Mannheim, 12. Dezember 2018. (red/pro) Nachdem eine vierte Klasse an der Käfertalschule zum Schulstart eine neue Lehrerin bekommen hatte, ist das Leben für viele Kinder und Eltern nicht mehr in Ordnung. Kinder berichten den Eltern von Angst, von Bauchschmerzen – sie wollen nicht mehr in die Schule gehen. Wegen der neuen Lehrerin. Die Eltern führen Gespräche mit der Lehrerin, der Rektorin, dem Schulamt. Doch das entscheidet, dass die Lehrerin bleibt. Zwei Kinder haben die Schule bereits verlassen, zehn weitere Versetzungsanträge sollen vorbereitet werden.
Von Hardy Prothmann
Von der ersten bis zu dritten Klasse war das Leben für die Kinder und die Eltern in Ordnung. Nur 22 Schüler hat die Klasse. Paradiesische Zustände – auch für die Lehrer. Die Kinder sind motiviert, viele haben gute Noten, gehen gerne zur Schule. Der Großteil der Eltern kümmert sich um den Nachwuchs – das ist keine Problemklasse wie an manch anderen Schulen, sondern es herrschen ganz solide Verhältnisse. Ein Vater mit türkischem Migrationshintergrund sagt: „Mein Sohn hatte eigentlich nur Sorgen wegen der Ferien, weil es dann keine Schule gab. Das mochte er nicht, weil er so gerne in die Schule geht.“
Mit der neuen Lehrerin wurde alles anders
Doch seit September ist alles anders. Bereits kurz nach Schulstart kam es zu ersten Gesprächen, weil Probleme aufgetreten sein sollen. Mit der Lehrerin S.. Die neue Lehrkraft kommt von einer anderen Schule und hat die Klasse übernommen, weil die frühere Lehrerin schwanger geworden ist.
Immer mehr Kinder wandten sich an die Eltern, weil sie Probleme mit dem Verhalten der Lehrerin hatten. Diese soll schreien und Kinder erniedrigen – vor der gesamten Klasse. RNB hat insgesamt mit sieben Elternteilen gesprochen. Teils Deutsche, teils Eltern mit Migrationshintergrund, die aber alle sehr gut deutsch sprechen und sich sehr differenziert äußerten.
Enormer psychologischer Druck
Was die Eltern erzählen, ist sehr individuell, im Kern aber deckungsgleich. Nach ihren Angaben soll die Lehrerin einen enormen psychologischen Druck aufbauen. Beispiele: Zwei Kinder, die sich im Hort über die Lehrerin unterhielten, sollen eine rote Karte erhalten haben, auf denen sie gestehen sollten, dass sie Lügen über die Lehrerin verbreiten. Vor kurzem waren 12 Kinder nicht in der Schule – die Eltern wollten ein Zeichen setzen. Danach erhielt einer der Schüler eine Arbeit zurück, die zunächst besser bewertet war. Die Note wurde durchgestrichen und eine schlechtere Bewertung vergeben. Eine Mutter mit Migrationshintergrund, deren Kind die Schule bereits verlassen hat, sagt: „Die Lehrerin teilte mir mit, dass, wenn meine Tochter sich nicht an Regeln halte, sie mit 18 im Gefängnis wäre. Das hat mich fassungslos gemacht. Mein Kind ist lebhaft, ja, aber es hat noch nie etwas Illegales angestellt.“
Alle Kinder zeigten nach Angaben der Eltern Wesensveränderungen und wollten nicht mehr in den Unterricht mit Frau S. gehen. Manche schlafen schlecht, haben Bauchdrücken, wollen nichts mehr über die Schule erzählen und gehen vor allem nicht nur ohne Lust, sondern eher panisch in die Schule. Derzeit sind zwei Kinder durch ärztliches Attest bis zu einem Schulwechsel vom Unterricht freigestellt.
