Mannheim, 04. Juli 2015. (red/pm) Am morgigen Sonntag ist Oberbürgermeister-Wahl in Mannheim. Pünktlich zum Wahltermin veröffentlicht Spiegel Online einen Text „Uniklinik räumt höhere Infektionszahlen ein“ und bringt die „Hygiene-Affäre“ klar in Stellung gegen den Amtsinhaber und Kandidaten Dr. Peter Kurz, der Aufsichtsratsvorsitzender der Klinik ist. Die wiederum reagiert umgehend mit „Richtigstellungen“ und dem Vorwurf gegenüber Spiegel Online, „vorsätzlich Falschmeldungen“ zu verbreiten.
Hier finden Sie den Artikel auf Spiegel Online.
Wir dokumentieren die Reaktion des Universitätsklinikums auf die Berichterstattung. Im Lauf des späten Nachmittags/früher Abend, lesen Sie hier auf dem Rheinneckarblog.de unsere Recherche. Soviel vorab: Es wird spannend werden, da der Vorwurf der Klinik gegenüber Spiegel Online Substanz hat. In einer früheren Recherche haben wir bereits nachgewiesen, dass die „investigativen Berichte“ großer Leitmedien mangelhaft sind. Lesen Sie dazu unseren Artikel: Hygieneskandal: Wie aus anonymen Hinweisen “harte Fakten” werden.
Presseinformation des Universitätsklinikum Mannheim über den Sprecher Dirk Schuhmann:
„Sehr geehrte Redakteurinnen, sehr geehrte Redakteure,
die Universitätsmedizin Mannheim (UMM) ist noch immer im Visier einiger weniger „investigativer“ Journalisten. Gerade aktuell haben WAZ und SPIEGEL online ihre neuesten Beiträge veröffentlicht.
Wie falsch und unglaubwürdig die anhaltende Negativberichterstattung zweier überregional tätiger Redakteure ist, lässt sich anhand einiger weniger Fakten gut darstellen.
Im aktuellen Artikel in SPIEGEL online heißt es zum Beispiel, dass „die beiden Geschäftsführer des Hauses erneut bestritten haben, dass es postoperative Infektionen gegeben habe“. Jede und Jeder von Ihnen, der oder die mit Professor Wenz oder Dr. Blattmann gesprochen hat, weiß, dass beide Geschäftsführer immer gesagt haben, dass es in der UMM – wie in allen anderen Krankenhäusern weltweit – selbstverständlich Wundinfektionen gegeben hat, dass diese aber im normalen Bereich lagen und liegen. Die entsprechenden Statistiken dazu werden in den Qualitätsberichten veröffentlicht, zum Beispiel auf der Webseite des Klinikums unter http://intra4x.umm.de/1847/.
Die aktuelle Berichterstattung zieht dennoch erneut die vom Klinikum genannte – unauffällige – Zahl der Wundinfektionen in Zweifel. Dabei wird mit atemberaubenden Prozentzahlen von bis zu 20 Prozent gearbeitet – die absolute Zahl beträgt in dem zitierten Fall exakt vier.
Weitere beispielhafte Belege für die fehlerhaften bzw. verfälschenden Artikel
1. Auslöser für die Negativberichterstattung war unter anderem Anfang 2014 ein Eintrag in einer internen Plattform des Klinikums für Beschwerden, dass sich „in einem sterilen OP-Sieb eine tote Fliege“ befunden habe. Die Geschäftsführung des Klinikums ist dieser Meldung sofort nachgegangen und hat sie geprüft. Diese Behauptung wurde nie bestätigt und auch von den Behörden nie weiter untersucht. Dennoch schafft es diese Fliege ohne jeden Beleg bis in die Überschrift von SPIEGEL ONLINE.
2. „Verdreckte Skalpelle“ werden immer wieder stellvertretend für die angeblich mangelnde Hygiene am Klinikum herausgestellt. Die “eingeschweißten Skalpelle, an denen noch Gewebereste von der letzten OP kleben”, sind eine reine Fata Morgana. Fakt ist, dass die UMM seit mehr als zehn Jahren Einwegskalpelle benutzt. Weitere Erläuterungen erübrigen sich.
3. Die Behauptung, durch Hygienemängel beim OP-Besteck seien in den vergangenen sieben Jahren im Klinikum „bis zu 350.000 Patienten geschädigt worden“, war einer der „Höhepunkte“ in der schlechten Recherche der so genannten investigativen Redakteure. Bei rund 20.000 Operationen pro Jahr können selbst bei den kühnsten Hochrechnungen nicht 350.000 Patienten in sieben Jahren auch nur potenziell geschädigt werden.
Fakt ist – und das ist schwerwiegend genug und wird von keinem der Verantwortlichen heruntergespielt: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sechs Personen wegen Verstoß gegen das Medizinproduktegesetz. Ein solches Delikt kann mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Aber: Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht wegen „fahrlässiger Körperverletzung“ oder noch schlimmerer Vergehen – wie manche Medien implizieren.
Vorsätzliche Falschmeldungen
Nach der Begehung des Regierungspräsidiums am 27. Mai, bei der es formale Beanstandungen gegeben hatte, bestätigt die Behörde auf Anfrage, dass am 27. Mai weder Haare noch Flusen am OP-Besteck oder undichte Verpackungen festgestellt worden waren. Dennoch berichten SPIEGEL Online und Zeit Online Anfang Juni, dass wieder Haare und Flusen am OP-Besteck gefunden worden seien.
Trotz dieser eindeutigen Auskunft des Regierungspräsidiums bezichtigt ein Redakteur noch vier Tage später die UMM der Lüge. Er schrieb: „Sichtbarer Schmutz sei diesmal auch nicht aufgetaucht in den Bestecken, ‚weder Haare noch Flusen’, behauptet die Klinik auf Anfrage. Dass das nicht stimmt, wissen mindestens drei Dutzend Angestellte aus der Uniklinik, der Medizinischen Fakultät und dem Orgamed-Team.“ – Fairness und Wahrheit in der Berichterstattung sehen anders aus!
Entlarvende Fragen
Die tendenziösen Ansinnen der Redakteure werden auch durch die in den vergangenen Tagen an die Stadt und an das Klinikum gerichteten Fragen deutlich.
So wird beispielsweise in vier Jahre alten (internen) Aufsichtsratsunterlagen bewusst nach kleinsten Details geforscht und gefragt. Es werden im Bericht der Jahresabschlussprüfer einer Klinik mit einem Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro die Kosten für die Überprüfung einzelner Geräte gesucht – deren Fehlen dem Aufsichtsrat hätte auffallen sollen. Oder es wird der Oberbürgermeister von Mannheim gefragt, warum er sich denn vor Jahren auch einmal in Heidelberg habe behandeln lassen. Und es wird auch nach weiteren persönlichen Patientendaten sowie dem Gesundheitszustand einzelner Patienten gefragt – was natürlich schlicht unzulässig ist.
UMM nicht zum Spielball machen
Das Klinikum hat es nicht verdient, zum Spielball zu werden. Die 4.500 Mitarbeiter des Klinikums und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg wollen gute Arbeit und einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit der Bevölkerung leisten. Sie wollen forschen und lehren, um die Medizin weiter voran zu bringen.
Daher die Bitte der Klinikleitung und der Mitarbeiter der Universitätsmedizin Mannheim: Fragen Sie nach, was Sie interessiert. Die Geschäftsführung versucht, alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.
Vielen Dank und beste Grüße
Dirk Schuhmann“