Rhein-Neckar, 18. Februar 2017. (red/pro) Von Donnerstag auf Freitag haben wir auf Facebook einen mittleren „Shitstorm“ erlebt. Wir haben rund 30 Personen für Kommentare auf unserer Facebook-Seite blockiert. Insgesamt haben wir rund 50 „Gefällt-mir“-Angaben verloren. Wir haben emails erhalten, in denen auf uns „gespuckt“ wurde. Wir haben sehr viele „schäm dich“-Aufforderungen erhalten, ein paar Kommentatoren wurden so bedrohlich, dass wir Strafanzeigen abgewogen haben. Ganz offensichtlich ist, dass es wieder einmal ein paar deutliche Ansagen braucht, vor denen wir uns wie gewohnt nicht scheuen.
Von Hardy Prothmann
Was guter oder schlechter Journalismus ist – darüber gehen die Meinungen auseinander. Wie bei der Kunst, beim Sport oder in der Politik. Das geht auch vollkommen in Ordnung. Was nicht in Ordnung geht, ist, wenn es pauschal und sogar aggressiv und beleidigend wird.
Was erwarten Sie von Journalismus?
Was erwarten sich die Menschen von Journalismus? Eine Bestätigung der eigenen Meinung? Und alles, was der nicht entspricht, ist schlechter Journalismus?
Wie wäre es, anhand von anderen Meinungen mal die eigene zu überprüfen? Weiß man die grundlegenden Fakten? Hat man die Zusammenhänge verstanden? Wie steht man zu einer Sache, wenn man mal die gewohnte Perspektive verlässt und eine andere einnimmt? Was verändert sich dann?
Journalismus kostet Geld – das nehmen wir überwiegend durch Einnahmen über unsere Werbekunden ein und durch Förderbeiträge unserer Leser/innen. In linksradikalen Kreisen wird uns vorgeworfen, dass wir AfD-Werbung geschaltet haben. Deswegen sind wir in deren Augen auch AfD. Nur blöd, dass ein ehemaliger grüner Stadtrat für uns schreibt, der überwiegende Teil unserer Mannschaft unter 30 Jahre alt und eher linksliberal orientiert ist. Unser letzter Volontär ist zur linken Redaktion von Kontext-Wochenzeitung gewechselt, um dort weitere Erfahrungen zu sammeln.
Die betreffende Werbeeinnahmen durch die AfD im Landtagswahlkampf 2016 machen nicht mal vier Prozent unserer Umsätze aus, sollen aber für 100 Prozent Gesinnung stehen? Das sind Fakten – die interessieren nur ideologisch „gefestigte“ Radikale nicht. Auch nicht, dass auch andere Parteien bei uns für ihre Veranstaltungen werben. Und schon gar nicht, dass wir gegenüber allen Parteien kritisch berichten – egal, ob sie Werbung schalten oder nicht.
Vom Mitleid zum Shitstorm
Der aktuelle Shitstorm auf Facebook wurde durch einen Artikel ausgelöst, in dem wir die Boulevardisierung der Medien kritisieren, die einen verschwundenen Pinguin zum Top-Thema machten. Im Artikel steht klipp und klar, dass der Tod des Tieres natürlich Mitleid erregt – wir stellen aber auch die Frage, ob es nicht bedeutendere Themen gibt.
Wenn selbst TV-Medien aus den USA sich für das Thema interessieren, muss es doch bedeutend sein? Oder nicht? Ist das nicht der schlagende Beweis? Nationale und weltweite Berichterstattung – und da kommt das Rheinneckarblog daher und meint, das kritisieren zu müssen? Haben die noch alle beisammen? Und haben Sie gelesen, was wir an Hasskommentaren auf Facebook-Seiten von Medien zusammengetragen haben – die selbst Gewaltaufrufe nicht löschen?
Wenn Sie so denken – dann wechseln Sie doch mal die Perspektive. Und lassen sich auf Fragen ein: Gibt es nicht bedeutendere Themen? Ist die Frage falsch? Wenn ja, warum? Oder ist sie doch richtig, wenn ja, warum?
Und beobachten Sie, was passiert: Dutzende von Facebook-Nutzern schreiben voller Hass massive Beleidigungen. Sie wünschen dem mutmaßlichen Täter sogar den Tod – und dass, obwohl man noch gar nicht richtig weiß, ob es einen Täter gibt und was genau passiert ist. Also die, die uns auch „Kaltherzigkeit“ vorwerfen, schäumen vor Wut und Aggression.