Vollständig unterschiedliche Angaben
Alle Beispiele der Eltern aufzuführen, würde den Rahmen des Artikels sprengen. Jedes Gespräch dauerte länger als eine halbe Stunde. Interessant ist, dass die verschiedenen Eltern zwar im Kern ähnliche Probleme beschreiben, aber sich sonst derart äußern, dass eine „Absprache“ nicht erkennbar ist. Es könnte ja sein, dass man sich verabredet hätte, die Lehrerin im Kollektiv zu entfernen – doch dazu gibt es keinerlei Hinweise. Und einige der Eltern sind durchaus grundschulerfahren – ältere Kinder sind bereits auf weiterführenden Schulen und fallen dort nur durch gute bis sehr gute Leistungen auf.
Neben dem Verhalten der Lehrerin machen sich die Eltern auch Sorgen wegen der Noten – die sind bei vielen Kindern schlechter geworden. Angeblich sei die Klasse besonders in Deutsch und Englisch hintendran – Schulamtsdirektor Frank Schäfer aber teilt auf Anfrage von RNB am 07. Dezember mit: „Es ist kein signifikanter Leistungsabfall in der Klasse festzustellen.“ Viel mehr könne man aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht mitteilen.
Am 10. Dezember hingegen teilt Herr Schäfer gegenüber dem Elternsprecher Chris Rihm per email mit:
Eine weitere Rückmeldung durch Frau Schulrätin Schmidt-Ullmann und Frau Rektorin Riedl, die ebenfalls den Unterricht mehrfach besuchten, ergab, dass das Lernniveau der Kinder in Mathematik gut durchschnittlich, in Deutsch und Englisch jedoch eher unter dem Durchschnitt anzusiedeln ist und deshalb in den beiden letztgenannten Fächern nachgearbeitet/aufgeholt werden muss. In ihren Unterrichtsbesuchen konnten weder Frau Riedl noch Frau Schmidt-Ullmann pädagogisch fragwürdige Methoden/Lernarrangements wahrnehmen, noch verängstigte Kinder erleben.
Chris Rihm ist eine nicht nur im Mannheimer Norden bekannte Person. Er führt hier seit Jahren ein Reisebüro, ist CDU-Bezirksbeirat, in der sozialen CDA engagiert und ist Einsatzleiter und Koordinator Rettungsdienst der Stadt Mannheim – ein Ehrenamt, für das man starke Nerven braucht. Im September wurde er zum Elternbeirat der Klasse gewählt:
Ich und andere Eltern sind mittlerweile an dem Punkt, dass ein „Weiter so“ mit dieser Lehrerin kategorisch ausgeschlossen wird. Zwei Kinder haben die Schule bereits gewechselt, weitere zehn werden Anträge stellen oder haben diese schon gestellt. Es ist mir unverständlich, dass, wenn 12-14 von 22 Kindern die Klasse verlassen, das Schulamt immer noch davon ausgeht, dass hier alles in Ordnung sei. Und andere Eltern haben Sorge, dass es Nachteile für ihre Kinder gibt, wenn sie sich äußern.
Hinter ihm liegen Dutzende von Gesprächen mit anderen Eltern, der Lehrerin, der Rektorin, dem Schulamt. Viele lange emails gingen hin und her. Seit Wochen wird eine Lösung gesucht – anfangs hoffte man noch, dass sich die Probleme durch Gespräche lösen lassen, mittlerweile wird die Ablösung der Lehrerin gefordert. Doch das Schulamt mauert und hält an der umstrittenen Lehrerin fest, die dieses Jahr von einer anderen Schule an die Käfertalschule gewechselt ist.
Ganz im Gegenteil muss man den Eindruck haben, dass Chris Rihm zum Hauptschuldigen gedeutet werden soll. Der wehrt sich und schreibt ans Schulamt:
Ich selbst habe Gesprächen zwischen Frau S. und Eltern begleitet und war teilweise entsetzt von der Gesprächsführung, den Inhalten und der Struktur der Gespräche. Frau S. war nicht bereit, auf die erhobenen Vorwürfe einzugehen oder Verständnis für die Probleme der Kinder und Eltern aufzubringen. Fehler und Probleme wurden jeweils, mit aus meiner Sicht fragwürdigen Methoden, auf die Eltern oder die Kinder projiziert. Mir und den meisten Eltern zu unterstellen, wie in unserem Gespräch am 05.12.2018 geschehen, wir wären nie an einer Lösung interessiert gewesen und hätten immer nur die Entfernung von Frau S. im Blick gehabt, weise ich entschieden zurück. Ohne den sachlichen Einsatz von Frau D. und mir wäre die Situation schon viel früher eskaliert. Letztendlich habe ich mit Frau Riedl und Frau Schmidt-Ullmann einen regelmäßigen Austausch gepflegt und die Eltern immer wieder um Sachlichkeit in der Diskussion gebeten und des Weiteren um eine zweite Chance für Frau S. geworben. Wir haben mit einem enormen Zeitaufwand versucht, die Situation zu befrieden und zu deeskalieren.
