Mannheim/Rhein-Neckar, 14. Januar. (red/pro) Am Montag, 15. Januar 2018, 9 Uhr, beginnt ein Prozess vor dem Landgericht Mannheim gegen einen Mann aus Mannheim, dessen Beruf Strafverteidiger ist. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, in mehreren Fällen erhebliche Mengen Kokain zum Eigengebrauch gekauft und besessen sowie in zwei Fällen Beihilfe zu illegalen Geschäften mit Betäubungsmitteln geleistet zu haben. Pikant: Sowohl eine Lokalzeitung wie auch die Staatsanwaltschaft Mannheim haben „offene Rechnungen“ mit dem Rechtsanwalt – ob es zu einer „fairen“ Berichterstattung kommt, darf bezweifelt werden.
Von Hardy Prothmann
Maximilian E. gilt als ein Top-Strafverteidiger. Der Prozess gegen den Mannheimer Rechtsanwalt ist außergewöhnlich, weil kein „üblicher Verdächtigter“ vor Gericht steht, sondern einer, der sonst selbst mit teils sehr harten Bandagen Straftäter verteidigt und nun selbst als mutmaßlicher Straftäter angeklagt ist.
Prozesse vor dem Prozess
Schon vor Prozessbeginn gab es Prozesse. Die Lokalzeitung Mannheimer Morgen hatte die Staatsanwaltschaft Mannheim auf Auskunft verklagt. Man wollte den Namen des damals noch Tatverdächtigen vor der offiziellen Anklage bestätigt bekommen, um eine „Offizialquelle“ zitieren zu können. Doch die Staatsanwaltschaft weigerte sich. Daraufhin reichte der Verlag Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe ein.
Zunächst wurde die Staatsanwaltschaft Mannheim „verurteilt“, Auskünfte zu erteilen. Dagegen legte die Behörde Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg ein. Auch die Lokalzeitung legte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ein. Der VGH wies sodann die Beschwerde der Zeitung zurück und änderte das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ab: In der Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und Persönlichkeitsrechten konnte die Staatsanwaltschaft konkrete Auskünfte zum Tatverdächtigen verweigern, da es sich erstens nicht um einen Fall schwerer Kriminalität handle und zweitens eine Namensnennung möglicherweise erhebliche negative Auswirkungen auf die Reputation des Tatverdächtigen haben könnte. Ob die Zeitung den Namen veröffentliche, liege allein in deren Verantwortung.
Gescheiterte Klage zum Nachteil der Pressefreiheit
Pikant ist also, dass die Zeitung ganz offensichtlich versuchte, den nun Angeklagten schon vor Prozessbeginn zu skandalisieren und dabei ein Urteil erstritten hat, das Auskünfte nicht nur durch die Staatsanwaltschaft Mannheim erheblich erschwert.
Denn künftig können sich Behörden auf dieses Urteil stützen und mit Hinweis auf Persönlichkeitsrechte Auskünfte erstmal verweigern – im Ergebnis erschwert das die grundsätzlich vorhandene Auskunftspflicht von Behörden gegenüber journalistischen Medien. Die Zeitung hat also dem Journalismus einen „Bärendienst“ durch diese gescheiterte Klage erwiesen.
Multiple Befangenheiten?
Ebenfalls pikant ist, dass der Strafverteidiger von der Staatsanwaltschaft nach unserer Einschätzung als Gegner betrachtet wird. Er ist bekannt dafür, dass er schlampige Ermittlungen vor Gericht akribisch zerpflückt und erreicht, dass Beweismittel nicht verwendet werden dürfen. Insbesondere bei einem Mordprozess der jüngeren Vergangenheit von sehr hohem öffentlichen Interesse zeigte er teils grobe Ermittlungsfehler auf. Der Täter wurde trotzdem zu lebenslanger Haft verurteilt, die Beweislage insgesamt gab das her. Trotzdem zeigte der Strafverteidiger erhebliche Mängel der Ermittlungsarbeit auf, womit er sich sicher keine Freunde bei den Behörden gemacht hatte.
Steht der angeklagte Rechtsanwalt bei solchen Gegnern also „auf verlorenem Posten“? Bislang hat er sich gegenüber keinem Medium offiziell geäußert. Nicht, weil er nichts zu sagen hätte, sondern weil er keinen Anlass zur Berichterstattung geben wollte. Sonst ist er ein sehr wortstarker Rechtsanwalt, der aktuell in eigener Sache geschwiegen hat. Das ist sein gutes Recht.
Mit dem Prozessbeginn am morgigen Montag wird die „Causa Strafverteidiger“ öffentlich verhandelt. Selbstverständlich berichten wir dazu. Über den Prozess, aber auch mit akribischem Blick auf die Staatsanwaltschaft Mannheim, die sich hüten muss, als befangen zu wirken, wie auch über andere Medien, die möglicherweise versuchen werden, den Fall über das angemessene Maß hinaus zu skandalisieren.
Es gilt wie immer die Unschuldsvermutung
Wie bei allen Prozessberichten gilt auch hier für uns erstmal die rechtsstaatlich garantierte Unschuldsvermutung „in dubio pro reo“. Wie vernichtend nämlich eine öffentliche, mediale Verurteilung sein kann, zeigte nicht zuletzt die „Causa Kachelmann“. Der Wettermoderator sah sich einer beispiellosen Kampagne ausgesetzt, die wie eine Hetzjagd wirkte. Am Ende wurde er freigesprochen. Zwar konnte Herr Kachelmann eine Vielzahl von Unterlassungsklagen und erhebliche Schadensersatzforderungen durchsetzen – der Schaden seines Rufes aber war immens. Und die Rolle der Staatsanwaltschaft Mannheim mehr als unrühmlich. Selbst nach dem Freispruch legte man dort nach – auch dagegen setzte sich Herr Kachelmann gerichtlich durch.