Reaktionen sind interessante Informationen
Genau das macht unserer Journalismus auch interessant – die Reaktionen der Menschen auf unsere Themen. Wenn angeblich mitleidige, einfühlsame Menschen plötzlich mit Schaum vorm Maul Tod und Verderben wünschen, dann sollte das nachdenklich machen, was bei diesen Menschen schief läuft. Was in der Gesellschaft schief läuft. Denn normal ist das nicht.
Unsere Zielgruppe sind Menschen, die sich für relevante Informationen, Analysen und Hintergründe interessieren. Dabei denken wir nicht an Eliten, obwohl wir hier sehr gut gelesen werden und sehr viel positive Rückmeldung erhalten. Wir denken an Menschen, die sich für gut recherchierte Informationen interessieren. Wir denken zuerst an Relevanz und dann an Reichweite.
Wer unser Angebot regelmäßig verfolgt, weiß, dass wir Themen oft früher setzen als andere Medien. Wir haben natürlich Artikel im Angebot, die man inhaltlich auch bei anderen Medien findet. Aber wir bieten sehr viel exklusives Material – und häufig überraschend anders aufbereitet als bei „Mainstream-Medien“.
Und wir überlegen nie, ob unsere Themen jemandem gefallen oder nicht. Journalismus hat die Aufgabe zu informieren – wir machen keine Show, die dem Publikum gefallen soll. Wenn uns Leute drohen, dass sie uns nicht mehr lesen, dass sie uns das „Gefällt mir“ bei Facebook entziehen, ist uns das nicht egal, aber es ändert nichts an unserer Arbeit. Wir prüfen sehr genau, ob die Kritik – sofern diese argumentativ geäußert wird – berechtigt ist. Auch wir machen Fehler und haben vielleicht etwas übersehen. Sollte das der Fall sein, korrigieren wir. Wenn nicht, dann nicht.
Abstrakte Bedrohungslage
Wir wissen, dass der Verfassungsschutz unser Angebot auswertet, weil wir immer wieder hintergründig zu radikalen politischen Gruppen aller Couleur berichten. Und wir haben aktuell über den Staatsschutz erfahren, dass es eine „abstrakte Bedrohungslage“ durch linksradikale Gruppen gegen uns gibt. Sie haben das richtig gelesen: „Abstrakt“ müssen wir wegen unserer Arbeit mit Aktionen und Angriffen gegen uns rechnen. Denn insbesondere bei Radikalen hat der Hass längst den Verstand ersetzt. Was würden Sie übrigens machen, wenn Sie wüssten, dass eine „abstrakte Bedrohungslage“ gegen sie existiert? Denken Sie mal drüber nach, was das bedeutet.
Das Rheinneckarblog bietet in Zeiten, in denen immer mehr Journalismus abgebaut wird, Zeitungen massiv Auflage verlieren und sogar eingestellt werden, eine zusätzliche publizistische Stimme auf hohem Niveau. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was mit unserer Gesellschaft passiert, wenn es immer weniger unabhängige Medien gibt? Was das für die Demokratie bedeutet?
Das können wir Ihnen sagen: Eine funktionierende Demokratie ist ohne freie, unabhängige Medien nicht überlebensfähig. Ebensowenig, wenn alle nur einer Meinung sind. Und ebensowenig, wenn andere Meinungen mit Hass und Gewalt unterdrückt werden.
Zensur? Muss sein
Wenn wir, wie aktuell, Facebook-Nutzer blockieren, wird uns Zensur vorgeworfen. Ja, wir zensieren. Wir sind dazu sogar rechtlich verpflichtet. Wir haben strikte Regeln und lassen keine Beleidigungen zu. Keine Massenkommentare und keine Falschbehauptungen. Mit Meinungen, die wir nicht teilen, haben wir keine Probleme. Aber Beleidigungen sind keine Meinung. Vorwürfe ohne Belege ebenfalls nicht. Dafür betreiben wir einen hohen Aufwand, der von unserer Zeit abgeht, uns mit Inhalten zu beschäftigen. Deswegen diskutieren wir auch nicht mehr. Es gibt einen Hinweis auf unsere Netiquette, wer denkt, er müsse provozieren, wird blockiert. Unsere Seite, unser Hausrecht.
