Rhein-Neckar/Strasbourg, 11. Dezember 2018. (red/pro) In der französischen Stadt Strasbourg im Elsass soll am Abend gegen 20 Uhr ein Mann Schüsse abgegeben haben. Es soll mehrere Tote und Verletzte geben. Berichten die Medien über Fakten oder Hörensagen? Berichten die Medien angemessen oder übertreiben sie? Sind die Einordnungen korrekt oder irgendwie geraten? Wer schreibt von wem ab? Und welche Auswirkungen hat die Berichterstattung auf die Öffentlichkeit? Wie gehen die Menschen damit um? Wir haben Informationen für Sie. Zum Nachdenken. Exklusiv.
Von Hardy Prothmann
Unsere Top-Schlagzeile: Nichts genaues weiß man nicht. Klar ist, es hat Schüsse in Strasbourg gegeben. Menschen sollen verletzt und getötet worden sein. Wie viele? Unklar.
Wo hält sich der Tatverdächtige auf? Wer ist der Tatverdächtige? Unklar. Möglicherweise handelt es sich um einen in Frankreich geborenen Marokkaner. Vielleicht auch nicht. Es gibt bereits Fotos und seinen Klarnamen im Netz. Chérif C., 29 Jahre alt.
Was ist das Motiv? Ein Terrorakt? Möglich, aber unklar.
Klar ist, es gibt massive Kontrollen. Klar ist auch, dass Stunden nach dem Vorfall der Mann offenbar immer noch auf der Flucht ist (Stand unseres Berichts: 23:50 Uhr). Und das in Frankreich, das anders als Deutschland sehr viel rigider vorgeht und auch das Militär einsetzt. Selbst nach 23 Uhr ist der Tatverdächtige offenbar noch nicht gestellt – ein einzelner „Attentäter“ kann sich also auch im besonders geschützten Strasbourg über drei Stunden und länger den Behörden entziehen? Erstaunlich. Spricht das für die „Qualitäten“ des mutmaßlichen Terroristen oder gegen die „Kompetenz“ der Sicherheitsbehörden?
Alle möglichen Medien verbreiten private Fotos und Videos in Artikeln und sozialen Netzwerken – ist das verantwortlicher Journalismus oder einfach nur ein geiles Geschäft mit einem mutmaßlichen Terrorfall, um die Klickzahlen hochzutreiben?
Klar ist auch, es gibt überhaupt keine Vereinbarungen über Standards der Berichterstattung in mutmaßlichen Terrorlagen. Und klar ist auch, dass jede „Nachricht“ rausgejagt wird – ob diese zutrifft oder nicht, spielt keine Rolle. Es geht um maximale Aufmerksamkeit. Und damit wird der Terror, sofern es ein Terroranschlag gewesen sein sollte, weit verbreitet und genährt. Diese Einschätzung von RNB interessiert aber keinen – oder doch, weil wir die Frage stellen?
Das RNB hat diese und andere Fragen und Probleme im Frühjahr thematisiert – mit einem Text, der in Teilen einen fiktionalen Terrorangriff auf Mannheim schilderte. Die Folge: Ermittlungen gegen uns, weil wir angeblich den öffentlichen Frieden gestört haben. Gerichtsverhandlung ist am kommenden Montag, 17. Dezember 2018, 9 Uhr, Amtsgericht Mannheim.
Unser Tipp: Wenn Sie „surfen“, kopieren Sie sich alle Texte und speichern Sie diese ab. Schauen Sie sich hinterher das Datum und die Uhrzeit an und welchen „Informationsgehalt“ sie finden. Überlegen Sie, ob wirklich informiert werden sollte oder es nur um Aufmerksamkeit ging.
Bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil, ob „die Medien“ tatsächlich Hintergründe geliefert oder nur Terror und dessen Verbreitung befördert haben.
Medien haben selbstverständlich die Aufgabe, aktuell zu berichten. Die Frage ist nur, wie sie das machen.
Die aktuelle Meldung hätte lauten können:
Schüsse in Strasbourg – Am Dienstagabend wurden laut Quelle Schüsse in der Strasbourger Innenstadt abgegeben. Es soll Tote und Verletzte geben. Die genaue Zahl ist noch nicht bekannt. Der Täter ist flüchtig und soll selbst von Soldaten angeschossen worden sein. Die Sicherheitskräfte haben abgesperrt und kontrollieren Straßen und Grenzübergänge. Die Bevölkerung ist aufgerufen, den öffentlichen Raum zu meiden, sofern möglich. Wir berichten nach, wenn wir gesicherte Informationen haben.
Doch niemand beschränkt sich darauf. Die Wahrheit ist: Für die meisten Medien ist Terror ein geiles Ereignis, das man ausschlachtet, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erreichen. Am liebsten würde man live und in Farbe berichten und wie damals in Gladbeck wäre auch ein Interview mit den mutmaßlichen Tätern ein echter Coup.
Und nein: Wir schreiben bei niemandem ab. Wenn RNB zitiert, wird immer die Quelle genannt. Wir haben jede Menge aktuelle Informationen, die wir nicht prüfen konnten. Also berichten wir auch nicht, was wir nicht verifizieren konnten.
Andere Medien machen das anders.
Und staatliche Behörden? Wechseln ohne Übergang von Fun auf Fanal.
Gegen 0:28 Uhr meldet Le Monde zwei Tote und 13 Verletzte, umfangreiche Straßensperren.
Anm. d. Red.: Beim Vorschaubild handelt es sich um einen „Elektrikerverband“. Der Autor hatte sich mit einem Messer beim Spülen verletzt und die Wunde mit Küchenpapier und Malerkrepp abgebunden. Dieses Foto hatten wir auch für unseren fiktionalen Artikel verwendet – als fotografischen Beleg für 137 Tote…
Ja – auch RNB macht das Thema, aber mit Fragen, die sonst niemand stellt.
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