Zuvor hatte Schulamtsdirektor Schäfer geschrieben:
wie wir Sie bereits schon in unserer E-Mail vom 7. Dezember informiert haben, waren Frau Schulrätin Schmidt-Ullmann und ich umgehend am selben Tag in der Käfertalschule, um die von Ihnen angesprochenen Sachverhalte Ihrer E-Mails vom 7. Dezember (Familie Rihm/Familie D.) zu recherchieren. Wir haben dazu in einem geschützten Setting durch die Schulleitung Kinder der Klasse 4c – ohne Ihre Namen zu nennen- unabhängig voneinander befragen lassen und konnten die Antworten der Kinder hören. Die Sätze, die Sie in Ihren E-Mails als Original-Zitate der Lehrkraft in wörtlicher Rede deutlich gemacht haben, wurden von keinem Kind bestätigt. Tatsächlich haben sich nach Wahrnehmung der Kinder die von Ihnen geschilderten Vorgänge so nicht zugetragen/wurden so nicht erlebt. Weitere Verfehlungen wurden uns auch nicht rückgemeldet. Dies vorab zum aktuellen Stand unserer Recherchen.
Alles Einbildung?
Alles Einbildung also? Alles erfunden? Drei Jahre lang gibt es keine wesentlichen Probleme in der Klasse, dann aber erhebliche Probleme mit einer neuen Lehrerin und 14 von 22 Eltern, die sich dazu verhalten, bilden sich das nur ein? Wie wahrscheinlich ist das? Die Eltern, mit denen das RNB gesprochen hat, äußerten sich allesamt sehr vernünftig, haben ein hohes Bildungsniveau – sind aber merklich mit ihren Nerven am Ende. Alle kollektiv hysterisch? Kann das sein?
Mehr als die Hälfte der Kinder der Klasse werden die Schule wechseln und das Schulamt steht auf dem Standpunkt, dies geschehe nach deren Recherchen vollständig grundlos? Eltern sind am Rande des Nervenzusammenbruchs, Psychologen begutachten Kinder – sind von heute auf morgen allesamt verrückt geworden? Oder muss man den Eindruck haben, dass dieses Schulamt seine bürokratische Haltung auf dem Rücken von Grundschülern austrägt?
Die Stadt Mannheim hat keine Aktien in der Sache – die Verantwortung liegt beim staatlichen Schulamt. Auf Anfrage teilt die Bildungsbürgermeisterin Dr. Ulrike Freundlieb mit: „Wir hören Ihre Schilderungen mit Sorge, sind jedoch überzeugt davon, dass das Staatliche Schulamt und die Schulleitung sich intensiv den Sorgen und Hinweisen der Eltern annehmen werden.“
Diesen Eindruck haben die Eltern nicht. Ganz im Gegenteil.
Anm. d. Red.: Aus Transparenzgründen teilen wir mit, dass es seit einigen Jahren eine Geschäftsbeziehung zwischen dem Reisebüro von Herrn Rihm und RNB gibt. Das Reisebüro ist Werbekunde des RNB. Wir trennen das Verlagsgeschäft und redaktionelle Inhalte strikt. Herr Rihm hat uns auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht, danach haben wir eigenständig und ohne Einwirken durch Dritte recherchiert. Es wurden sieben Telefonate mit Elternteilen geführt, die alle zwischen 30-45 Minuten andauerten. Die Eltern haben sich freiwillig bei uns gemeldet und sehr detailliert berichtet. Wir hatten zuvor Vertraulichkeit zugesichert. Wir haben zudem Fragen ans Schulamt geschickt, die überwiegend nicht beantwortet worden sind. Dazu haben wir die geführte Korrespondenz ausgewertet.
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