Dem Angeklagten E. wird vor dem Landgericht Mannheim ein ordentlicher Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft trägt die Anklage vor und das Gericht wird Zeugenaussagen und Beweismittel zu prüfen haben. Die Strafverteidiger des Strafverteidigers werden deren Zulässigkeit prüfen. Bis zu einem Urteilsspruch gilt jeder Angeklagte für uns zunächst als unschuldig, außer, die Beweislage ist so eindeutig, dass man sicher von einer Verurteilung ausgehen kann.
Klage richtet sich gegen den Privatmann, nicht den Rechtsanwalt
Wesentlich dabei ist: Der Angeklagte ist zwar Rechtsanwalt, doch er steht als Privatmann vor Gericht und nicht im Zusammenhang mit seiner anwaltlichen Tätigkeit. Ihm wird der Erwerb von Kokain in nicht unerheblicher Menge in 14 Fällen vorgeworfen sowie Beihilfe zu illegalen Rauschgiftgeschäften in zwei Fällen.
Ob eine Tat von hohem öffentlichen Interesse ist, kann nie pauschal beurteilt werden, sondern hängt von vielen Einzelheiten ab. Unter anderem der Schwere der Tat und unmittelbaren Folgen für die Öffentlichkeit.
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In diesem Fall sehen wir keine besonders schwere Straftat, ähnlich der Einschätzung, die auch der VGH bereits getroffen hat und ein nachteiliges Handeln vor allem für den Angeklagten selbst. Eine unmittelbare Folge für die Öffentlichkeit können wir nicht erkennen – es kamen keine Dritten zu Schaden.
Gleichwohl erkennen wir ein öffentliches Interesse vor allem durch das Verhalten einer Tageszeitung, die mit juristischen Mitteln behördliche Auskünfte erzwingen wollte und in erheblichem Umfang bereits vor Prozessbeginn „Stimmung“ gemacht hat. Ohne Zutun der betroffenen Person. Nichtsdestotrotz wurde damit in erheblichem Maß Öffentlichkeit hergestellt und man kann den Eindruck haben, dass hier eine „Abrechnung“ erfolgen soll. Das Verhältnis zwischen Tageszeitung und Angeklagtem ist nach unseren Informationen mit „frostig“ noch freundlich umschrieben. (Anm. d. Red.: Eine umfangreiche Darstellung der Prozesse und des Urteils gegen den Mannheimer Morgen finden Sie hier.)
Berufliche Karriere steht auf dem Spiel
Eine persönliche Dramatik kann der Fall entwickeln, sollte der Angeklagte zu mehr als einem Jahr Freiheitsentzug verurteilt werden – dann steht möglicherweise seine Zulassung als Rechtsanwalt auf dem Spiel, was das Aus für seine berufliche Karriere bedeuten könnte.
Eine öffentliche Dimension ergibt sich auch durch die Frage, wie Medien die Arbeit von Strafverteidigern werten. Oftmals wird Strafverteidigern ein großes Unverständnis, ja sogar Ablehnung entgegengebracht, versuchen sie doch Strafen für Kriminelle abzusenken oder diese sogar wieder auf freien Fuß zu bekommen, sollten die Ermittlungen nicht ausreichen, eine ordentliche Verurteilung zu ermöglichen.
Häufig entspricht eine solche Einordnung einerseits dem Antrieb zur boulevardesken Skandalisierung, um Aufmerksamkeit zu erzielen, kombiniert mit mangelhafter Kenntnis rechtsstaatlicher Prinzipien: Jeder hat in Deutschland das Recht, sich gegen Anklagen zu verteidigen. Strafverteidiger sind dazu da, dieses Recht einzufordern und auf einen korrekten Prozessverlauf zu achten, egal, welcher Tat jemand bezichtigt wird. Sollte jemand zu Unrecht oder auf Basis nicht eindeutiger Beweise verurteilt werden, hätte der Rechtsstaat versagt.
Das Landgericht wird die Beweise gegen den Angeklagten prüfen, aber ebenso würdigen, was entlastend für den Angeklagten spricht. Dazu gehören beispielsweise seine Einlassungen zur Sache und sein Verhalten, seit gegen ihn ermittelt wird. Bislang führte er nach unserer Kenntnis ein tadellosen Leben. Möglicherweise hat er dann einen schweren Fehler gemacht, der strafrechtliche Relevanz hat.
Sitzungspolizeiliche Anordnung erlassen
Dem Landgericht ist bewusst, dass der Prozess möglicherweise einen großen medialen Wirbel mit sich bringen wird. Die Vorsitzende Richterin Krenz hat deshalb im Vorfeld eine sitzungspolizeiliche Anordnung mit unmissverständlichen Regelungen erlassen, was Bild- und Tonaufnahmen und „Interviews“ im Gerichtssaal angeht.
Möglicherweise wird das Gericht auch eine Eingangskontrolle durchführen. Wer der öffentlichen Verhandlung beiwohnen will, sollte dies berücksichtigen.
Aktenzeichen: (4 KLs 806 Js 25303/16), Prozessauftakt: Montag, 15. Januar 2018, 09.00 Uhr, (Fortsetzungstermine: 16., 18. Januar und 05. Februar 2018, jeweils 09.00 Uhr)
Nachtrag: Der Mannheimer Morgen hatte nach dem VGH-Urteil die Prüfung einer möglichen Verfassungsbeschwerde angekündigt. Wir recherchieren nach, ob diese eingelegt worden ist. Am Sonntagabend berichtete die Zeitung online: „Kokainhandel – Mannheimer Anwalt angeklagt“. Die Überschrift ist eine Fake News. Dem Angeklagten wird kein Handel mit Kokain vorgeworfen.
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