
Gerhard Schick. Bundestagsabgeordneter und finanzpolitischer Sprecher der grünen Fraktion (links) und Matthias Meder (rechts) wollten über die Zuwanderung aus Südosteuropa informieren.
Mannheim/Rhein-Neckar, 17. Dezember 2012. (red/ae/ld) Es zieht immer mehr Südosteuropäer nach Mannheim. Jeden Monat kommen rund 200 Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien in die Stadt. Hier hausen sie zum Teil unter unzumutbaren Wohn- oder Arbeitsverhältnissen im Jungbusch oder der Neckarstadt. Bei einem Rundgang durch die Neckarstadt-West am 07. Dezember wollten Bündnis 90/Die Grünen über die Situation der Einwanderer informieren. Am 18. Dezember wird sich auch der Gemeinderat damit beschäftigen.
Von Alina Eisenhardt und Lydia Dartsch
Mannheim ist eine Ankunftsstadt, also ein Ort, wohin Menschen bevorzugt zuwandern. Derzeit kommen besonders viele bulgarische und rumänische Einwanderer in die Stadt – meist ohne Sprachkenntnisse mit der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Die meisten kommen mit dem Ziel zu arbeiten und sich hier ein Leben aufzubauen.
so Eva Lübke, Bezirksbeirätin der Neckarstadt-Ost.
Die Hoffnung bleibt unerfüllt. Tatsächlich müssen sie sich Vorurteilen, Rassismus und Repression stellen. Es gäbe wenig Täter, aber viele Opfer, sagt Eva Lübke. Sie müssen Problemimmobilien zu überteuerten Preisen beziehen. Erst kürzlich räumte die Polizei zwei Kellerräume im Jungbusch wegen unzumutbarer Wohnverhältnisse. Die Lagerflächen im Keller waren als Schlafräume an Einwanderer aus Südosteuropa vermietet worden. Tageslicht und ausreichende Belüftung fehlten. Die Polizei fand offene Stromverteilerdosen und ungeschützte Elektroleitungen. Veraltete elektrische Heizgeräte hätten leicht einen Brand verursachen und die Keller in eine tödliche Falle verwandeln können.
Legale Arbeit gibt es so gut wie keine für die Zuwanderer. Bulgarische und rumänische Staatsbürger dürfen in Deutschland nicht als Arbeitnehmer arbeiten. Zwar sind beide Staaten seit 2007 Mitglieder der Europäischen Union und auch dem Schengen-Abkommen beigetreten und dürfen sich damit innerhalb der Staatengemeinschaft frei bewegen. Eine Arbeitserlaubnis bekommen sie aber frühestens ab 01. Januar 2014. Das geht aus den Übergangsbestimmungen der Europäischen Kommission hervor.

Viele Einwanderer drängt es in Schwarzarbeit und Prostitution.
Ungelernte Arbeiter mit wenig Deutschkenntnissen
Sie dürfen aber selbständig arbeiten. Da die meisten von ihnen kaum Deutsch sprechen, dürfte es schwierig sein, ein Gewerbe anzumelden und legale Arbeit zu finden. Für viele von ihnen heißt das, oft unwissentlich, illegale Schwarzarbeit. Frauen müssten sich prostituieren. Es gibt zwar Sprachkurse für die Erwachsenen, die in den Stadtteilen vor allem von freien Trägern durchgeführt werden. Einen allzu großen Zulauf kann man aber nicht feststellen. Die Teilnahme geht gegen Null:
Wir können sie nicht zwingen, die Kurse zu besuchen.
sagt Dirk Schuhmann, ein Sprecher der Stadt. Die Kinder erreichten solche Maßnahmen besser. In den Schulen würden Förderklassen angeboten, in denen die Kinder zusätzlich zum Schulunterricht, Deutsch lernen. Denn auch für die Kinder der Einwanderer herrscht Schulpflicht. Doch Sprachkurse griffen auch bei Kindern nicht immer. Viele von ihnen sind ein paar Wochen später schon mit ihren Eltern weitergezogen:
Wohin sie danach gehen, wissen wir nicht.

Ein Informations- und Außendienst soll den Zuwanderern künftig bei Behördengängen unterstützen. Über eine entsprechende Vorlage entscheidet der Gemeinderat am 18. Dezember.
Verhalten sorgt für Probleme und Unsicherheit
Rund 200 Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien kommen derzeit jeden Monat in die Stadt. Zum Vergleich: Vor dem Beitritt der beiden Länder im Jahr 2007 wurden 60 Zuwanderer im Jahr gezählt! Die Flut der „Neubürger“ und deren Verhalten sorgt für Probleme, sagt Dirk Schuhmann:
Sie fallen auf durch ihr lautes und teilweise respektloses Verhalten gegenüber anderen Mitbürgern. Das Leben spielt sich auf der Straße ab. Wir erleben vor Ort leider eine Vermüllung.
Das sorgt für Spannungen in der Bevölkerung. So ergab die Sicherheitsbefragung der Stadt in diesem Jahr, dass sich die Menschen im Jungbusch und in der Neckarstadt-West besonders unsicher fühlten, auch wenn keine signifikante Steigerung der Kriminalität in sozialen Brennpunkten wie dem Jungbusch oder der Neckarstadt West im Vergleich zu ganz Mannheim festzustellen ist. Im Jungbusch haben derzeit knapp 40 Prozent der Einwohner einen Migrationshintergrund, in der Neckarstadt West sind es rund 42 Prozent.
Diese Unsicherheit ist eine psychologische, die bereits erste Gewalttaten hervorbrachte. Im Frühjahr diesen Jahres wurden bei einer Schlägerei zwischen einem jugoslawischstämmigen Bewohner aus dem Jungbusch und fünf Bulgaren mehrere Personen schwer verletzt worden. Einer der Bulgaren fiel dabei ins Koma.
Gemeinderat stimmt über Maßnahmen in Höhe von 600.000 Euro ab
Die Polizei hat reagiert. Sie zeigt erhöhte Präsenz in sozialen Brennpunkten. Das soll Migranten und Bürgern zeigen: Wir haben ein Auge auf diese Stadtteile. Auch soll Mietwucher verhindert werden. Skandalös ist es, wenn ein Polizist selbst in Verdacht gerät, die Zuwanderer abzuzocken, wie im März 2012.

Viele Fragen bleiben bei dem Rundgang durch die Neckarstadt-West offen.
Viele Fragen bleiben bei der Führung ungeklärt. Bundestagsabgeordneter Gerhard Schick will zusammen mit betroffenen Städten kooperieren und das Thema auch auf Bundesebene setzen. Wie er sich die Kooperation vorstellt, bleibt unklar. Auch fragt man sich, wann sich Schick als finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion zum Migrationsexperten fortgebildet hat.
Am Dienstag befasst sich der Gemeinderat mit dem Problem. Vergangene Woche verabschiedete der Hauptausschuss eine Vorlage, nach der die Stadt im kommenden Haushaltsjahr einen außerplanmäßigen Integrationsfond in Höhe von 300.000 Euro einrichten soll. Des weiteren soll sich ein Informations- und Außendienst darum kümmern, Neuzuwanderer in Behördenangelegenheiten zu informieren und zu erfassen. Sie sollen auch ein Auge auf die Wohnsituation der Zuwanderer haben, „um mögliche Gefährdungslagen bau- feuerpolizeilich- oder infektionsschutzrechtlicher Art erkennen und diesen begegnen zu können.“ Für weitere 300.000 Euro sollen sechs Vollzeitstellen zu diesem Zweck eingerichtet werden.