Menschen, die sich entscheiden, unsere Informationen nicht zu nutzen, entscheiden sich halt so. Na und? Sie lassen für sich die Möglichkeit aus, sich aus einer weiteren Quelle zu informieren. Ob das einer umfassenden Meinungsfindung dient, bezweifeln wir. Aber wir können und wollen niemanden zwingen, sich zu informieren und sich selbst kritisch mit Themen auseinanderzusetzen.
Das bedeutet aber auch, dass solche Menschen sich häufig nur noch auf ihre „Filterblasen“ stützen – alles andere wird als falsch betrachtet. Übrig bleibt eine ideologisierte Wahrheit und ein Stillstand im Denken. Statt einer intellektuellen Auseinandersetzung wird hier wie da der Hass auf andere gepflegt und genährt. Die Sprache radikalisiert sich. Das ruft radikale Reaktionen hervor – eine fatale Spirale, die enorme gesellschaftliche Schäden verursacht. Denn die Lager triften auseinander und verbarrikadieren sich hinter ihren „Wahrheiten“. Alles andere sind dann Gegner und Lügner.
Ohne Moos nix los
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und unsere kontinuierlich wachsende Zahl von Leser/innen zeigt, dass wir ein Angebot machen, das sicher nicht immer gefällt, aber das einen hohen Nutzwert für die Menschen hat. Darauf konzentrieren wir uns – die mit den Hasskappen sind uns nicht egal, sondern machen Sorge. Wir konzentrieren uns aber auf die Menschen, die mit Inhalten und Argumenten, mit Zielen und Plänen Gesellschaft mit gestalten wollen. Dafür stellen wir unsere Dienstleistung zur Verfügung.
Und dafür benötigen wir Geld – durch Werbeeinnahmen und durch Förderer. Wir prüfen alle Anzeigen und lassen uns von niemandem diktieren, welche genehm sind oder nicht. Stellen Sie sich mal vor, was wäre, wenn wir uns beeindrucken ließen? Überall lassen sich irgendwelche Gruppen finden, die gegen Anzeigen irgendeines Kunden etwas haben. Im Ergebnis müssten wir vermutlich alle Anzeigen stornieren. Gleichzeitig gibt man nur Geld für Inhalte, die der eigenen Meinung entsprechen. Ein Artikel, der nicht gefällt? Sofortiger Geldentzug. Am Ende fehlen alle Einnahmen. Wie soll man dann noch journalistische Arbeit finanzieren? Das wäre unmöglich.
Genau darum geht es Gesinnungsterroristen, die durch konstruierte Vorwürfe zerstören wollen. Ohne Namen zu nennen, die sind hinlänglich bekannt, handelt es sich um Feinde der Gesellschaft und der Medien. Sie wenden sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, indem sie versuchen, unliebsame Informationen und Meinungen mit konstruierten Vorwürfen zu beschädigen oder besser gar zu vernichten. Angeblich treten sie gegen Hass und Gewalt ein – und lassen sich doch genau davon antreiben.
Der Pinguin und was man daraus lernen kann
In den meisten Fällen handelt es sich um Menschen, die sehr schlecht und sehr einseitig informiert sind – also genau um solche Menschen, vor denen wir warnen. Je schlechter und einseitiger die Gesellschaft informiert ist, umso aggressiver und hasserfüllter wird sie. Wer nichts versteht, erkennt überwiegend Bedrohungen und geht zum Kampf über, statt den Diskurs zu versuchen.
Zurück zum Pinguin – das arme Vieh ist tot. Wie es dazu kam, ist noch überwiegend unklar. Aber sein Schicksal steht nicht für eine mehr und mehr verrohende und „kranke“ Gesellschaft. Und selbst wenn es organisierte Diebe von exotischen Tieren geben sollte (wozu wir noch nirgend stichhaltige Informationen gefunden haben), bedrohen die auch nicht unsere Gesellschaft, sondern sind Kriminelle, die früher oder später von der Polizei gefasst werden.
Der Angriff der angeblichen Tierrechtsorganisation „Peta“ auf den Luisenpark ist Unsinn – Peta ist eine ideologische Lobby-Organisation, die mit geschicktem Marketingappell ans Mitleid der Menschen ordentlich Geld scheffelt. Humboldt-Pinguine sind bedroht, aber im Luisenpark sicherer als in freier Wildbahn.
