt, wie wir das halten können. Wenn die Maßnahmen nicht greifen, bekommen wir ein großes Problem.

Voller geht nicht – die CDU-Veranstaltung hatte enormen Zudrang.
Die „Maßnahmen“ ist die Verschärfung des Asylgesetzes. Herr Südmersen sagt, er vertraue der Polizei – in seiner Partei gibt es durchaus andere Positionen. Er beschuldigt das Land:
Wir hier in Mannheim, in Heidelberg und Karlsruhe haben große Militärflächen und das Land meinte – wir stopfen das einfach voll.
Es kommen drei Syrer zur Aussprache – sie erklären sich, woher sie kommen und warum sie geflohen sind. Alle sprechen ein gutes Englisch- zwei Personen übersetzen. Sie sind vor dem Krieg geflohen. Sie wünschen sich eine Zukunft. Und einer erklärt auf die Frage, warum er sein Land nicht verteidigt:
Es gibt so viele Parteien, die gegeneinander kämpfen und niemand weiß, für was oder wen er kämpft. Ich weiß, dass ich nicht bereit bin, Zivilpersonen zu ermorden. Aber das würde passieren, wenn ich dort kämpfen würde.
Applaus. Ein weiterer Bürger meint:
Diese drei Herren sind doch nicht repräsentativ.
Applaus. Eine Bürgerin sagt:
Vor dem Penny habe ich früher keine Security gesehen.
Applaus. Die nächste Bürgerin sagt:
Auf der Ladenburger Straße hört man Nacht für Nacht die Sirenen der Polizei.
Applaus.

Einer von drei syrischen Flüchtlingen erzählt von sich und beantwortet Fragen – manche meinen, dass so nette Flüchtlinge willkommen sind – aber die anderen?
An diesem Abend ist auch Gottfried Bleul anwesend – er gibt als städtischer Abteilungsleiter für Flüchtlinge Informationen zur realen und geplanten Belegung der Standorte. Über 5.000 Menschen im Columbus-Quartier, 2.000 auf Funari, 2.000 auf Sullivan, 2.000 auf Spinelli, 1.000 auf Hammonds. Er zitiert den Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD), der betont, das mit dem Land eine Höchstgrenze von 12.000 Personen verhandelt worden sei – auf den Kasernenflächen. Tatsächlich kommen noch 500 „kommunale“ Flüchtlinge dazu und 750 in der LEA Pyramidenstraße.

Gottfried Bleul ist Abteilungsleiter für Flüchtlinge bei der Stadt Mannheim – er präsentierte aktuelle Zahlen.
Herr Regele meint, es seien an diesem Abend genau 11.472 Personen – das bezweifeln alle im Raum. Denn jeder merkt – Zahlen sind „volatil“.
Sehr spät kommt auch Chris Rihm zur Wort:
Wir wissen alle, dass die Belastung hoch ist. Wir müssen Angebote machen, Strukturen schaffen, gemeinsam anpacken. Sonst geht das nicht.
Applaus.

Chris Rihm hatte die Veranstaltung initiiert – er hält sich zurück an diesem Abend. Die Bürger sollen sprechen.
Es gibt an diesem Abend weitere „Wortmeldungen“ über „dunkel-pigmentierte“ Menschen, die Herr Löbel wegsteckt. Heute ist keine Zeit für Oberlehrer, sondern für „freie Aussprache“. Das macht er gut – er lächelt freundlich, aber nicht bestätigend und leitet zum nächsten Bürger über. Statements sammeln.
Viele der Wortbeiträge können nicht gefallen, aber es ist richtig, sie auszuhalten und vor allem, sie zu beantworten.
Kriminaldirektor Regele hat das getan, der städtische Vertreter Herr Bleul hat das getan, die beiden Landtagskandidaten Rihm und Südmersen haben es getan, die anwesenden Bürger/innen haben es getan.

Nikolas Löbel war als „Moderator“ gefordert und musste teils „deutlich“ werden – insgesamt hat er die Veranstaltung sehr gut geleitet.
Jeder, der diesen Abend miterlebt hat, weiß, dass die Stimmung bei den meisten Menschen (noch) nicht gekippt ist – sie wogt aber hin und her. Zwischen Fremdenfreundlichkeit und gutem Willen bei den Menschen, die helfen wollen und Fremdenfeindlichkeit ohne guten Willen, die durchsichtige Argumentationsmuster hat wie „Rudel“ oder „Feigheit vor dem Feind“.
Käfertal ist ein „Brennpunkt“ – denn hier massiert sich die „Aufnahme“ wie kaum sonstwo. 9.000 Menschen auf einem Fleck – bei 25.000 Einwohnern im Stadtteil. Plus 2.000 Menschen auf Spinelli um die Ecke zwischen Käfertal und Feudenheim.
Unter der Hand geht man bereits von 20.000 und mehr Menschen aus.
Die CDU-Veranstaltung dauert zweieinhalb Stunden und ist extrem spannend, weil die Teilnehmer für die Flüchtlingsaufnahme klatschen und auch gegen eine Überforderung.
Es gibt keine Floskeln, keine Routine, sondern eine spannende Runde mit wechselnden Stimmungen – Herr Löbel hat die Runde gut im Griff gehabt. Das hätte ich ihm bislang nicht zugetraut – aber das hat er richtig gut gemacht.