Es gibt auch keinen Mord an dem Pinguin. Womöglich wurde er getötet. Mord gibt es nur von Menschen an Menschen. Und nicht jede Tötung eines Menschen ist automatisch ein Mord. Und ein Tier bleibt ein Tier – wer versucht Tiere zu „Menschen“ zu machen, tut dem jeweiligen Tier meist nichts Gutes.
Die Natur ist bestimmt von fressen und gefressen werden. Es gibt im Tierreich Pflanzenfresser, Fleischfresser und Allesfresser – natürlich bestimmt und nicht aus irgendeiner Ideologie heraus. Wir Menschen können das für uns entscheiden, wenn wir die Wahl haben – Debatten darum sind überwiegend nur in Wohlstandsgesellschaften zu finden, die längst über den Überlebenskampf hinaus gewachsen sind. Denken Sie auch darüber nach.
Lesen – von der Überlebens- zur Kulturtechnik
Wenn Sie bis hier gelesen haben – haben Sie schon mal über das Wort „lesen“ nachgedacht? Sie verbinden damit eine Kulturtechnik, Zeichen so zu interpretieren, dass sie einen Sinn ergeben? Das ist grundsätzlich richtig, aber nur die Weiterentwicklung der ursprünglichen Bedeutung von „lesen“, lateinisch legere (suchen, sammeln).
Als die Menschen noch keine selbsterzeugten Zeichen gelesen haben, waren sie mit der „Lese“ von Nahrung beschäftigt – Würmer, Schnecken, Beeren, alles, was Nahrung war. Und sie konzentrierten sich aufs Spuren lesen: Die Spur eines Rehs wurde als etwas Essbares gedeutet, die Spur eines Bären signalisierte, dass man aus dessen Sicht etwas Essbares ist.
Aus der frühen Überlebenstechnik des Lesens, um stoffliche Nahrung zu finden oder Gefahren aus dem Weg zu gehen, wurde eine Kulturtechnik des Lesens, um geistige Nahrung zu erhalten. Das bietet Journalismus – und manchmal schmeckt der, manchmal nicht. Er weist darauf hin, was genießbar ist und warnt vor Gefahren. Also eigentlich ist Journalismus so etwas wie eine Anleitung zum Überleben.
Wir geben uns viel Mühe mit unserem Journalismus – den wir für guten Journalismus halten. Ehrlich, transparent und meinungsfreudig. Mit überprüfbaren Fakten und klaren handwerklichen Regeln. Und vor allem einer unabhängigen Haltung.
Schönes Wochenende
Ihr
Schätzen Sie diese Art von Artikeln? Die Transparenz? Die Analyse? Die Haltung?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und unterstützen Sie uns als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für unabhängigen, informativen, hintergründigen Journalismus. Der kostet Geld und ist ohne Geld nicht zu leisten. Wir arbeiten professionell mit hohen Standards, aber wir sind kein „Mainstream“ – sondern ehrlich, kritisch, transparent und meinungsfreudig. Hier geht es zum Förderkreis.“ Sie können auch per Paypal spenden.
Teile unseres Angebots sind gebührenpflichtig: Wenn Sie uns mit mindestens 60 Euro Jahresbeitrag (gerne mehr) unterstützen, können Sie einen Förderpass erhalten, mit dem Sie auf alle kostenpflichtigen Artikel zugreifen können. Wie das geht, steht hier.
Das Angebot für den „Förderpass“ gilt nur für private Nutzer. Gewerbliche Nutzer können einen Mediapass für 10 Euro monatlich für einen pauschalen Zugriff erwerben. Dieser ist monatlich kündbar.
Wenn Sie eine Überweisung tätigen wollen, nutzen Sie bitte auch das Förderkreis-Formular (erleichtert uns die Verwaltung). Dort können Sie einen Haken setzen, dass Sie nur überweisen wollen. Alle Förderer und Spender erhalten eine Rechnung. Sie können auch per Paypal spenden.
Den größten Teil unserer Einnahmen erzielen wir über Werbung, seit Ende September machen wir einzelne Artikel kostenpflichtig über den Dienstleister Selectyco für kleine Cent-Beträge. Insgesamt ist die Finanzierung unserer Arbeit immer noch heikel und Sie tragen durch den Kauf von Artikeln, Förderkreisbeiträge und Spenden dazu bei, unser Angebot zu ermöglichen. Danke dafür!